Cicero Jugend-Serie „Contra Woke” - Islam-Aussteigerin Zeinab Herz: „Ich bin der Albtraum einer jeden woken Feministin“

Zeinab Herz erhielt massive Drohungen, als ihre libanesische Familie in Deutschland erfuhr, dass sie aus dem Islam ausgetreten ist und einen nicht-muslimischen Freund hat. Im Interview spricht sie über Gewalterfahrungen, Parallelgesellschaften und den Frauenhass in der muslimischen Community.

„Allah erlebte ich als einen bestrafenden Gott, der Frauen zutiefst verachtet“, sagt Zeinab Herz / privat
Anzeige

Autoreninfo

Clemens Traub ist Buchautor und Cicero-Volontär. Zuletzt erschien sein Buch „Future for Fridays?“ im Quadriga-Verlag.

So erreichen Sie Clemens Traub:

Anzeige

Die Medien sind in den letzten Jahren daran gescheitert, ein Bild der jungen Generation zu zeichnen, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Wir möchten die Debatte über die Generation Z daher nicht länger identitätspolitisch motivierten Redaktionen überlassen. Denn junge Menschen bewegt mehr als Fridays for Future, Body Shaming und Black Lives Matter.

Die Cicero Jugend-Serie „Contra Woke“ möchte all jenen jungen Menschen eine Stimme geben, die dem vorherrschenden woken Zeitgeist nicht entsprechen, aber gehört werden müssen, um die echte Lebensrealität und die wahren Sorgen der jungen Generation zu verstehen. Sie möchten selbst einen Artikel einreichen? Gerne, schreiben Sie uns hierfür eine Mail an: redaktion@cicero.de.

---

Die 23-jährige Zeinab Herz kommt aus Norddeutschland und studiert Informatik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Sie ist Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime und engagiert sich politisch für die FDP. Aus Sicherheitsgründen hat die Redaktion einen geänderten Namen benutzt.

Frau Herz, Sie sind in Norddeutschland in einer muslimischen Familie aus dem Libanon aufgewachsen. Als 18-Jährige haben Sie Ihre Familie verlassen und sind aus dem Islam ausgetreten. Was waren Ihre Gründe für diesen Schritt? 

Ich wurde in meiner libanesischen Community aufgrund meines Geschlechts sexualisiert und in meine Rolle als fromme unterwürfige Frau gesteckt, die sich nicht ihres eigenen Verstandes bedienen soll und auf Allahs Regeln vertrauen muss. Meine Familie drängte mich dazu, einen Hijab zu tragen. Ich musste oft dafür kämpfen, auch Zeit mit gleichaltrigen Jungs ohne eine Aufsicht verbringen zu können, was bei uns religiös verboten ist. Ich wollte mich damals mit einem Jungen aus meiner Klasse zum Lernen verabreden, doch das wurde mir zunächst verweigert, da mich der Junge zu unsittlichen Handlungen anstiften könnte. Ich war damals ein Kind! 

Als ich dann einmal mit einem Jungen auf meinem Schulweg gesehen wurde, sprach sich das wie ein Lauffeuer herum, und die Libanesen in meinem Umfeld betrachteten mein Verhalten als schlampig. Ich hatte in meiner streng islamischen Community irgendwann das Gefühl, in einer Sekte gefangen zu sein. Wie ein Vogel, der nicht fliegen kann, da er in einem kleinen Käfig eingesperrt ist. Allah erlebte ich als einen bestrafenden Gott, der Frauen zutiefst verachtet. 

Sie sind nach Süddeutschland gezogen und studieren nun in Saarbrücken, weit entfernt von Ihrer Familie. Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie erfuhren, dass Sie sich vom Islam abgewendet haben? 

Mein Vater und meine Großmutter haben den Kontakt zu mir komplett eingestellt. Meiner Mutter wird in der libanesischen Community die Schuld zugeschoben, dass ich dem Islam den Rücken gekehrt habe. Sie wird als Rabenmutter beschimpft und erlebte Einschüchterungen. Selbst ehemalige Freundinnen betrachten mich als psychisch gestört und sehen mich als Verräterin. 

Außerdem haben Sie im Saarland Ihren jetzigen Freund kennengelernt, der ein nicht-muslimischer Deutscher ohne Migrationshintergrund ist … 

Für meinen Vater ist es eine Horrorvorstellung, dass ich einen deutschen Freund habe. Er wiederholte in meiner Kindheit und Jugend immer und immer wieder, dass ich auf keinen Fall einen deutschen Mann heiraten darf, und drohte mir für solch einen Fall auch mit Gewalt. Aber in meinem neuen Freund und seiner Familie in Süddeutschland habe ich eine Heimat gefunden, in der ich mich nicht ständig anpassen muss, sondern stetige Ermutigung und bedingungslose Liebe erfahre. 

Machen Ihnen die Drohungen keine Angst? 

Ich war verunsichert, wie ich die Drohungen aus meiner Familie zu verstehen habe, ob sie ernst gemeint waren oder nicht. Um Risiken zu minimieren, habe ich meine Adresse nicht mehr so leichtfertig weitergegeben. Aber ich kämpfte weiter, denn ich wollte endlich das erfahren dürfen, was in Deutschland selbstverständlich sein sollte: Freiheit. Ich hatte als unterdrücktes Mädchen mein gesamtes Leben lang Angst, über Allah und meine Familie Schande zu bringen, doch jetzt kann ich wenigstens frei über mich und meinen Körper bestimmen. Und außerdem frage ich mich: Was ist all das Gerede über Familie, Ehre und Loyalität unter Muslimen wert, wenn der eigene Vater, wie in meinem Fall, seiner jungen, verletzlichen Tochter immer wieder mit Gewalt gedroht hat?

Herz mit einem pro-palästinensischen Plakat / privat

Wann sind Ihre Eltern aus dem Libanon nach Deutschland gekommen, und wie stehen sie zum politischen System in Deutschland? 

Meine Eltern sind in den 1990er Jahren aus dem Süden des Libanon nach Deutschland gekommen. Sie informieren sich über Propagandasendungen aus dem arabischen Raum, die hierzulande sogar teilweise verboten sind. Antisemitismus ist durch die zwei Kriege im Libanon Teil meiner Familiengeschichte. In meiner Religionsgemeinschaft wurde für den Untergang Israels gebetet. Sie sind konservative Schiiten, die mit der Hisbollah und ihrem Anführer Hassan Nasrallah politisch stark sympathisieren. Politisch interessiert es sie wenig, was in Deutschland geschieht, denn sie sehen den Libanon nach wie vor als ihre Heimat an. 

Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich Ihre Familie in einer konservativen Welt des Islams von der deutschen Mehrheitsgesellschaft abschottet. Welche Einstellung hatte man in Ihrer libanesischen Familie gegenüber Deutschland und seinen westlichen Werten wie Liberalismus oder Geschlechtergerechtigkeit? 

Es gibt eine tiefgehende Verachtung gegenüber dem Westen und seinen liberalen Werten. Einerseits ist man froh über den Wohlstand, die Sicherheit, den Sozialstaat, kostenlose Bildung und Toleranz. Auf der anderen Seite wird Deutschland als ein ehrloses Land wahrgenommen, das voller herzloser Egoisten und Schlampen ist. 

Die eigenen Kinder im Ausland zu erziehen, damit die Töchter in jungen Jahren nicht mit dem vermeintlich sündhaften Lebensstil des Westens in Kontakt kommen, war in meinem libanesischen Bekanntenkreis sehr verbreitet. So wollte auch mein Vater, dass meine Schwester und ich mit meiner Mutter in den Libanon ziehen, um dort traditionell nach islamischen Werten erzogen zu werden. Für meinen Vater war es immer die größte Angst, dass ich zu deutsch werde. Integration wird in meinem Umfeld als Synonym für Verrat an der islamisch-arabischen Identität gesehen. 

Warum wollte Ihr Vater in Ihrer Kindheit unbedingt verhindern, dass Sie eine selbstbewusste und starke Frau werden? 

Es geht um die Macht der Männer und eine brutale Kontrolle über das weibliche Geschlecht. Männer möchten ihre Vormachtstellung in den muslimisch geprägten Gesellschaften nicht aufgeben. Frauen werden zu sexuellen Verfügungsobjekten degradiert, die gefälligst den Anweisungen ihres Ehemannes und der Gesellschaft zu folgen haben. Wer dagegen verstößt, wird in der libanesischen Gemeinschaft als ehrlos und minderwertig abgetan – ein Ausschluss aus der Familie ist die Folge. 

 

Das könnte Sie auch interessieren:

 

Frauen stützen dies sogar in den Familien, da sie die islamische Ideologie der Misogynie seit ihrer Kindheit in ihre Gehirne eingehämmert bekommen. Dieses Denken schafft leider den Nährboden, auf dem in der islamischen Welt häusliche Gewalt gegen Frauen oder Ehrenmorde geschehen. Das aggressive Patriarchat ist hierzulande allzu oft nicht deutsch, sondern muslimisch. 

Haben Sie in Ihrem eigenen muslimischen Bekanntenkreis von körperlicher Gewalt gegen Frauen erfahren müssen? 

Als ich zehn Jahre alt war, musste ich miterleben, wie ein palästinensischer Freund meiner Eltern der schwangeren Cousine seiner Frau in den Bauch trat. Wir waren damals zu Besuch bei ihnen. Es brach ein großer Streit aus, der ihn derart wütend machte, dass er Scheiben zerschlug und Gewalt an Kindern und Frauen ausübte. Vor lauter Angst flüchteten wir damals in ein benachbartes Zimmer, verbarrikadierten uns und riefen die Polizei. Natürlich gibt es auch in Familien ohne Migrationshintergrund eine hohe Dunkelziffer an häuslicher Gewalt. Doch solche Szenen der Gewalt an Frauen gibt es in muslimischen Communities in Deutschland leider öfter, als es viele in Deutschland wahrhaben wollen. 

Herz mit Verschleierung / privat

Der Begriff der Parallelgesellschaft hat längst Einzug in die deutsche Debatte über misslungene Integration gehalten. Sie sind selbst in einer solchen Parallelgesellschaft aufgewachsen. Was halten Sie von diesem Wort? 

Ich finde den Begriff sehr zutreffend. Es gibt bei der Verwendung unter Deutschen ohne Migrationshintergrund nur ein Problem: Viele Menschen verbinden damit die Vergewaltigungen auf der Kölner Domplatte oder den Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin. Also fürchterliche Extremereignisse, die landesweit durch die Medien gehen. Doch migrantische Parallelgesellschaften finden nicht nur in der Tagesschau statt, sondern sind viel alltäglicher und subtiler. 

Die Existenz von Parallelgesellschaften möchten sich aber insbesondere Menschen aus dem linken und grünen Spektrum nicht eingestehen, da es nicht mit ihrem romantisierten Weltbild übereinstimmt, da sie Migranten partout als Unterdrückte betrachten. Doch anstatt Migranten zu schützen, fallen sie durch diese selbstgerechte Denkweise all jenen Frauen in den Rücken, die in Deutschland alltäglich zu Opfern des islamischen Patriarchats werden. 

Seit der Flüchtlingsbewegung 2015 sind viele Menschen aus muslimischen Ländern nach Deutschland gekommen. Werden sich dadurch noch mehr Parallelgesellschaften in unserem Land bilden? 

Als ich in den Zentralrat der Ex-Muslime eingetreten bin, musste ich dort von Geschichten schlimmer Gewalt hören. Säkulare und liberale Menschen sind in ihren Flüchtlingswohnheimen in Deutschland konservativen Muslimen oftmals schutzlos ausgeliefert. So wurde der irakische LGBT-Aktivist Amed Sherwan von palästinensischen Flüchtlingen verprügelt. Ein bekannter Islamkritiker aus Mauretanien ist in seiner Flüchtlingsunterkunft mit einer Pfanne brutal angegriffen worden, da er sich dem Fasten verweigerte. Viele Flüchtlinge bringen das erzkonservative Weltbild aus ihrer Heimat mit nach Deutschland und zeigen keinerlei Bereitschaft, sich den westlichen Werten anzupassen. 

Wie reagiert das links-progressive Spektrum auf Ihre feministische Kritik am Islam? 

Ich glaube, dass ich der Albtraum für viele Linke bin, da ich nicht ihren woken Narrativen entspreche. Denn ich werde in meiner Freiheit als Frau nicht von Deutschen unterdrückt, sondern von der frauenverachtenden Ideologie des Islams. Ich habe als Migrantin in Deutschland keine Diskriminierungserfahrungen durch Deutsche erfahren, sondern durch muslimische Migranten. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass woke Feministen in ihrem Weltbild komplett irren. Doch anstatt Verständnis für mich und meine Biographie zu entwickeln, dämonisieren sie mich. Auf einer Demonstration, auf der ich eine Rede über Frauenrechte hielt, wurde ich von der Antifa beleidigt und niedergebrüllt. Ein Vorgehen, in denen sich die Linken kaum von streng konservativen Muslimen unterscheiden. 

Sie haben in Ihrer Kindheit und Jugend eine permanente Unterdrückung durch Ihre Eltern erfahren. Nun wurden Sie von Ihrer Familie verstoßen und erleben massive Anfeindungen von konservativen Muslimen. Viele Menschen wären unter diesem psychischen Stress sicherlich zusammengebrochen. Woher nahmen und nehmen Sie die Kraft, immer wieder aufzustehen und weiterzukämpfen? 

Wenn ich diese charakterliche Stärke nicht hätte, wäre ich an all der Unterdrückung und dem Hass bereits zugrunde gegangen. Es gibt viele muslimische Frauen in Deutschland, die ihr Leben lang mit ihrer Rolle als unterdrückte Frau hadern, sich jedoch dem familiären Druck beugen. Viele von ihnen sind gebrochene Frauen voller Traurigkeit. Ich selbst hatte das unfassbare Glück, eine deutsche Zweitfamilie gefunden zu haben. Die Familie meines Freundes hat mich wie eine eigene Tochter aufgenommen. Ihr habe ich sehr vieles zu verdanken.

Was war der Grund, warum Sie mit Ihrer Lebensgeschichte in die Öffentlichkeit gegangen sind? 

Es gibt fast keine jungen Frauen, die öffentlich über diese Probleme und ihre Erfahrungen sprechen, weshalb ich mich kaum in Islamdebatten repräsentiert fühle. Ich weiß aus meiner eigenen Lebenserfahrung, wie viele junge Mädchen und Frauen es in der islamischen Community in Deutschland gibt, die genau die gleiche Unterdrückung durchlaufen müssen, die ich in meiner Kindheit und Jugend erleiden musste. Doch sie werden in der Öffentlichkeit nicht gehört. Ich weiß, dass hunderte junge Frauen von diesem Gespräch an ihren Smartphones in ihren Kinder- und Jugendzimmern hören werden. Natürlich werde ich sie nicht aus ihrer Lebenssituation herausholen können, aber ich kann ihnen Mut zusprechen. Ich möchte jungen Mädchen mit meiner Geschichte zeigen, dass auch sie sich aus ihrer Not befreien können.

Das Gespräch führte Clemens Traub.

Anzeige