Bundestagsabstimmung vermieden - Der CDU-Antrag zur Wirtschaftswende blamiert nicht nur die FDP

Mit einem Wirtschaftswende-Antrag, der dem 12-Punkte-Papier der FDP entspricht, brachte die Union die FDP im Bundestag in die Bredouille. Blamiert ist letztlich nicht nur eine Partei, sondern die Parteienherrschaft insgesamt.

Bundestagssitzung am 26.04.2024 / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Der Antrag, den die Unionsfraktion im deutschen Bundestag am heutigen Freitag zur Abstimmung stellte, hatte ebenso wenig Chancen, von einer Mehrheit angenommen zu werden, wie fast alle Anträge einer Oppositionspartei. Obwohl er einer der regierenden Parteien eigentlich höchst sympathisch sein müsste. Denn in diesem Antrag mit dem Titel „Wirtschaftspolitischen Richtungsstreit der Bundesregierung beenden – Für eine echte Wirtschaftswende“ steht weitgehend dasselbe, was die Regierungspartei FDP wenige Tage zuvor selbst mit großem Tamtam als 12-Punkte-Plan zur Rettung der deutschen Wirtschaft präsentierte – gegen die beiden anderen Ampel-Parteien.

Als dramatisierende Begleitmusik hatten FDP-Politiker zuvor verkündet, ihre Forderung nach einer „Wirtschaftswende“ könne nicht warten und sei von höchster Bedeutung für das Land. Fraktionsvize Lukas Köhler meinte: „Die Rezession wartet nicht auf Wahlkämpfe.“ Sein Parteifreund Karsten Klein behauptete, die FDP-Forderungen müssten „unmittelbar zu Regierungshandeln führen“. 

Die FDP verhinderte gemeinsam mit den Ampel-Partnern eine Abstimmung

Wenn es ihnen damit und mit ihrem Mandat als Repräsentanten des Souveräns der Bundesrepublik Deutschland wirklich ernst wäre, hätten Köhler, Klein und die anderen FDP-Abgeordneten einschließlich Finanzminister und Parteichef Christian Lindner dem Unionsantrag also zustimmen müssen. Aber natürlich wäre dann der Dissens in der Koalition offiziell parlamentarisch festgestellt – und die gemeinsame Regierung nicht mehr fortzuführen. Die FDP-Abgeordneten stimmten also – erwartungsgemäß – nicht dem Antrag mit ihren eigenen Forderungen zu, sondern verhinderten gemeinsam mit den Ampel-Partnern eine Abstimmung, indem sie den CDU/CSU-Antrag an den Fachausschuss zur Beratung überwiesen. Ein durchsichtiges Manöver, um die Offenbarung ihrer eigenen Inkonsequenz zumindest ein wenig zu vernebeln.

 

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Die Union führte also der deutschen Öffentlichkeit vor, dass die FDP sich nicht traut, für ihre wirtschaftspolitischen Forderungen tatsächlich die Regierungskoalition aufzukündigen. Sie hat die FDP gezwungen, zu offenbaren, dass sie „Lambsdorff ohne Zähne“ gespielt hat, wie es Cicero-Autor Hugo Müller-Vogg in Anspielung auf den Koalitionswechsel von 1982 nannte. Und die Lindner-FDP ist eben tatsächlich nicht mehr die Lambsdorff-FDP von 1982. Lindners Spruch von 2017 – „Besser nicht regieren als falsch“ – und dessen Folge (vier weitere Jahre nicht mitregieren!) hat offenkundig ihn selbst und die anderen führenden FDP-Politiker so tief traumatisiert, dass nun das exakte Gegenteil zur obersten Maxime allen Handelns geworden ist und eigene inhaltliche Forderungen im Zweifelsfall eben Forderungen bleiben. Und so werden auch die seit Wochen und Monaten durchs medial-politische Berlin wabernden Fantasien vom Bruch der Ampel-Koalition eben Fantasien bleiben. 

Über dem „Wohl des deutschen Volkes“ steht das Machtinteresse der Parteien

Das heutige Schauspiel im Bundestag hat letztlich nicht nur die FDP blamiert, sondern den schwachen Punkt des Parteien-Parlamentarismus insgesamt. Eigentlich sollte es in der Politik natürlich immer um die Sache gehen, also ganz generell um „das Wohl des deutschen Volkes“, das jeder Kanzler und Minister zu mehren geschworen hat – etwa im konkreten Fall durch die Abwendung einer Rezession. Dass es sehr oft bei Politikertaten einfach nur um den Gewinn oder Erhalt der Macht der Parteien und ihrer Akteure geht, ist keine neue Erkenntnis. Aber so offen und schonungslos wie in der Bundestagssitzung des heutigen Freitags tritt es selten zutage. Zumal es um eine Sachfrage geht, der die FDP selbst oberste Priorität zusprach. 

Aber über der höchsten sachpolitischen Priorität, über dem „Wohl des deutschen Volkes“, steht eben das Machtinteresse der Parteien und ihrer Akteure. Gerade in Zeiten, da die parlamentarischen Akteure sich in inflationierender Weise bei jeder Gelegenheit als „demokratisch“ selbst auszeichnen, sollten ihnen die verheerenden Folgen dieser Diskrepanz zwischen hehren Worten und beschämendem Abstimmungsverhalten für ihre eigene Glaubwürdigkeit und diejenige des real existierenden Parlamentarismus bewusst sein. 

Wer als verantwortlicher Politiker behauptet erkannt zu haben, dass die Lage ernst sei, muss auch ernsthaft und konsequent handeln, wenn er weiterhin ernst genommen werden und glaubwürdig bleiben will. Für viele der CDU- und CSU-Politiker, die der FDP heute diese Falle stellten, wird es vermutlich in absehbarer Zukunft Gelegenheit geben, ihre eigene Orientierung an der Sache und Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen.

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