Bundeswehr - Sind wir bereit zu kämpfen?

Die Bundeswehr ist der Versuch, ein unmilitärisches Militär zu schaffen, dessen Referenzrahmen nicht Krieg und Kampf ist, sondern Frieden. Dieser Selbstbetrug hat Jahrzehnte funktioniert. Doch damit ist jetzt Schluss. Zeit für Ehrlichkeit.

Soldat mit Sturmgewehr bei einer Übung der Bundeswehr / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Als Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner inzwischen historisch gewordenen Rede vom 27. Februar 2022 eine „Zeitenwende“ diagnostizierte und in Zuge dessen ein Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro ankündigte, klang das auf den ersten Blick ganz gut.

Doch schon bald wurde klar, dass der Zustand der Truppe so desolat ist, dass mit einer einmaligen Finanzspritze die anstehenden Probleme nicht zu bewältigen sind. Schließlich mangelt es an allem: an Gerät, an Munition, an Personal, an leistungsfähigen Strukturen. Aus gutem Grund verlautbarte Heeresinspekteur Alfons Mais kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, die Bundeswehr stehe nach Jahren der Sparpolitik „mehr oder weniger blank da“. Ein Offenbarungseid der peinlicheren Sorte.

Am Geld allein liegt es nicht

Dabei ist der Verteidigungsetat des Bundes mit etwa 55,5 Milliarden Dollar nicht unerheblich. Im Vergleich: Der Militärhaushalt des Vereinigten Königreiches beträgt 68,5 Milliarden, der von Frankreich 53,6. Japan gibt 46 Milliarden Dollar für Verteidigung aus, Italien 33,5 Milliarden.

Die kampfstarke israelische Armee kommt übrigens mit 23,4 Milliarden Dollar aus (was allerdings 5,6 Prozent des israelischen Bruttoinlandsproduktes entspricht) und verfügt in diesem Rahmen beispielsweise über knapp 500 einsatzbereite und etwa 900 eingelagerte Kampfpanzer der Typen Merkava III und IV.

Im Vergleich: Die Bundeswehr verfügt über etwa 320 Leopard 2 unterschiedlicher Baureihen, 200 sind eingelagert. Zugegeben: Solche Vergleiche sind problematisch, deuten aber ein Problem an: Könnte es sein, dass die Bundeswehr kein Finanzierungsproblem hat, sondern massive Organisationsdefizite?

Mehr Admirale als Fregatten

Hinzu kommt ein anderer, häufig übersehener Aspekt, der allerdings tief blicken lässt: die Personalstruktur der Truppe. Von den derzeit 182.000 aktiven Soldaten der Bundeswehr sind etwa 39.000 Offiziere, 95.000 Unteroffizieren und 46.000 Mannschaften. Die Zahl der Mannschaften übertrifft diejenige der Offiziere also nur leicht. Besonders kurios ist die Anzahl der Generäle und Admirale: 214 leisten derzeit Dienst in der Bundeswehr. Spötter verweisen darauf, dass die Bundemarine über mehr Admirale (28) als über Fregatten (11) verfügt.
 

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Ein Grundproblem der Bundeswehr liegt in ihrer DNA, also dem Versuch, ein Militär zu schaffen, dem das Militärische soweit wie möglich ausgetrieben wurde. Die Bundeswehr ist eine rein politische Armee, strukturiert nach politischen Erfordernissen. Militärisches Denken durfte und sollte bei ihr nie eine Rolle spielen. Genau aus diesem Grund ist sie organisatorisch eingezwängt in ein Korsett einer Zivilverwaltung, die etwa über die Personalpolitik oder Beschaffungsmaßnahmen entscheidet.

Armee ohne militärischen Geist

Wie weit entfernt Politik und Bundeswehrverwaltung von der Realität und vor allem auch Mentalität eines Militärs mit Kampfauftrag sind, zeigt sich symbolisch vor allem in den unsäglichen Traditionsdebatten. Schon Art und Präferenz der Diskussion macht klar, dass es hier nicht um die militärpsychologischen Bedürfnisse der Identitätsbildung von Kampfeinheiten geht, sondern um die Bewahrung der kulturellen Komfortzone einer militärkritischen Zivilgesellschaft.

Über Jahrzehnte war man in der Bundesrepublik froh, eine Armee geschaffen zu haben, der der Geist des Militärischen weitgehend abging. Dass sich unter den Bedingungen der Nachwendezeit diese Idee verselbstständigte und einen selbstreproduzierenden Verwaltungsapparat mit ein wenig Kampftruppenanhang schuf, war im Grunde gerne gesehen. Sich über Kinderbetreuungsplätze in Kasernen Gedanken zu machen, täuschte leicht darüber hinweg, dass Militär nur eine Aufgabe hat: Krieg zu führen.

Sind wir bereit zu töten?

Um die Bundeswehr wieder einsatzfähig zu machen, braucht es mehr als Geld und neues Personal. Es braucht vor allem Ehrlichkeit der deutschen Gesellschaft sich selbst gegenüber. Die Frage lautet: Sind wir bereit, zum Erhalt unserer Freiheit Krieg zu führen – also zu töten, zu vernichten und zu zerstören? Oder sind wir das nicht? Beide möglichen Antworten sind legitim. Wichtig ist allerdings, dass man bereit ist, die jeweiligen Konsequenzen zu tragen – so oder so. Die Zeit des Selbstbetruges muss allerdings vorbei sein.

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