Kubickis Habeck-Putin-Parallele - Uneindeutigkeit ist Feigheit

Wolfgang Kubicki hat eine unglückliche Parallele zwischen Putin und Habeck gezogen. Wenn Teile der JuLis nun aber fordern, er müsse aus dem FDP-Vorstand zurücktreten, votieren sie gleichzeitig für den weiteren Absturz der FDP in die Bedeutungslosigkeit.

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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Wer den Wirtschaftsminister der FDP-gestützten Bundesregierung mit einem per Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrecher vergleicht, der ist des Amts als stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP nicht würdig.“ Dieses Zitat stammt nicht etwa von der Opposition im Deutschen Bundestag, von den Grünen in der Ampelkoalition oder von irgendeinem emotional aufgewühlten Redakteur des Tagesspiegel – von denen es nach meinen nicht-repräsentativen Beobachtungen viele gibt –, sondern von der Chefin der Jungen Liberalen (JuLis), Franziska Brandmann. 

Es war nicht die einzige Empörungstirade, die in Richtung des FDP-Vorstandsmitglieds Wolfgang Kubicki aus den Reihen der JuLis zu vernehmen war, als diese sich vergangenes Wochenende zum Bundeskongress in Halle an der Saale trafen. Wie unter anderem der Spiegel zu berichten weiß, fielen noch weitere Sätze von weiteren JuLis, darunter: „Jemand, der einen Wirtschaftsminister, der ein Tempolimit will, vergleicht mit einem Kriegsverbrecher, hat in unserem Parteivorstand nichts mehr zu suchen.“ Oder auch: „Das Zitat von Kubicki ist einer Rechtsstaatspartei nicht würdig.“

Eine Parallele mit Folgen

Nun lässt sich über Geschmack freilich streiten, und man kann mit Blick auf die Parallele, die Kubicki zwischen Habeck und Putin gezogen hat, zu dem berechtigten Ergebnis kommen, dass es eine geschmacklose Einlassung war. Laut Kubicki verstehe Habeck Freiheit als „Einsicht in die Notwendigkeit“, also als von vornherein beschränkt. Ein Freiheitsbegriff, ließ sich Kubicki im Gespräch mit Massengeschmack.tv dann hinreißen, den „Wladimir Putin problemlos auf sein eigenes Herrschaftsmilieu übersetzen“ könnte.

Für die Aussage hat sich Kubicki mittlerweile entschuldigt. Aber wie das in der heutigen Zeit ebenso ist mit der Empörung, wurden bei der Diskussion drumherum mal wieder einige Gedankengänge ausgelassen, wahrscheinlich, weil diese intellektuell schlicht zu überfordernd sind für allzu sensible Gemüter.

Erstens: Ein Vergleich ist keine Gleichsetzung. Zweitens: Kubicki hat nicht Habeck mit Putin verglichen, wie zig Medien wahrheitswidrig titelten, sondern deren jeweilige Freiheitsbegriffe. Und Drittens – und das ist die vielleicht größten Seuche postmoderner Diskurse – drehte sich die Debatte um Kubickis Aussage erneut nur darum, wie er etwas formuliert hat, nicht was er gemeint hat; also nicht ums Inhaltliche, nicht um die Frage nämlich: Wie halten es die Grünen wirklich mit der Freiheit?  

Kein liberales Freiheitsverständnis

Dass sich der liberale Freiheitsbegriff nicht mit einem Überfall auf ein Nachbarland vereinbaren lässt, liegt auf der Hand. Auf der Hand liegt allerdings auch, dass sich der Freiheitsbegriff der Grünen – und damit auch jener Robert Habecks – nicht vereinbaren lässt mit einem, wie er von liberalen Bürgern vertreten wird. Die finden nämlich, dass jeder nach seiner Fasson selig werden soll und sich der Staat maximal rauszuhalten hat aus dem Leben der Leute, aus ihren Gesundheitsentscheidungen und ihrem Lifestyle im Allgemeinen. Anders formuliert: Entweder Menschen haben ein liberales Freiheitsverständnis, für das sie auch konsequent eintreten – oder sie haben es halt nicht.
 

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Ich finde die Habeck-Putin-Parallele auch unangebracht. Aber man kann zwischen dem tendenziell autoritären Freiheitsverständnis der Ampelregierung, insbesondere der Grünen, sehr wohl Parallelen ziehen zum gefestigten Autoritarismus anderer Akteure dieser Welt. Warum auch nicht? Wenn ich anmerke, dass der türkische Staatspräsident Erdogan ihm nahestehende Kreise bevorzugt, während er ihm nicht wohlgesinnte Milieus sukzessive benachteiligt, ist das Fakt. Wenn ich anmerke, dass die Grünen reichlich Steuergeld in ihnen genehme NGOs pumpen, während den Grünen oppositionell gegenüberstehende Akteure eher nicht vom „Demokratiefördergesetz" profitieren, ebenso.

Wenn ich anmerke, dass Erdogan ideologische Politik auf Basis eines gefestigten Weltbildes macht, ist das Fakt. Wenn ich feststelle, dass die Grünen ebenfalls ideologische Politik auf Basis eines gefestigten Weltbildes machen, ebenso. Wenn ich anmerke, dass sich Erdogan jede Kritik an seinen Überzeugungen verbittet, ist das Fakt. Wenn ich feststelle, dass viele Grüne und ihnen nahestehende Zeitgenossen große Freude daran haben, Meldestellen gegen anti-woke Umtriebe und für „Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ einzurichten, ebenso. Die AKP in der Türkei hat kein liberales Freiheitsverständnis. Die Grünen in Deutschland in der Summe auch nicht. Das macht Habeck nicht zu Erdogan, aber Erdogan macht Habeck auch nicht zu einem Liberalen. 

Die bessere Übergriffigkeit

Will sagen: Die JuLis täten gut daran, wegen echten oder vermeintlichen geschmacklosen Vergleichen nicht auf prominente Vertreter der eigenen Partei einzuprügeln – was übrigens schon bei der Linken mit Sahra Wagenknecht und bei den Grünen mit Boris Palmer nicht funktioniert hat. Die Jungen Liberalen sollten sich stattdessen ernsthaft Gedanken machen, für welchen Freiheitsbegriff sie eigentlich stehen und vor allem, wie sie für ihn einstehen wollen. Mit angezogener Handbremse? Oder mit klarer Kante? Uneindeutigkeit ist Feigheit. Aber wer deutlich ist, wie Kubicki, schießt manchmal eben auch übers Ziel hinaus.  

Die entscheidende Frage ist doch, wie sich ein Staat – der glaubt, seine Form der Übergriffigkeit sei automatisch besser, weil sie gut gemeint ist und höheren Missionen dient – zurückdrängen lässt in jene Rolle, die kluge Liberale für ihn vorgesehen haben: in die Rolle einer Instanz, die nötige Rahmenbedingungen für das gesellschaftliche Zusammenleben und wachsenden Wohlstand schafft, aber dezidiert keinen sonderpädagogischen Volkserziehungsauftrag hat und sich dem Kampf gegen den Klimawandel oder dem Kampf gegen irgendein Virus stärker verpflichtet fühlt als dem mündigen, also dem freien Bürger.

Biologie als Relikt vergangener Tage

Abgesehen davon gibt es einen weiteren Punkt, den die JuLis vielleicht beachten sollten: die aktuellen Zustimmungswerte der FDP. Laut Infratest Dimap würden derzeit bei Bundestagswahlen nur noch sieben Prozent der Menschen ihr Kreuz bei der FDP machen. Bei den fünf Landtagswahlen im vergangenen Jahr konnte die FDP nur im Saarland leicht zulegen, um 1,5 Prozent. Gereicht fürs Landesparlament hat es nicht. Ebenso wie es in Niedersachsen (4,7 Prozent) und in Berlin (4,6 Prozent) nicht gereicht hat. In Schleswig-Holstein (6,4 Prozent) und in Nordrhein-Westfalen (5,9 Prozent) hat es zwar gereicht, aber die Wahlergebnisse haben sich verglichen mit den vorangegangenen Landtagswahlen halbiert. 

In der Causa Kubicki kommt daher noch ein weitere Punkt hinzu: Kubicki gehört zu jenem kleiner werdenden Kreis von FDP-Politikern, die maßgeblichen Anteil daran haben, dass ein nennenswerter Teil ihrer potenziellen Wählerschaft – liberale Bürgerliche nämlich – die Partei noch nicht endgültig abgeschrieben haben, obwohl sie mit der SPD und den Grünen regiert und unter anderem identitätspolitische Vorhaben wie das Selbstbestimmungsgesetz mittragen will, das die Biologie zum Relikt vergangener Tage erklären würde.

Wer als JuLi also den Rücktritt von Wolfgang Kubicki aus dem Parteivorstand fordert, weil der nicht als Fähnchen im Wind wahrgenommen wird, für mehr Abgrenzung von Rot-Grün steht und bei mancher Klare-Kante-Aussage ein bisschen überdreht, votiert gleichzeitig für den weiteren Absturz der FDP in die erneute Bedeutungslosigkeit. Denn liberale Politiker, die sich scheuen, ordentlich auf den Tisch zu hauen, wenn es um die Freiheit geht, weil anschließend irgendwer vom Stuhl kippen könnte, braucht wirklich kein Mensch. 

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