FDP-Bundesparteitag - Lindners Backstube

FDP-Chef Christian Lindner verteidigt auf dem Parteitag der Liberalen die Koalition mit der Ampel. Doch zugleich macht er die größten politischen Differenzen beim eigenen Koalitionspartner aus, ohne die Grünen direkt zu benennen. Wie lange dieses gelbe Doppelspiel gutgeht, ist offen.

Die machen was. Aber was eigentlich? Christian Lindner auf dem FDP-Bundesparteitag / dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Vielleicht passt die englische Redensart auf Christian Lindner besser als die deutsche Variante. Im Deutschen sagt man: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Im Englischen heißt es hingegen, behalte den Kuchen und iss ihn zugleich. Man konnte hier und da zwischen den Zeilen dem FDP-Vorsitzenden schon anmerken, dass er die Grünen gerne auf offener Bühne beim heute in Berlin begonnenen Bundesparteitag genüsslich verfrühstückt hätte. Doch er tat es nicht. Zugleich wollte er ja den grünen „Kuchen“ behalten, die Öko-Partei und seinen „lieben Kollegen“ Robert Habeck als Koalitionspartner ja nicht verprellen. Das war also das Kunststück, das der Bundesfinanzminister und Chef-Liberale vorführen musste: irgendwie die Grünen „nass“ zu machen, dabei aber die Ampel und ihre Munition schön trocken halten. So ganz ist ihm das nicht gelungen.

Seit zehn Jahren ist Christian Lindner Vorsitzender der FDP. Er hat die Partei aus der außerparlamentarischen Opposition zurück in den Bundestag und zurück in die Regierung geführt. Die Erfolgsgeschichte kauft ihm jeder ab, deswegen ist seine Wiederwahl heute auch eine Formsache. Und doch ist die FDP in der kompliziertesten Bredouille seit langem. In Sachen Haushalt, Verbrenner und Heizungsumbau versucht sie, in der Ampel-Regierung ihren marktwirtschaftlichen Kurs gegen Dirigismus und Klimaschutz-Hybris zu halten. Dauerstreit mit den Grünen und Lähmung bei vielen Gesetzen sind die Folge. Doch ihre Rolle als „Schlimmeres-Verhinderer“ zahlt sich bislang beim Wähler und an der Basis nicht wirklich aus. Die Sorge vor den kommenden Landtagswahlen und erneuten Wahlschlappen sind den Liberalen bei ihrem Parteitag anzumerken.

Über anderthalb Stunden verteidigte Lindner das Regierungshandeln

Nachdem der FDP-Chef also über anderthalb Stunden das Regierungshandeln verteidigt hatte, schloss er doch seine Rede mit einer überraschenden Formel. „Wir haben noch viel vor“, rief Lindner den Delegierten zu. „Unser Auftrag ist noch nicht erfüllt.“ Und dann: „Wir kämpfen dafür, dass Deutschland kein linkes Land wird.“ Aha, mag da der geneigte Beobachter denken, wer hätte gedacht, dass dieser offenbar zentrale Auftrag der FDP, immerhin war es der Schlusssatz seiner gefeierten Rede, ausgerechnet am besten mit SPD und Grünen zu realisieren sei. Beim Baden nicht nass zu werden und beim Kuchen Essen nichts in den Magen zu bekommen, das bleibt weiter das Kunststück, das der Zauberlehrling Lindner uns vorführen will.

 

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Das Backpulver im Kuchen der Ampel ist die Gesellschaftspolitik. Und so sprach auch Lindner zur Verteidigung des Bündnisses gleich die fortschrittlichen Vorhaben der Regierung an. Etwa die Neufassung des Namensrechts oder die Schaffung einer „Verantwortungsgemeinschaft“, alles das nehme den hergebrachten Formen des Zusammenlebens nichts, so Lindner. Und vom „Woke-Wahnsinn“ zu sprechen, wie Markus Söder von der CSU es tue, sei falsch, denn jeder dürfe leben wie er wolle. Nur wie er also diese Verteidigung des rot-grün-gelben Erneuerungseifers als Kampf gegen ein linkes Deutschland verkaufen will, sagt uns der liberale Bäckermeister nicht, immer darauf bedacht, dass der Kuchen, den er auftischt, nicht in sich zusammenfällt.

Wenn er die Grünen meint, dann spricht er von „den Anderen“

Lindner warnte vor der Gefahr, die von Reichsbürgern ausgeht, und gleich danach giftete er auch gegen die „Letzte Generation“. Die Proteste und Blockaden der radikalisierten Klimaschützer seien durch kein noch so edles Motiv zu rechtfertigen. Aber von den Klimaklebern distanzieren sich inzwischen sogar Grüne und Fridays for Future, damit tut er keinem weh, auch nicht seinen andersfarbigen Kabinettskollegen. Immerhin hat er dann noch einen Spruch drauf, um auf dem Parteitag etwas Süßstoff in die ballaststoffreiche Koalitions-Backmischung zu geben. „Volker Wissing macht mehr für den Klimaschutz als die Klimakleber.“ Das würde Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang über den Lieblingsfeind ihrer Parteifreunde zwar nicht formulieren, aber wer will es dem Parteichef verdenken, dass der seinen Parteifreund beizuspringen versucht? 

Wenn Lindner in seiner Rede die Grünen meint, dann spricht er von „den Anderen“, das ist sozusagen der Badetrick, um beim Waschen nicht nass zu werden. Denn die Anderen, so insinuiert er, hätten eigentlich noch gar nichts verstanden: Klimaschutz gehe nicht ohne Marktwirtschaft; Klimaschutz gehe nicht gegen die eigene Bevölkerung; Klimaschutz gehe nicht mit immer mehr Schulden. Und der Staat wisse nicht alles besser, sondern müsse das freie Spiel der Kräfte auch bei Technologie und Forschung ermöglichen. Die Anderen, die das alles nicht verstehen, das sind die Grünen, mit denen man regiert. Aber egal, das muss man so deutlich besser nicht sagen.

Den größten Krach in der Ampel gibt es aktuell bei der Heizungsfrage. Bei dem Projekt der Wärmewende ist für die Regierungspartner alles schief gelaufen, was schief laufen kann. Am Anfang wurde eine unabgestimmte Idee an die Medien durchgestochen und schon diskutiert, als man sich noch nicht einig war. Am Ende stand ein Kabinettsbeschluss, von dem sich Lindner distanzierte. „Alles normal“, beschwichtigte gestern der FDP-Chef. Im Parlament würde jetzt das besser gemacht, was in der Regierung noch nicht gelungen sei. Doch wie soll das weitergehen im liberalen Waschsalon?

Spätestens wenn die FDP aus den Landtagen in Bremen, Hessen und Bayern geflogen (beziehungsweise nicht wieder eingezogen) ist, wird es ungemütlich in der Badewanne mit den Grünen – ohne Wasser.

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