Bundestag stimmt Waffenlieferungen an Ukraine zu - Zur Entscheidung gezwungen

Die Ampelparteien und die CDU/CSU haben sich heute auf die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine geeinigt. Zuvor hatten Regierung und Unionsfraktion einen interfraktionellen Antrag vereinbart. Oppositionsführer Friedrich Merz brach im Bundestag aus dem parteiübergreifenden Konsens wieder aus und nutzte seine Rede zur parteipolitischen Profilierung.

„Was ist nur aus der Union von Angela Merkel geworden?“: SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Es hätte der große Tag des Oppositionsführers Friedrich Merz (CDU) werden können: Noch in der letzten Woche schloss die SPD die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus eigenen Beständen kategorisch aus. Aber der öffentliche Druck wurde Tag um Tag immer größer, auch in den eigenen Reihen. Und so bröckelte die scheinbar harte Haltung immer mehr.  

Seit heute steht es nun ganz offiziell fest: Deutschland wird schwere Waffen liefern, notfalls auch aus eigenen Beständen. Damit tritt ein, was Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eigentlich immer verhindern wollte, um Deutschland und die Nato nicht zur Kriegspartei zu machen.

In die politische Realität gezwungen hatten Bundeskanzler und Verteidigungsministerin letztlich die Unionsfraktionen. Ihre Ankündigung, am Donnerstag dieser Woche im Deutschen Bundestag einen Antrag über die Bereitschaft zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zur Abstimmung zu stellen, dürfte erhebliche Unruhe in den Ampelfraktionen ausgelöst haben. Denn Handeln und Sprechen klafften bei der Regierung schon seit Tagen immer weiter auseinander. Der Antrag der Unionsfraktionen hätte das in einer Debatte vor laufenden Kameras für jeden sichtbar ausgebreitet und amtlich dokumentiert. 

Merz brach aus dem parteiübergreifenden Konsens wieder aus

Umso überraschter zeigten sich politische Beobachter, als Regierungs- und Unionsfraktionen gestern verkündeten, einen interfraktionellen Antrag vereinbart zu haben. Diese parteiübergreifende Einigung sei „ein starkes Signal der Verantwortung für die Ukraine und der Geschlossenheit gegen den russischen Angriffskrieg“, ließen die Fraktionsvorsitzenden die Öffentlichkeit einmütig wissen. CDU und CSU schienen offenbar bereit, den innen- und parteipolitischen Geländegewinn der letzten Tage staatspolitischer Souveränität zu opfern. 

Dabei wäre das gar kein Opfer gewesen, sondern hätte dem Fraktionsführer Merz zusätzlich Statur verliehen. Dazu hätte man nur die Berichterstattung abwarten müssen. In der heutigen Bundestagsdebatte allerdings brach Merz schon mit dem ersten Satz seiner Rede aus dem parteiübergreifenden Konsens wieder aus. Er attestierte Scholz nicht nur, von den Prinzipien „Zögern, Zaudern und Ängstlichkeit“ getrieben zu sein, sondern kritisierte auch scharf dessen „herablassendes“ Agieren gegenüber Mitgliedern des Deutschen Bundestages.  

Aber Merz ging noch einen Schritt weiter. Er hob ausdrücklich hervor, dass es die bisherige unterlassene Hilfeleistung der Deutschen Bundesregierung gegenüber der Ukraine war, die den nun vorliegenden Antrag überhaupt nötig gemacht habe. Die versteckte Botschaft dahinter: Es war das Zaudern und Zögern des Bundeskanzlers, das verhindert hat, die Ukraine rechtzeitig mit den erforderlichen Waffen ausstatten zu können. Und dieses Zögern kostet nun Menschenleben. 

Fehlende charakterliche und staatsmännische Größe

Für den SPD-Chef Lars Klingbeil war das allerdings eine rhetorische Steilvorlage. An den Beginn seiner Rede stellte er im Gegensatz zu Merz ganz ausdrücklich eine überparteiliche Verurteilung der russischen Aggression gegen die Ukraine. Der interfraktionelle Antrag sei daher „ein eindeutiges, unmissverständliches Signal“ an Putin, der „als Kriegsverbrecher in die Geschichte eingehen“ werde.  

Aber das war nur der Anlauf. Was dann folgte, war nichts anders als die Zerstörung des in den letzten Wochen mühsam erarbeiteten symbolischen und politischen Kapitals der Unionsparteien: „Ich habe eigentlich auf meinem Zettel draufstehen: Danke an die Union“, so Klingbeil in Richtung des Oppositionsführers. Es hätte eine „staatspolitische Rede“ werden können, aber es sei dabei bloß eine „parteipolitische Rede“ herausgekommen. „Was ist nur aus der Union von Angela Merkel geworden?“, fragte der SPD-Chef in den Plenarsaal und erntete tosenden Applaus aus den Ampelparteien. Damit hatte ausgerechnet die Partei des Zögerns und Zauderns moralisch wieder die Oberhand gewonnen. 

In dem heute nur von den Fraktionen der AfD und Die Linke abgelehnten Antrag wird nicht nur gefordert, „die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme (…) zu erweitern“, sondern darüber hinaus zu prüfen, „ob weitere Waffen abgegeben werden können“.  

Die Union hat die SPD und ihren Bundeskanzler damit zu einer Entscheidung gezwungen, die sie eigentlich nie treffen wollte, und kann davon innenpolitisch dennoch nicht profitieren. Denn in der Politik geht es nie allein nur um die Sachentscheidung, sondern auch um charakterliche und staatsmännische Größe. Friedrich Merz hat da noch eine Aufgabe.

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