Merkel und Laschet auf Zeche Zollverein - Mutter, der Mann mit dem Koks ist da

Es soll ein Gegenstück zur opulenten Show des bayerischen Ministerpräsidenten sein: Armin Laschet lädt Angela Merkel erst ins Ständehaus Düsseldorf und dann in die Zeche Zollverein ein. Das soll bodenständig wirken und bleibt doch eine Inszenierung.

Wird Armin Laschet der Besuch von Angela Merkel im Wettstreit mit Markus Söder nutzen? / dpa
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Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

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So neusachlich wie sich Bernd und Hilla Becher auch gaben, ihre Fotografie des Förderturms 12 der Zeche Zollverein ist eine monumentale Ikone der Industriekultur. Mächtig ragt der Turm in der Bildmitte empor, dunkelgrau auf hellgrau, man meint, den Kohlenstaub vom Bild wischen zu können, und doch besticht die Fotografie durch eine fast klinische Disziplin in der Abbildung des Industriebaus. Dokumentieren wollte das Künstlerpaar, doch jedes Bild war auch eine Inszenierung.

Auch Armin Laschet versuchte es mit Bodenständigkeit, Nüchternheit und einer gewissen Arbeiterromantik, als der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Angela Merkel am Dienstag in die Zeche Zollverein geleitete. Zunächst hatte er sie zwar in das weniger proletarische Ständehaus in Düsseldorf eingeladen. Doch danach sollte es ins schwatte Herz des Ruhrpotts gehen, die Zeche Zollverein. 

Er malocht wie ein Kohlekumpel

Laschet stellt damit den größtmöglichen Kontrast zu seinem Kanzlerkandidat-Konkurrenten Markus Söder her, der vor ein paar Wochen Merkel auf Herrenchiemsee empfing, als sei er der Märchenkönig höchstpersönlich. Laschet will zeigen: Ich arbeite, ich maloche wie ein Kohlekumpel, während der Bayer sich vor allem um seine herrschaftliche Inszenierung kümmert.

Jedoch: Dort, wo die Politik zur Symbolpolitik wird, ist alles Inszenierung und selbst der nüchternste Realpolitiker dem Künstler näher als dem Arbeiter. Die Zeche Zollverein ist für Laschet ebenso eine Kulisse wie das Schloss Herrenchiemsee für Söder. Während der sich allerdings nach monarchischen Verhältnissen zu sehnen scheint, ist der NRW-Ministerpräsident offenbar ein Mann der Moderne. 

Aus der Zeit gefallen

Beides wirkt aus der Zeit gefallen. Auf Herrenchiemsee residiert schon lange kein bayerischer König mehr, auf Zeche Zollverein wird schon lange keine Kohle mehr gefördert. Ist das ein Zeichen für den konservativen Backlash, der nach der Ära Merkel kommen wird? Noch hat die CDU ihre Vorsitzendenfrage nicht beantwortet, noch hat die Union ihren Kanzlerkandidaten nicht gekürt. Doch egal, ob der wohlmöglich nächste Kanzler aus dem Süden oder aus dem Westen kommt, die Inszenierung der Macht ist eine nostalgische. 

Immerhin ist Laschet stilsicher, was die politische Verfasstheit der Bundesrepublik angeht. Vor dem Besuch der Zeche Zollverein hat er Merkel zur Kabinettssitzung seiner Landesregierung eingeladen. Das hatte Söder zwar auch, allerdings eben ins Schloss. Laschet hingegen hat das Düsseldorfer Ständehaus gewählt, das von 1880 bis 1988 Jahre als Parlamentsgebäude diente, ausdrücklich ein Ort der Demokratie. 

Die dicksten Bretter bohren

Bei der Pressekonferenz im Ständehaus ging Laschet als allererstes auf diese historische Bedeutung ein, um dann über die Herausforderungen der Coronakrise zu sprechen. Und er erwähnte die besondere Rolle Nordrhein-Westfalens als Industrieland im Transformationsprozess hin zu erneuerbaren Energien, über die er neben der EU-Ratspräsidentschaft in der Kabinettssitzung mit der Kanzlerin gesprochen habe. Laschet wollte offensichtlich die dicksten Bretter bohren und damit seine eigene Kanzlerfähigkeit unter Beweis stellen. 

Und auch Merkel ging in ihrer kurzen Ansprache auf die historische Bedeutung und „lange Geschichte Nordrhein-Westfalens in der Bundesrepublik Deutschlands“ ein, um dann direkt die Brisanz der Coronakrise hervorzuheben: „Das Virus ist da“, ließ die Kanzlerin wissen.

Balsam für Laschet

Ausdrücklich dankte Merkel Laschet für seine Reise in das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos, „eine Reise, die jetzt nicht nur, sagen wir mal, Vergnügliches und Sehenswertes zeigt, sondern auch in den Kern europäischer Werte geht“. Für Laschet war die Reise zu einem PR-Desaster geworden, nachdem er den Besuch des Lagers aus Sicherheitsgründen abbrechen musste. Merkels Dank und Lob dürften da Balsam für ihn gewesen sein.

Ob Laschet allerdings Merkels Besuch im Kampf gegen den bayerischen Konkurrenten nutzen wird? Wahrscheinlicher ist, dass die K-Frage durch handfeste Politik und nicht durch politische Inszenierung entschieden wird.

Die Testpannen in Bayern zeigen, dass auch eine Landesregierung unter Markus Söder nicht unfehlbar ist, und dass bis zur Bundestagswahl im nächsten Jahr noch vieles passieren mag, das einen möglichen Kanzlerkandidaten beschädigen kann. Laschet kann nach dem Tönnies-Debakel ein Lied davon singen und dürfte sich klammheimlich darüber freuen, dass es seinem Konkurrenten Söder nicht besser ergeht.

Ein Ritterschlag

Doch die Lage ist zur Zeit so volatil, dass alles möglich erscheint. Und jede Reise der Kanzlerin zu einem ihrer Ministerpräsidenten wird gedeutet, als handle es sich um die Interpretation einer Kunstfotografie. So galt manchen Journalisten der Merkelsche Satz nach ihrer Audienz auf Schloss Herrenchiemsee „Ich kann nur sagen, Bayern hat einen guten Ministerpräsidenten“ schon als Ritterschlag für Söder. 

Doch Ähnliches sagte sie auch heute über Laschet: „Ich habe immer gesagt, ich mische mich in die Nachfolge nicht ein“, stellte Merkel zwar erst einmal süffisant lächelnd klar, als sie nach Laschets Kanzlerfähigkeit gefragt wurde. Als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bringe er aber viele Qualifikationen und das nötige Rüstzeug mit. Das ist ebenfalls mindestens ein Ritterschlag. Wobei ein Ritterschlag für den sich als Kohlekumpel inszenierenden Laschet eher unpassend wäre.

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