Berliner Finanzsenator Stefan Evers - Der Lockvogel der Macht

Stefan Evers ist der neue Berliner Finanzsenator. Als CDU-Generalsekretär hat er den Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin mitverhandelt. An seinem Geschick hängt nun der Erfolg der neuen Hauptstadtkoalition.

Der neue Berliner Finanzsenator Stefan Evers kommt ursprünglich aus Paderborn / Maurice Weiss
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Sein Geheimnis sind die goldenen Kugeln. Er hat sie selbst besorgt, ordnet sie akkurat auf dem Tisch zum Quadrat, sodass man fast nicht zugreifen möchte. Und so entfalten sie ihre Wirkung. Für Stefan Evers ist es so was wie psychologische Kriegsführung. Den schlechten Bürokeksen hat er den Kampf angesagt. Und wenn seine Gesprächspartner erst mal mit Ferrero Rocher versorgt sind, lässt sich viel geschmeidiger über jedes Problem sprechen. 

Stefan Evers ist Berlins neuer Finanzsenator, doch noch wichtiger ist: Er hat als CDU-Generalsekretär den Koalitionsvertrag von CDU und SPD in Berlin mitverhandelt. Vielleicht ist verhandeln nicht das richtige Wort, er hat die gegensätzlichen Partner in das neue Bündnis hineingezogen, er hat die Fährte gelegt. Mit Schokokugeln, aber auch noch mit mehr. Es ist eine eigentümliche Mischung aus vermuteter Harmlosigkeit und tatsächlicher Expertise, die Stefan Evers umgibt und ihn zu einer der zentralen Figuren der Berliner Politik gemacht hat. 

Stefan Evers verkörpert die „moderne“ CDU

Wenn es bei den Koalitionsverhandlungen mal gehakt hat, lag irgendwann ein Kompromisspapier auf dem Tisch. Keiner wusste, von wem es kam – oder alle wussten es. Wohnungsenteignungen oder Klimasondervermögen? Manchmal kamen etwas schräge Formulierungen heraus, aber sie haben geholfen. Kompromisse will ja keiner – und sie schmecken dann doch allen irgendwie. Wie Schokokugeln. So kam die unwahrscheinlichste Koalition in Berlin zusammen, die doch eigentlich keiner wollte. 

Evers ist jemand, der immer zurückruft, wenn man ihn zu erreichen versucht, sagen seine Parteifreunde. Er erkämpft die Erfolge nicht mit der Brechstange, er organisiert und moderiert die anderen in seine Erfolge hinein. Er ist kein Streiter, sondern ein Lockvogel der Macht.

 

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Als der Spandauer Kreisvorsitzende Kai Wegner 2019 den Landesvorsitz von Monika Grütters übernahm, sah es nicht so aus, als ob eine neue glorreiche Zeit der Hauptstadt-CDU anbrechen würde. Die bundesweit bekannte Grütters, im Kabinett Merkel seit 2013 Kulturstaatsministerin, hatte nach der Wahlschlappe 2016 die Parteiführung übernommen, doch die mächtigen Kreisfürsten fremdelten mit ihr und schoben sie weg. Und dann beließ Kai Wegner ausgerechnet jenen Mann im Amt des Generalsekretärs, den Grütters als Symbol des Neuaufbruchs installiert hatte. 

Die Berliner CDU, die davon träumte, konservativer sein zu können als die beargwöhnte Merkel-CDU, behielt mit Evers jenen, den manche doch für einen Vertreter dieser „modernen“ CDU hielten. Immerhin hatte der schwule und verpartnerte Evers 2015 für die Homo-Ehe geworben. Später wurde er gar queerpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Und genau das wurde zum Erfolgsgeheimnis von Kai Wegner. Der jetzt Regierende Bürgermeister ist zwar kein Charismatiker, aber er einte die CDU, statt nur zu polarisieren – anders als es ihm manche zugetraut hätten. 

Schoko und Kreuz

Stefan Evers ist im ostwestfälischen Paderborn aufgewachsen, juristisches Elternhaus, katholische Sozialisation. Sein Einstieg in die Politik war untypisch. Keine Karriere in der Jungen Union, keine lange Vernetzung in der Partei. Als Helmut Kohl abgewählt wurde, trat er in die CDU ein, und beim nächsten Wahlkampf meldete er sich in der Kreisgeschäftsstelle, ob er helfen könne. Der örtliche Abgeordnete erkannte das Talent. Zum Studienanfang 1999 in Potsdam hatte Evers zugleich schon einen Job im Berliner Bundestagsbüro von Friedhelm Ost. Der Weggefährte Kohls förderte den jungen Jurastudenten. Als er dann bei der Berliner CDU mitmachen wollte, als jemand von außen, ließ er sich nicht so leicht verdrängen. Schon 2011 wurde er ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. 

Nach 22 Jahren stellt die CDU wieder den Regierenden Bürgermeister. Wozu also wieder regieren? Stefan Evers fehlt es an Zielen nicht. „Wir müssen endlich die grundsätzlichen Strukturfragen Berlins klären“, sagt er. „Unter keinen Umständen werden wir es uns leisten können, am Status quo festzuhalten.“ Die drei Jahre bis zur nächsten Wahl sind knapp bemessen, um die Hauptstadt funktionsfähig zu machen. Viele sagen: unmöglich. Aber einen anderen Grund, Politik zu machen, gebe es für ihn nicht, so der CDU-Chefstratege.

Stefan Evers ist Mitglied in der MIT, dem Wirtschaftsflügel der Union. „Wirtschaftlichkeit muss der Grundsatz jeder Politik sein“, sagt er. Ein Anspruch, der seinen Job als Haushälter nicht einfacher macht.

Und dann ragt aus seiner Paderborner Heimat noch eine andere Verwurzelung in die Berliner Gegenwart hinein. Über seiner Tür hängt ein Kreuz. Neben den Schokokugeln war es das Erste, was er mit in sein neues Büro gebracht hat.

 

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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