
- Kaum ein Ausweg aus dem rassistischen Dilemma
Die neue Rassismus-Kritik am alten weißen Mann dokumentiert wahrscheinlich keinen historischen Wandel. Vielmehr legitimieren wir damit nur die bestehenden Verhältnisse, indem wir uns selbst für unsere aufrechte Haltung bewundern.
Kürzlich forderte ein Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg, das Robert-Koch-Institut umzubenennen, weil Robert Koch in den afrikanischen Kolonien skrupellos agiert habe. Man könne Koch, sagte der Kolonialismusexperte, wohl kaum als Vorbild hinstellen. Ich fand das skurril. Abgesehen von der Anmaßung, den RKI-Mitarbeitern ausgerechnet jetzt den bürokratischen Aufwand einer Umbenennung zuzumuten, hat die Vergangenheit keinen Delete-Knopf. Wir können sie nicht zur Kolonie unserer heutigen Werte machen. Wir sind ja nicht unbedingt besser. Ich bin zwar auch gegen Kolonialismus und Rassismus, aber wer nicht?
Tausendmal eindringlicher als der eifrige Artikel über Robert Koch ist übrigens das neue Buch von Colson Whitehead, „Die Nickel Boys“. Es beruht auf Fakten, spielt zur Zeit der Rassentrennung in den USA und handelt von Schwarzen, die in einer Jugendstrafanstalt gefoltert werden. Man kann das nur lesen, ohne zu atmen, weil es so furchtbar und so furchtbar gut geschrieben ist.