CDU-Politiker: Ampel muss auf Wut der Bauern reagieren - „Landwirte sind keine Klimakleber“

CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann verteidigt die Proteste der Landwirte in Berlin. Es sei falsch, die Lebensmittelproduktion in Deutschland mit einem Federstrich um knapp eine Milliarde Euro teurer zu machen. Die Ampel müsse jetzt die Beschlüsse zurücknehmen.

Bauerproteste in Berlin gegen die Ampel-Regierung / Resing
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Albert Stegemann ist der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist Landwirt und Abgeordneter für den Wahlkreis Mittelems.

Herr Stegemann, heute demonstrieren die Bauern in Berlin gegen die Abschaffung von Steuervergünstigungen in der Landwirtschaft. Ist der Protest berechtigt?

Absolut. Landwirtschaft in Deutschland ist bereits heute kaum noch wettbewerbsfähig. Egal ob Äpfel, Kartoffel, Getreide, Fleisch oder Wein, am Ende liegen im Einkaufsregal zu 95 Prozent die Lebensmittel mit dem günstigsten Preis. In dieser Situation sind die Vorschläge der Ampel-Regierung für die heimische Landwirtschaft fatal. Nach Agrarminister Özdemir tut jetzt auch die FDP so, als wären die Streichungen beim Agrardiesel und der KfZ-Steuerbefreiung für sie nicht hinnehmbar. Dabei bilden genau diese Akteure eine gemeinsame Bundesregierung. Dieses Chaos ist nicht mehr hinnehmbar.

Die Gewinne der landwirtschaftlichen Betriebe lagen im laufenden Jahr auf einem Rekordniveau. Jammern die Bauern nicht auf hohem Niveau?

Die Jahresabschlüsse im letzten Jahr sind eher ein Einmaleffekt und kein Zeichen einer insgesamt guten wirtschaftlichen Situation. Das Eigenkapital auf den landwirtschaftlichen Höfen wurde in den letzten Jahren aufgezehrt. Wir steuern auf Zeiten stärker schwankender Preise hinzu. Auf ein wirtschaftlich gutes Jahr folgten zuletzt oft mehrere schlechte Jahre. Deswegen bleiben Investitionen aus und viele Landwirte scheiden spätestens mit dem Generationswechsel aus. Da ändert auch ein gutes Wirtschaftsjahr die Situation nicht grundsätzlich.

Die Abschaffung des Agrardiesel-Privilegs gilt als klimaschädliche Subvention. Wieso sollen die Landwirte nicht ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Erst einmal möchte ich folgendes festhalten: Die Landwirtschaft ist der einzige Sektor, der die Klimaschutzziele in Deutschland einhält. Auch kann ich im Agrardiesel keine klimaschädliche Subvention erkennen. Die CO2-Abgabe auf Diesel zahlen Landwirte genauso wie alle anderen. Klimaschädlich ist es, die Produktion von Lebensmitteln aus Deutschland zu drängen und durch Importe aus anderen Teilen der Welt zu ersetzen, in denen viel klimaschädlicher produziert wird als bei uns. Wir müssen ideologische Narrative wie den Begriff der klimaschädlichen Subventionen viel kritischer hinterfragen.

CDU-Bundestagsabgeordneter 
Albert Stegemann / dpa

Kam die Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigung zur Sanierung des Ampel-Haushalts vergangene Woche für Sie überraschend?

Ja und Nein. Es gab bereits Gerüchte, dass die Hausleitung im Bundeslandwirtschaftsministerium über den Agrardiesel kritisch diskutiert. Auch die FDP ist kein Freund von unterschiedlichen steuerlichen Regelungen. Das aber das grüne Kennzeichen und der Agrardiesel gestrichen werden sollen, macht mich fassungslos. Da wird die Lebensmittelproduktion in Deutschland mit einem Federstrich um knapp eine Milliarde Euro verteuert.

Nun hat Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schon Verständnis für die Proteste geäußert und alternative Sparvorschläge angekündigt. Wo sehen Sie Einsparpotential im Agrarhaushalt?

Die Frage ist erst einmal, ob die Einsparung überhaupt im Agrarhaushalt erfolgen muss. Das sehe ich kritisch. Der Agrarhaushalt macht nur 1,5 Prozent vom gesamten Bundeshaushalt aus. Man kann aber durchaus kritisch hinterfragen, warum der Bundesminister beispielsweise in diesen Tagen eine sieben Millionen Euro teure Werbekampagne für ein völlig unrealistisches 30 Prozent Bio-Ziel bis 2030 startet.

 

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Bauernpräsident Joachim Rukwied kündigt massiven Widerstand im Januar an, wenn die Beschlüsse nicht zurückgenommen werden. Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Meine Erwartung ist einfach: Die Ampel muss jetzt Abstand nehmen sowohl von der Streichung des Agrardiesels als auch der Kfz-Steuerbefreiung. Beides trifft direkt unsere Landwirte, schwächt die ländlichen Räume und ist aus wirtschafts- und wettbewerbspolitischer Sicht Unsinn. Wenn Finanzminister Lindner im selben Atemzug diese Steuererhöhung auf die heimische Lebensmittelproduktion und die Reform der Schuldenbremse ab 2025 ankündigt, wird doch deutlich, wie die Ampel wirklich tickt. Die wollen das Jahr 2024 ganz gezielt nutzen, um den Landwirten eins mitzugeben.

Es gibt in der Bevölkerung auch Verärgerung darüber, dass die Traktoren die Straße verstopfen. Nehmen Sie allgemein ein mangelndes Verständnis für die Belange der Landwirtschaft wahr?

Landwirte sind keine Klimakleber. Sie sind vor Ort fest verwurzelt und schauen genau, dass die Demonstrationen mit Augenmaß erfolgen. Von daheim weiß ich, dass die Landwirte im guten Austausch mit den Freiwilligen Feuerwehren stehen – die ja übrigens ganz wesentlich vom Engagement der Landwirte getragen werden. In Berlin gibt es täglich gesperrte Straßen auf Grund von Demonstrationen, das wird auszuhalten sein.

In den Niederlanden hat der Bauernprotest das ganze Land erschüttert. Wie groß ist die allgemeine Wut bei den deutschen Bauern? Kann es bei uns auch eskalieren?

In Frankreich sind Bauerndemonstration seit Jahrzehnten Tradition. Das ist in den Niederlanden und bei uns ein Stückweit anders. Das zeigt, dass die Wut, oder das fehlende Vertrauen in die Politik, schon groß ist. Die Regierung muss daher sehr sensibel sein. Die demokratischen Parteien müssen sich hinter die Landwirte stellen und gute Politik für unsere Landwirte und den ländlichen Raum machen.

Das Gespräch führte Volker Resing.

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