Politische Folgen der Berliner Silvester-Ausschreitungen - Warum die Grünen von den Krawallen profitieren

Die politische Aufarbeitung der Berliner Silvesterkrawalle läuft an, inzwischen spricht sogar die sozialdemokratische Innenministerin Faeser von jungen Migranten, „die unseren Staat verachten“. Die Grünen hingegen würden am liebsten so tun, als wäre nichts gewesen. Kein Wunder, denn sie sind die politischen und wirtschaftlichen Profiteure einer gescheiterten Integration.

Grün und (selbst-)gerecht: Berlins bündnisgrüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Wenn es um die politischen Konsequenzen aus den Berliner Silvesterkrawallen geht, reagiert vor allem ein Milieu sehr schmallippig: jenes der Grünen. Wichtigstes Instrument gegen eine Wiederholung der Gewaltexzesse in der Neujahrsnacht scheint nach praktisch einhelliger Meinung führender Vertreterinnen und Vertreter dieser Partei die Ausweitung von Böllerverbotszonen beziehungsweise ein Böllerverkaufsverbot zu sein. Eine tiefergehende Ursachenforschung ist nicht erwünscht – zumal sich dann kaum noch ignorieren ließe, dass es hier auch um massive Probleme bei der Integration geht.

Wenn selbst die sozialdemokratische Bundesinnenministerin Nancy Faeser inzwischen offen ausspricht, dass man „in deutschen Großstädten ein großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund“ habe, „die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden“, dann wird man ihr deswegen schlechterdings kaum Rassismus oder rechte Hetze unterstellen können.

Dennoch wird das die Grünen nicht davon abhalten, auch weiterhin jeglichen Versuch als „AfD-Sprech“ zu brandmarken, die Gewalttäter etwas präziser auf ihre Herkunft hin zu untersuchen und auf die Soziotope, denen sie entstammen. Dass sich in diesem Zusammenhang Pauschalisierungen verbieten, versteht sich von selbst. Aber darum geht es den Grünen nicht. Sondern vielmehr um Deutungshoheit, um das unbedingte Bewahren einer vermeintlichen „moralischen Autorität“, die diese Partei längst zu einem hocheffizienten Politik- und Geschäftsmodell ausgebaut hat.

Einer der wesentlichen Grundsätze ist dabei die Nichthinterfragbarkeit von Migration und deren Nebenwirkungen: Zuwanderung gilt den Grünen als Wert an sich – und zwar völlig unabhängig davon, wer kommt, woher die Menschen stammen, was sie in Deutschland wollen und ob sie überhaupt dazu berechtigt sind, sich hier niederzulassen. Das mag nicht für jedes einzelne Mitglied der Grünen gelten und auch nicht für jede Funktionärin, spiegelt sich aber unzweifelhaft im öffentlichen Gesamtauftritt dieser Partei wider.

Wachstumsbeschleuniger für rechte Parteien

Dabei wissen die Grünen – oder zumindest Teile von ihnen – sehr wohl, dass Migration (unkontrollierte Massenmigration aus bestimmten Regionen dieser Welt zumal) mit gesellschaftlichen Problemen verbunden ist. Diese reichen von Wohnraumknappheit über Kriminalität und Parallelgesellschaften bis hin zu Integrationsproblemen und einer (wenn auch in Ausnahmefällen) regelrechten Verachtung der Zugewanderten gegenüber dem sie aufnehmenden Staat.

Die Berliner Silvesternacht hat dies in aller Deutlichkeit gezeigt. Dass solche Zustände wiederum regelrechte Wachstumsbeschleuniger für rechtsradikale Parteien wie die AfD sind, dürfte den Grünen ebenfalls geläufig sein – zumindest jenen, die sich nicht komplett von offensichtlichen Realitäten verabschiedet haben. Die Grünen haben deswegen aber trotzdem nichts zu befürchten, im Gegenteil: Zumindest auf mittlere Sicht profitieren sie sogar von einer gesellschaftlichen Radikalisierung am rechten Rand.

 

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Da wären zum einen die wie Pilze aus dem Boden wachsenden sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGOs), denen soeben mit dem von den Grünen auf Hochdruck betriebenen „Demokratiefördergesetz“ ein nicht versiegender Zufluss an staatlichen Mitteln eingerichtet wurde. Wobei es weniger darum geht, demokratische Strukturen zu fördern (die in der Bundesrepublik ja keineswegs zu erodieren drohen), sondern ein engmaschiges und mit viel Geld und Personal ausgestattetes Netzwerk grüner Vorfeldorganisationen zu schaffen, die sich den „Kampf gegen rechts“ oder die „Bekämpfung von Rassismus“ auf die Fahnen geschrieben haben.

„Rassismus und alle Formen von Diskriminierungen stellen nicht nur eine große Gefahr für die betroffenen Menschen dar, sondern bedrohen auch das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben sowie die Sicherheit in Deutschland“, heißt es denn auch im Wahlprogramm für Bündnis 90/Die Grünen zur zurückliegenden Bundestagswahl. Auch diesen Satz wird niemand bestreiten – gleichwohl stellt sich die Frage, ob der Rassismus in der Bundesrepublik derart ausgeprägt ist, dass er in einem nachvollziehbaren Verhältnis stünde zur schier explodierenden Zahl an mit Steuergeld subventionierten Anti-Rassismus-Initiativen. Oder ob hier nicht vielmehr klassisches Rentseeking durch das grüne Milieu betrieben wird, zumal der Effekt dieses NGO-Wildwuchses kaum messbar ist.

Eine einfache Kausalkette

Die Kausalkette ist relativ einfach: Mehr ungesteuerte Migration führt zu mehr Problemen (siehe Kreuzberg und Neukölln an Silvester), was wiederum Gegenreaktionen erzeugt, die sich dem bündnisgrünen Kalkül zufolge umstandslos unter „Rassismus“ subsumieren lassen – und damit den ausufernden NGO-Zirkus immer neu zu rechtfertigen scheinen. Dieses Geschäftsmodell erweist sich schon seit langem als äußerst lukrativ, zumal es von weiten Teilen der SPD mitgetragen und von der CDU stillschweigend geduldet wird, weil die Union sich bei diesem heiklen Thema erstens nicht die Finger verbrennen will, und sie zweitens immer noch unter einer kognitiven Dissonanz wegen Angela Merkels Migrationspolitik leidet.

Insofern dürften Innenministerin Faesers aktuelle Äußerungen von wegen „großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund“ insbesondere für die Grünen außerordentlich bedrohlich erscheinen. Denn wenn die Schweigespirale jetzt sogar von einer linken Sozialdemokratin durchbrochen wird, könnte die grüne Diskurshoheit inklusive der ubiquitär einsetzbaren Rassismus-Keule schneller verpufft sein als der in Kreuzberg auf die Polizeistreife geworfene Silvesterkracher. Faesers Klartext in Sachen Silvester-Riots zeigt aber auch deutlich, was die Grünen in dieser Frage von den Sozialdemokraten unterscheidet: Der SPD droht wegen Vorfällen wie in Berlin (und anderen deutschen Großstädten) massiver Vertrauensverlust und damit ein Stimmenschwund bei Wahlen.

Die Bundesinnenministerin dürfte bei ihrer Wortwahl also durchaus auch ihre mögliche Kandidatur für das Amt der hessischen Ministerpräsidentin im Auge gehabt haben; außerdem wird in weniger als sechs Wochen das Berliner Abgeordnetenhaus neu gewählt. Und die traditionelle SPD-Wählerschaft – welche noch dazu viel häufiger mit den negativen Auswirkungen von Armutsmigration konfrontiert ist als die Grünen-Klientel – dürfte sich ihren eigenen Reim auf staatlichen Kontrollverlust, Randale und Gewalt in ausgewählten Problemkiezen machen.

Während die SPD deswegen also Wähler zu verlieren droht (und zwar wie bereits geschehen auch an die AfD), haben die Grünen mit ihrem vergleichsweise stabilen und wohlsituierten Elektorat dieses Problem nicht: Die Kombination aus Anti-Rassismus, Identitätspolitik und Klimaschutz ist für die Partei der Baerbocks, Habecks oder Ricarda Langs allemal erfolgsversprechender als eine realistische Auseinandersetzung mit gescheiterter Integration. Denn sie verspricht schlicht ein besseres Wohlgefühl und eine höhere Rendite.

Die Grünen machen sich unverzichtbar

Übrigens profitiert von brutalen Silvesterfeierlichkeiten mit unübersehbarem Migrationshintergrund am Ende nicht nur die AfD, auch die Grünen tun es. Und zwar strukturell, was ihre politische Machtposition angeht. Es ist nämlich ganz einfach so, dass eine nachhaltig gestärkte AfD die beste Rückversicherung für grüne Regierungsbeteiligungen ist: Je mehr das bürgerliche Lager an den rechten Rand verliert, desto größer die Chance für die Grünen, an der Macht beteiligt zu sein.

Das zeigt sich überdeutlich in östlichen Bundesländern wie Sachsen oder Thüringen, aber auch im Bund sind schwarz-gelbe Mehrheiten auf lange Sicht kaum plausibel – zumindest, solange die AfD bei Wahlen mit zweistelligen Ergebnissen rechnen kann und als potentieller Koalitionspartner aufgrund ihrer Radikalität zurecht nicht in Frage kommt. Das Kalkül mag zynisch klingen, aber für die Grünen geht es auf: Unkontrollierte Migration führt zu Problemen; bleiben diese Probleme unbenannt und damit ungelöst, wächst die AfD; eine starke AfD wiederum nutzt insbesondere den Grünen. Faites vos jeux, rien ne va plus.

Apropos: Von Unionsabgeordneten im Bundestag ist bereits zu hören, einige CDU-Ministerpräsidenten hätten darum gebeten, die Berliner Silvesternacht bei der nächsten Fraktionssitzung eher kursorisch zu behandeln, vor allem aber keine „vorschnellen Schlüsse“ aus diesem Ereignis zu ziehen. Und zwar mit einer ganz einfachen Begründung: Man wolle es sich auf Landesebene nicht mit den Grünen verscherzen. Entweder, weil man bereits mit ihnen regiert (NRW, Schleswig-Holstein, Hessen, Sachsen etc.). Oder es in absehbarer Zeit zu tun gedenkt (etwa in Berlin).

Merke: Eine verfehlte Integrationspolitik kann rein machtpolitisch durchaus von Nutzen sein. Zumindest für eine 18-Prozent-Partei wie die Grünen.

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