Fachkräftezuwanderungsgesetz - Nur ein kleiner Erfolg für die FDP

Das heute im Bundestag beschlossene Fachkräftezuwanderungsgesetz ist für die FDP ein Erfolg. Endlich können die Liberalen belegen, dass sie sich für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetzen. Bei einem anderen migrationspolitischen Ziel sind sie aber in der Ampel sehr viel weniger erfolgreich.

Johannes Vogel, FDP, bei der Debatte im Deutschen Bundestag zur Fachkräfteeinwanderung, 23.06.2023 / picture alliance
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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An dem neuen Fachkräftezuwanderungsgesetz, das der Bundestag heute mit den Stimmen der Ampel-Koalition gegen die Stimmen der Union und der AfD und bei Enthaltung der Linken beschlossen hat, kann man im Einzelnen sehr viel aussetzen. Und die Union hat das auch heute noch einmal getan. Das Gesetz „zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ wird die Absurdität der deutschen Einwanderungswirklichkeit nicht auflösen, die darin besteht, dass Hunderttausende jährlich einwandern, die sozialstaatlich versorgt werden (müssen), während gleichzeitig die Arbeitgeber über einen Mangel an passenden Arbeitskräften klagen.  Das neue Gesetz, das Innenministerin Nancy Faeser das „modernste Einwanderungsrecht der Welt“ nennt, wird nämlich voraussichtlich im Nebeneffekt auch neue Zugangsmöglichkeiten für Armutsmigranten schaffen, aber Deutschland nicht attraktiver machen für Leistungswillige. Wenn man unter „modern“ also die Anpassung an die gegenwärtigen und erwartbaren Probleme zum Erhalt des inneren Friedens, des Wohlstands und der Stabilität des (Sozial-)Staats versteht, so ist dieses Gesetz allenfalls ansatzweise modern.

Dennoch ist es aus zwei spezifischen Perspektiven positiv zu werten. Beide hängen auch unmittelbar zusammen. Das Gesetz wird voraussichtlich vielen Arbeitgebern, die auf dem heimischen Arbeitsmarkt und selbst im EU-Ausland kaum passende Mitarbeiter finden, die Einstellung außereuropäischen Personals erleichtern, indem bisherige aufenthaltsrechtliche Hürden deutlich gesenkt oder gar abgeschafft werden. Bei vielen Unternehmen sind die Erwartungen an das Gesetz hoch. Es waren schließlich vor allem Wirtschaftsverbände, die auf dieses Gesetz drängten.

 

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So müssen beispielsweise Hotel- und Gastronomiebetriebe nach neuer Gesetzeslage für ihre im Ausland angeheuerten Mitarbeiter nicht mehr exakt den verschiedenen deutschen Ausbildungszertifikaten entsprechende Qualifikationen nachweisen. Außerdem werden die sogenannten „Mindestgehaltsschwellen“ deutlich gesenkt. Das macht deutlich, dass es nicht mehr nur um akademische, hochspezialisierte Berufe geht, an die man früher beim Begriff „Fachkraft“ dachte. Tatsächlich geht es längst um Beschäftigungen vor allem im Dienstleistungssektor, die deutlich unterhalb eines Durchschnittsgehalts vergütet werden und auch deswegen für viele junge Deutsche unattraktiv sind.

Die FDP kann zeigen, dass sie nicht ganz umsonst in der Regierung sitzt

So ist auch zu verstehen, dass heute nicht zuletzt in der FDP die Freude groß ist über dieses Gesetz. Denn endlich kann die Partei, die sich traditionell als besonders verständnisvoll gegenüber den Anliegen von Unternehmen versteht, brüsten, ein zentrales Wahlversprechen gegenüber diesen eingelöst zu haben. Nachdem sie bislang vor allem politische Anliegen der Koalitionspartner, vor allem der Grünen, mit Blick auf deren unbedingten Willen zur Dekarbonisierung und „Transformation“ mittragen mussten, die die Wirtschaft schwer belasten, können die Freien Demokraten sich nun ein Gesetz zugutehalten, das der deutschen Wirtschaft am Herzen liegt.

Für die FDP ist der heutige Tag also auch einer, an dem sie ihre Regierungsbeteiligung rechtfertigen kann. Nach dem Motto: Völlig nutzlos ist das FDP-Wählen zumindest für Arbeitgeber womöglich doch nicht.

Wenn der FDP in Sachen Einwanderungspolitik aber nicht nur das vordergründige Interesse der Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt am Herzen liegt, sondern die Stabilisierung des Sozialstaates und des inneren Friedens in Deutschland, dann bleiben für sie innerhalb dieser Koalition die größten Aufgaben weiter bestehen. „Deutschland braucht mehr legale Migration in den Arbeitsmarkt, aber deutlich weniger illegale Migration in den Sozialstaat“, sagte der bayrische FDP-Chef Martin Hagen kürzlich. Ähnliche Aussagen kommen auch von anderen FDP-Spitzenpolitikern. Beim zweiten Teil dieser Forderung ist die FDP in der Koalition deutlich erfolgloser als beim ersten.

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