Corona-Demo - Buntes Volk

In Berlin haben am Mittwoch ein paar tausend Demonstranten gegen das neue Gesetz zur Pandemiebekämpfung protestiert. Die Stimmung war weitgehend friedlich. Vereinzelt kam es zu Gewalt und Widerstand gegen Polizisten.

Bis zum Brandenburger Tor und zum Bundestag kamen die Demonstranten nicht. Die Polizei hielt sie auf Abstand. / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Während die Abgeordneten im Bundestag über das neue „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ debattierten, versammelte sich auf der Straße des 17. Juni eine bunte Schar derjenigen, die geschützt werden sollen, dies aber nicht wollen. Von den „Christen im Widerstand“ über die „Veteranen für Recht und Freiheit“, von Alt- und Jung-Hippies, sächsischen Staatsskeptikern bis esoterischen Friedensjüngern war allerhand Volk unterwegs.

Ein Großaufgebot an Polizei riegelte Parlament und Kanzleramt weiträumig ab. Ein zweiter „Sturm auf den Reichstag“ sollte von vornherein verhindert werden. Vergangenen August war es Teilnehmern einer gegen die Corona-Politik gerichteten Demo gelungen, auf die Stufen des Bundestagsgebäudes zu kommen. Der Vorfall hatte einiges Aufsehen erregt und wurde als Angriff auf die Demokratie verurteilt.

Die Polizei war besser vorbereitet

Diesmal waren die Sicherheitskräfte in der Überzahl und deutlich besser vorbereitet. Die Demonstranten wurden nicht mehr so nah herangelassen. Wasserwerfer standen in den Seitenstraßen bereit, Mannschaftswagen parkten in mehreren Reihen als Barrieren, berittene Polizisten postierten sich vor Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten.

Laut Polizeimeldungen kam es zu tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchte Gefangenenbefreiung. Insgesamt seien mehr als 150 Personen festgenommen worden, hieß es am Nachmittag. Darunter waren allerdings auch Fälle, bei denen es nicht um Gewalt, sondern um Verstöße gegen die Infektionsschutzverordnung ging. Insgesamt blieb es weitgehend ruhig.

Eher Happening denn Volksaufstand

Die Polizei war erkennbar bemüht, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Und der Großteil der Demonstrationsteilnehmer wollte vor allem Gleichgesinnte treffen und friedlich protestieren. So hatte die bald wegen Verstößen gegen das Abstands- und Maskengebot aufgelöste Versammlung eher den Charakter eines Happenings denn eines Volksaufstandes oder gar Neonaziaufmarsches.

Zwei im Gras sitzende Studenten mit zerknitterten Hemden tauschten sich über historische Analogien aus. „Was mich so erschreckt ist, dass auch die Leute im Kaiserreich dachten, es gäbe Meinungsfreiheit, weil sie in der Verfassung stand“, sagte der eine, während der andere nachdenklich an seiner selbstgedrehten Zigarette zog.

Das „Nie wieder Faschismus“-Schild wackelt im Rhythmus

Eine Buschecke weiter tanzte eine Mittdreißigerin mit herausgewachsenen blonden Strähnen zu lateinamerikanischer Popmusik. An ihrem Rücken baumelte ein Schild: „Blinder Gehorsam ist keine Tugend – Blinder Gehorsam ist ein Verbrechen.“ Und darunter, vor ihrem rhythmisch wackelnden Hintern, ein zweites: „Nie wieder Faschismus“.

Allerhand wilde Theorien schnappt man im Vorbeigehen auf: Von den öffentlich-rechtlichen Sendern, die ihre angeblichen Corona-Lügen über eine bestimmte Frequenz den Zuschauern direkt ins Gehirn verpflanzen, bis zur Impfung per Todesspritze, die bald 70 Prozent der Bevölkerung dahingerafft haben wird. Auch Angela Merkel und die Grünen kommen bei einigen Meinungsäußerungen am Rande der Protestversammlung nicht gut weg. „Wartet mal ab, was die noch mit uns vorhaben“, sagt ein mittelalter Mann. „Nach der Wahl wird es lustig. Das sag ich euch.“

Eine Gefahr für die Demokratie? Im Gegenteil

Ist dieses bunte und zuweilen auch etwas wirre Volk, das sich an diesem Frühlingsnachmittag in Sichtweite des Brandenburger Tors und des Reichstags zusammengefunden hat, wirklich eine Gefahr für die Demokratie? So wird es ja oft von der Regierung und den ihr wohlgesonnenen Medien behauptet.

Nein, das ist es nicht. Die Demokratie wäre dann in Gefahr, wenn der Bundestag solche massiven Freiheitseinschränkungen beschließt, wie er es an diesem Mittwoch getan hat, und kein Mensch ginge dagegen auf die Straßen. 

 

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