Armin Laschet und der CDU-Vorsitz - Maß und Mitte oder Mittelmaß?

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will CDU-Vorsitzender werden – und auch noch mehr. Aber in der Corona-Krise agierte er ungeschickt, hinzu kam der Virus-Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies. Ist die Sache für ihn gelaufen?

Hingeworfen hat er noch nie: Armin Laschet / picture alliance
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Moritz Küpper ist Korrespondent für den DLF in NRW. Im September erschien seine Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche“.

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Wenn Armin Laschet in den Urlaub fährt, geht es oft routiniert zu: „Er sucht sich immer direkt ein Plätzchen, wo er in Ruhe in die Gegend gucken und telefonieren kann“, beschreibt sein Jugendfreund Heribert Walz ein Ritual, das er in den zahlreichen gemeinsamen Urlauben schon oft erlebt hat. Stundenlang sei Laschet dann mit seinem Smartphone beschäftigt. 

In diesem Sommer dürfte die Zeit an seinem Urlaubsplätzchen wohl noch einmal besonders intensiv werden. Wegen der Corona-Pandemie, wegen Laschets Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz – und der Schnittmenge dieser beiden Prozesse. Seit Jahren fährt Laschet im Sommer an den Bodensee. Nach Baden-Württemberg, nicht nach Bayern. Das hat jedoch nichts mit der vor allem medial inszenierten Konkurrenz mit dem bayerischen Ministerpräsidenten zu tun. Dennoch: In der Corona-Krise scheint der Stern des nordrhein-westfälischen Regierungschefs eher zu sinken. Während sich Markus Söder mit seinem strikten Kurs in Umfragewerten über 90 Prozent sonnen kann, nimmt die Zustimmung zu Laschets Kurs ab. Entkanzlert, heißt es mancherorts schon. Hat sich Laschet, der eher als Lockerer wahrgenommen wird, verkalkuliert?

Laschet konterkarierte sich selbst

Wir brauchen die besten, nicht die härtesten Maßnahmen, hatte der 59-Jährige zu Beginn der Krise gesagt – und diesen vermittelbaren Kurs dann allerdings mit einer schlampigen Kommunikation und einfachen Fehlern selbst konterkariert. Mal trug er seine Atemschutzmaske unter der Nase, mal ruderte er unvorbereitet mit den Armen durch einen Talkshow-Auftritt bei Anne Will oder legte im Landtag ein solch hartes Pandemie-Gesetz vor, dass sogar die eigenen Abgeordneten Nachbesserungen verlangten. Hinzu kam der Corona-Ausbruch beim Fleischereibetrieb Tönnies

Seiner Überzeugung, nicht nur die gesundheitlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie im Blick zu haben, bleibt Laschet aber treu. So wenig Grundrechtseinschränkungen wie möglich, so viele wie nötig. Ein Kurs, den auch das Oberverwaltungsgericht in Münster anmahnte – und den Lockdown im Kreis Gütersloh einen Tag früher aufhob. Eine juristische Niederlage, hieß es allerorts. Dass es Laschets Kurs inhaltlich bestätigte, ging unter.

Warum Laschet oft als Leichtfuß wahrgenommen wird

Es gehört zu Laschets Grundeigenschaften, skeptisch zu werden, wenn alle in eine Richtung laufen: Als gebürtiger Aachener mit Kindheit im Dreiländereck verweigerte er sich etwa selbst auf dem Höhepunkt der Krise dem Ruf nach Grenzschließungen. Auch der tiefe Glaube verbietet es dem Katholiken, wahllos in den Instrumentenkasten der Pandemie-Eindämmung zu greifen: Als einziges Bundesland gelang es in NRW, mit den Religionsgemeinschaften zeitweise einen freiwilligen Selbstverzicht auf Gottesdienste zu erreichen: „Kirchen zu schließen, ist doch etwas anderes, als einen Baumarkt dichtzumachen.“

Der dreifache Familienvater versucht, wertegebunden, situativ und sachlich zu reagieren. Er stellt sich dabei jedoch häufig so tölpelhaft an, dass er bundesweit als Leichtfuß wahrgenommen wird. In Krisenzeiten ist das doppelt fatal, weil Menschen in Momenten der Angst starke Führungsfiguren suchen. Warum aber ist der Kampf für Grundrechte so unpopulär? „Da muss ich noch mal tiefer drüber nachdenken“, sagt Laschet, schürzt die Lippen, wie er es häufiger tut – und macht eine längere Pause: „Nach meinem Gefühl ist die Stimmungslage fifty-fifty.“ Die Hälfte der Bevölkerung sei für strikte Maßnahmen, fürchte um die Gesundheit, die andere Hälfte habe Angst um die wirtschaftliche Existenz. Eine Situation, die eigentlich wie gemacht ist für Laschets politische Grundausrichtung.

Hingeworfen hat er noch nie

„Maß und Mitte“, lautet sein Regierungsmotto an Rhein und Ruhr, wo er nun seit gut drei Jahren mit der FDP regiert. Geräuschlos. Er gibt dem kleinen Koalitionspartner Luft zum Atmen. Im Regierungsstil orientiert er sich an Helmut Kohl. So muss auch alles, was ins Kabinett kommt, vorher geklärt sein. Krach gibt es somit selten – Zustimmung gerade aber auch nicht. 

Trotz aller Kritik bleibt Laschet bei sich. Denn er, der mit 28 Jahren einst jüngster Ratsherr in Aachen war, kennt es, zu verlieren und wieder aufzustehen. Als junger Bundestags­abgeordneter beendete die historische Wahlniederlage der Union 1998, nach nur einer Legislaturperiode, Laschets ersten Karriereanlauf. Ein Jahr später gelang ihm der Sprung ins Europaparlament, dann folgte der Ruf als erster Integrationsminister Deutschlands nach NRW. Nach der Abwahl im Jahr 2010 verlor Laschet erneut jeweils beim Versuch, NRW-Partei- und Fraktionschef zu werden. Wenig später war er es dann doch, einigte den zerstrittenen Landesverband und wurde einige Jahre darauf Ministerpräsident. Und nun? Hingeworfen hat Laschet jedenfalls noch nie.

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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