Annegret Kramp-Karrenbauer - AKK geht aufs Ganze

Annegret Kramp-Karrenbauer wird neue Verteidigungsministerin. Dieser Schritt mag überraschend sein, doch aus Sicht der CDU-Chefin ist er völlig konsequent

Ist das Verteidungsministerium für Annegret Kramp-Karrenbauer ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Bundeskanzlerin? / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Das war dann doch eine Überraschung. Kurz nach der Wahl Ursula von der Leyens zur neuen EU-Kommissionspräsidentin (mit durchaus knappem Ergebnis) steht deren Nachfolge an der Spitze des Verteidigungsministeriums fest: Annegret Kramp-Karrenbauer wird die neue Hausherrin im Bendlerblock. Zwar hatte die CDU-Vorsitzende in einem Interview mit der Bild-Zeitung vor zwei Wochen noch ausgeschlossen, in die Regierung zu gehen; sie habe sich „bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln“, so ihre wörtliche Ansage: „Es gibt in der CDU viel zu tun.“ Aber AKK dürfte schon damals klar gewesen sein, dass es anders kommen würde. Denn tatsächlich ist die Entscheidung, das Amt der Bundesverteidigungsministerin zu übernehmen, vor allem ihre eigene.

Natürlich findet dieser Wechsel (besser gesagt ist es die Übernahme einer weiteren Funktion, denn als Parteichefin behält sie ja auch ihren Dienstsitz im Konrad-Adenauer-Haus) nicht gegen den Willen Angela Merkels statt. Aber es wäre eine Fehlannahme, der Kanzlerin zu unterstellen, sie habe AKK jetzt auf einen Schleudersitz befördert, um ihr das politische Fortkommen zu erschweren und AKK den Weg ins Bundeskanzleramt zu verbauen. Kramp-Karrenbauer selbst war es nämlich, die für sich den Anspruch erhoben hat, künftig die Verantwortung für die Bundeswehr zu übernehmen. Denn dafür gibt es gute Gründe, und der wichtigste ist es, den eigenen Gestaltungsanspruch nicht nur in der Partei, sondern eben auch in der Regierung unter Beweis zu stellen. Tatsächlich musste AKK seit ihrer Wahl zur CDU-Vorsitzenden im vergangenen Dezember erleben, dass das Parteiamt allein nicht ausreicht. Zumindest dann nicht, wenn das Ziel heißt, Bundeskanzlerin zu werden.

Die Frau hat einen Plan

Was das angeht, lief es in den vergangenen Wochen und Monaten nicht gut für die Saarländerin. Das Ergebnis der CDU bei der Europawahl war enttäuschend, hinzu kamen offensichtliche Patzer und Fehltritte – etwa bei der Reaktion auf das Hass-Video des Youtubers Rezo oder bei der Antwort auf Emmanuel Macrons „Europa-Brief“, die in Frankreich als Affront aufgefasst worden war. Der Schritt ins Verteidigungsministerium ist da in gewisser Weise eine Flucht nach vorn, fast könnte man von einer Mutprobe sprechen. Denn dies ist wahrlich kein Ort, an dem einem die Herzen zufliegen. Das Militärische ist den meisten Deutschen bekanntlich ohnehin suspekt, und die weitgehend desaströse Situation der Bundeswehr ist allgemein bekannt. Da braucht es schon eine gehörige Portion Selbstvertrauen, um sich das anzutun. Man könnte sogar von einem Himmelfahrtskommando sprechen.

Worin also besteht Kramp-Karrenbauers Kalkül? Es wäre nicht das erste Mal in AKKs politischer Karriere, dass sie alles auf eine Karte setzt. Äußerlich und von ihren öffentlichen Auftritten her mag die CDU-Chefin zwar reichlich bieder wirken. In Wahrheit aber hat sie sich schon des Öfteren als ziemlich abgezockte Risikospielerin erwiesen. Erinnert sei nur daran, wie sie als saarländische Ministerpräsidentin 2012 die Jamaika-Koalition platzen ließ und kurz darauf gestärkt aus Neuwahlen hervorging. Auch der Wechsel von der Saarbrücker Staatskanzlei ins Amt der CDU-Generalsekretärin im Februar 2018 war ein riskanter Schachzug. Aber von dort aus gelang AKK der Sprung an die Parteispitze – wobei sie es mit wahrlich ernstzunehmenden Konkurrenten (namentlich Jens Spahn und Friedrich Merz) aufnehmen musste. Nein, Annegret Kramp-Karrenbauer ist keineswegs eine Trutsche aus dem Saarland, die immer nur die Treppe hochgefallen ist. Die Frau hat einen Plan.

Es gibt viel zu tun

Jetzt also das Verteidigungsministerium. Zu tun gibt es dort (wie auch in der CDU) genug. Wenn es AKK gelingen sollte, in den Streitkräften halbwegs für Ordnung zu sorgen und das Vertrauensverhältnis der Truppe in die Behördenleitung wieder herzustellen (das unter von der Leyen erheblich gestört war), könnte sie tatsächlich jene Anerkennung zurückgewinnen, die ihr letzthin verwehrt blieb. Und wer glaubt, an der Spitze des Verteidigungsministeriums gäbe es keinen Blumentopf zu gewinnen, der braucht künftig nur nach Brüssel zu schauen. Die Kommissionspräsidentin heißt seit gestern Abend Ursula von der Leyen. Das hätten die meisten noch vor ein paar Wochen wohl für unmöglich gehalten. Auch Annegret Kramp-Karrenbauer sollte man nicht zu früh abschreiben.

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