Heizungs-Streit bei Anne Will - Klimaschutz oder „Chaoswende“?

Die Heizungspläne der Bundesregierung stoßen auf großen Widerstand – nicht nur bei der Opposition, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Am Sonntagabend trafen bei Anne Will die unterschiedlichen Positionen hart aufeinander. Insbesondere SPD-Bundesbauministerin Klara Geywitz und CDU-Präside Jens Spahn lieferten sich ein Duell. Für die Position der Grünen waren derweil die anwesenden Journalisten zuständig.

Anne Will und ihre Gäste diskutieren an diesem Sonntagabend über Heizungen / ARD
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Dass bei einer politischen Talkshow eine geschlagene Stunde lang über unterschiedliche Heizungstypen diskutiert wird – und zwar sogar einigermaßen leidenschaftlich –, hätte man sich noch vor ein paar Jahren nicht vorstellen können. Und selbst noch vor wenigen Wochen dürften Anne Will und ihre Moderatorenkollegen das Thema nicht auf dem Zettel gehabt haben. Dann aber kam Robert Habecks „Heizungs-Hammer“ – und plötzlich stehen der Bundeswirtschaftsminister von den Grünen, seine Partei und letztlich die gesamte Bundesregierung unter enormem Druck. Denn was das neue Gebäudeenergiegesetz für Immobilienbesitzer (und letztlich natürlich auch für Mieter) am Ende konkret bedeutet, wenn vom nächsten Jahr an der Einbau von Öl- und Gasheizungen verboten werden soll, ist noch weitgehend unklar. Das zumindest war die einzige Klarheit, die sich nach der Will-Runde an diesem Sonntagabend offenbarte.

Interessanterweise war kein Vertreter von Bündnis90/Die Grünen in der Runde anwesend, wobei davon auszugehen ist, dass Habeck für die Sendung von der Redaktion angefragt worden war. Den grünen Part übernahmen stattdessen die Journalisten Ann-Kathrin Büüsker vom Deutschlandfunk, Hermann-Josef Tenhagen (Chefredakteur bei Finanztip und Greenpeace-Aufsichtsrat) sowie Anne Will selbst. Weitere Gäste: Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), der stellvertretende CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Jens Spahn sowie Kai Warnecke, Präsident des Zentralverbands Haus & Grund. Natürlich stand die Debatte auch unter dem Eindruck des soeben zu Ende gegangenen FDP-Parteitags, bei dem sich etliche Delegierte ausdrücklich gegen das neue Gebäudeenergiegesetz ausgesprochen hatten – und somit den Erosions- und Entfremdungsprozess innerhalb der Ampelkoalition weitergetrieben haben dürften. Wiewohl Geywitz sichtlich darum bemüht war, die Differenzen mit den Liberalen in Sachen Heizungen nicht noch weiter zu befeuern. Sie sprach lediglich davon, es werde im Parlament noch zu einer „intensiven Diskussion“ kommen und dass sie nicht davon ausgehe, dass das Gesetz insgesamt im Bundestag durchfallen werde. Schließlich sei es ja im Ampel-Koalitionsvertrag genau so vereinbart und wegen der Gasmangellage lediglich um ein Jahr vorgezogen worden.

Grenze zwischen Populismus und Realpolitik

Geywitz gab auch zu bedenken, dass mit dem (von ihr durchaus unterstützen) Mechanismus einer CO2-Bepreisung der Klimaschutz ebenfalls vorangetrieben werden könne, doch würden auf diesem Wege die Öl- und Gasheizungen ebenfalls unwirtschaftlich werden. Insofern sei ein Einbauverbot dieser Technik ehrlicher gegenüber der Bevölkerung, zumal die Menschen sich in Deutschland damit besser auf finanzielle Herausforderungen einstellen könnten als bei einem möglicherweise nicht antizipierten Anstieg von Öl- und Gaspreisen. Das Bekenntnis der FDP zu einer kommunalen Wärmeplanung begrüßte die Bundesbauministerin sogar ausdrücklich – wohl auch um klarzumachen, dass auch in Heizfragen durchaus noch Brücken zwischen den Ampelpartnern bestehen und auch begangen werden können. Deutschlandfunk-Journalistin Büüsker bewertete die jüngste Heizungs-Bremse der FDP weniger inhaltlich, sondern vielmehr machtpolitisch: Die Freidemokraten hätten schlicht Angst vor der bevorstehenden Wahl in Bremen; in der Partei mache sich erkennbar Populismus breit. Wobei man sich als Zuschauer die Frage stellen könnte, wo eigentlich die Grenze zwischen Populismus und Realpolitik verläuft, wenn auch ein Großteil der Bevölkerung die Heizungspläne der Bundesregierung schlicht ablehnt.

Jens Spahn sprach in diesem Zusammenhang immer wieder von einer Politik „mit der Brechstange“, die insbesondere von Habeck und den Grünen betrieben werde, nannte die Wärmewende eine „Chaoswende“ und beklagte eine „Re-Ideologisierung der Klimaschutzpolitik“, weil die Bundesregierung mit ihrem Heizungsvorhaben die Menschen im Namen des Klimaschutzes gegen eine CO2-Reduktion aufbringe. Die Leute würden inzwischen regelrecht aggressiv auf das Wort „Wärmepumpe“ reagieren, meinte der CDU-Präside. Und dass die Regierung die „Lufthoheit über den Heizungskellern“ anstrebe, so Spahns etwas verrutschte Metapher. Geywitz konterte, die Union habe während ihrer Regierungszeit zwar selbst ehrgeizige Ziele zum Klimaschutz entwickelt, aber sehr wenig zu deren Umsetzung beigetragen. Dies müsse nun von der Ampel nachgeholt werden – entsprechende Widerstände in der Bevölkerung leider eingeschlossen. Spahn plädierte stattdessen dafür, das umstrittene Gesetz aus Akzeptanzgründen um ein Jahr zu verschieben und mehr auf Technologieoffenheit zu setzen anstatt faktisch einseitig den Einbau von Wärmepumpen voranzutreiben.

Gebäudeenergiegesetz „gar nicht so verkehrt“

Finanztip-Chefredakteur Tenhagen bezeichnete das neue Gebäudeenergiegesetz als grundsätzlich „gar nicht so verkehrt“, machte allerdings darauf aufmerksam, dass die Preise für Wärmepumpen sich in den zurückliegenden Jahren fast verdoppelt hätten. Vor diesem Hintergrund sei es besonders problematisch, dass die finanzielle Förderung durch den Staat noch weitgehend unklar ist.  Haus & Grund-Zentralverbandspräsident Warnecke warf der Bundesregierung vor, das Pferd von hinten aufzuzäumen, weil das Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht werde, obwohl die meisten Menschen heute noch überhaupt nicht wüssten, mit welcher Energie ihr Haus in ein paar Jahren versorgt würde: Fernwärme? Strom? Biogas? Es bräuchte daher nicht nur dringend Ansagen für die Kommunen, sondern auch individuelle Energieberatung für die einzelnen Haushalte. Geywitz wiederum gab zu bedenken, dass gerade die deutschen Wärmepumpenhersteller Planungssicherheit bräuchten, um ihre Milliardeninvestitionen in diese Technik amortisieren zu können. Anderenfalls würden Hersteller aus dem Ausland dieses Segment dominieren.

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Ann-Kathrin Büüsker, der die Diskussion an dieser Stelle zu kleinteilig zu geraten schien, erinnerte an den dringenden Handlungsbedarf aufgrund der „Klimakrise“ (als Beispiel nannte sie eine aktuelle Hitzewelle in Thailand) – und gab damit eine Vorlage an Moderatorin Anne Will, die der CDU vorwarf, den Klimaschutz insgesamt nicht ernst genug zu nehmen: So habe etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gesagt, Deutschland allein könne das Weltklima nicht retten (eine Tatsachenbehauptung, die von Will aber offenbar als geradezu skandalös betrachtet wird). Spahn sprang seinem (nicht anwesenden) Parteifreund Kretschmer zur Seite, indem er darauf aufmerksam machte, dass die Bundesrepublik für nur zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sei – weshalb der deutsche Beitrag zum Klimaschutz eher darin bestehen müsse, innovative Techniken mit Weltmarkt-Potential zu entwickeln. Darauf Büüsker: Die Unionsparteien würden konkrete Maßnahmen scheuen und am liebsten alles immer nur nach hinten verschieben.

Populismus auf allen Seiten

So ging es also die ganze Zeit hin und her, Argumente wurden genannt und widerlegt (oder auch nicht), Populismen sowohl genutzt wie auch beklagt. Das alte Spiel eben – nur diesmal zu einem sehr konkreten Thema, das tatsächlich alle Menschen in diesem Land unmittelbar betrifft und deswegen erheblichen gesellschaftlichen Sprengstoff birgt. Für die Zuschauer waren einige Passagen dieser Sendung tatsächlich erhellend – vor allem weil deutlich wurde, dass dieses neue Gesetz mit Blick auf die Umsetzbarkeit (auch wegen etlicher Ausnahmetatbestände) noch sehr unausgegoren ist. Die politische Weltlage ändert sich gerade dramatisch, und Deutschland diskutiert über Heizungen. Das kann man so machen, hat auch alles seine Berechtigung. Aber wenn der Strom für die elektrisch betriebenen Wärmepumpen weiterhin aus Kohlekraftwerken stammt, wirkt die gesamte Debatte doch ein bisschen skurril.

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