AfD-Parteitag in Dresden - Beim Wahlprogramm setzen sich die Hardliner durch

Ihre Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl hat die AfD auf ihrem Parteitag in Dresden nicht nominiert. Ein Punkt für Parteichef Jörg Meuthen. Doch inhaltlich setzten sich die Hardliner gegen ihn durch.

Partechef Meuthen konnte sich beim Thema EU-Austritt nicht durchsetzen / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Anzeige

Personalentscheidungen wurden nicht getroffen, dafür läutet die AfD mit der Forderung zum Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und ohne Spitzenkandidaten ihren Bundestagswahlkampf ein. Beim von Protest begleiteten Präsenzparteitag in Dresden sprachen sich die mehr als 550 anwesenden Delegierten per Mehrheitsbeschluss für einen Austritt Deutschlands aus der EU aus.

In dem Beschluss dazu hieß es: „Wir halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.“ Die Entscheidung ist auch eine Niederlage für Parteichef Jörg Meuthen, der dem Europäischen Parlament angehört und sich klar gegen die Forderung ausgesprochen hatte.

Bei Twitter war der Hastag #Dexit sogleich unter den Top-Themen im Kurznachrichtendienst Twitter. FDP-Vize Alexander Graf Lambsdorff warf der AfD „stumpfen Nationalismus“ vor. Ein Austritt Deutschlands wäre das „Ende der EU und des Binnenmarkts, unseres wichtigsten Exportmarktes“, schrieb er.

Einwanderung soll stark eingeschränkt werden

Beim Thema Migration setzten sich ebenfalls die Hardliner durch. Die Einwanderung - auch von Fachkräften - soll stark eingeschränkt werden. Als Vorbild soll Japan dienen. Trotz Warnung eines Delegierten wurde auch ein Passus beschlossen, der einen Fachkräftemangel im Grund leugnet. Der „sogenannte Fachkräftemangel“ sei ein „konstruiertes Narrativ der Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine“, heißt es nun.

Die AfD verlangt zudem die „Ablehnung jeglichen Familiennachzuges für Flüchtlinge“. Kritiker dieser Formulierung wiesen darauf hin, dass das rechtlich gar nicht möglich sei. Der Thüringer Landeschef Björn Höcke konterte mit dem Hinweis, man befinde sich hier in keiner rechtlichen, sondern einer politischen Sphäre. Es gehe einzig darum, eine politische Botschaft für die Wähler zu setzen. Ein Delegierter erinnerte seine Kollegen daran, dass die AfD eine Familienpartei sei und ihr ein solcher Antrag den Vorwurf der Inhumanität einbringe.

An anderer Stelle im Wahlprogramm heißt es, eine humanitäre Aufnahme dürfe es nur für vom Bundestag ausgewählte, besonders schutzbedürftige Personen geben, „für deren Auswahl ein mit der deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung vereinbarter kultureller und religiöser Hintergrund ein wichtiges Kriterium ist“.

Einen „starken Korpsgeist“ für die Bundeswehr

In ihr Programm für die Bundestagswahl am 26. September fügten die Delegierten zudem den Passus ein: „Die Bundeswehr soll wieder einen starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte pflegen. Die Tugenden des Soldaten sind Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit. Die Bundeswehr muss die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte leben.“

Mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde ein Antrag, in dem es hieß: „Insbesondere soll der mittlerweile so gut wie nicht mehr vergebene Waffenschein, der besonders gefährdeten Personen das Führen von scharfen Waffen in der Öffentlichkeit erlaubt, bei nachgewiesener Gefährdung leichter als bislang ausgestellt werden.“ Dieser Antrag wurde aber zur Prüfung an einen Parteiausschuss verwiesen, der sich mit dem Programm der Partei zur Inneren Sicherheit beschäftigt.

Der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt hatte für diesen Antrag geworben. Ihm seien mehrere AfD-Abgeordnete bekannt, die vergeblich einen Waffenschein beantragt hätten. „Und bitteschön, wer ist wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe an Leib und Leben gefährdet als ein AfD-Landtagsabgeordneter oder -Bundestagsabgeordneter?“, fügte er hinzu. Der Bundestagsabgeordnete Götz Frömming warnte, falls diese Forderung im Programm für die Bundestagswahl landen sollte, wäre der einzige Effekt, „dass man sagen wird, die AfD will sich selbst bewaffnen“.

Keine Entscheidung zu den Spitzenkandidaten

Vor Abschluss des Parteitages sollte noch über Satzungsänderungen beraten werden. Der Landesvorstand von Sachsen-Anhalt wollte eine Abstimmung zur Begrenzung von Amtszeiten zur Abstimmung stellen. Demnach soll ein Mitglied des Bundesvorstandes höchstens zweimal unmittelbar in dasselbe Parteiamt wiedergewählt werden können. Das würde für Meuthen bedeuten, dass er im November nicht erneut für den Vorsitz kandidieren dürfte.

Die Delegierten entschieden, noch keine Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu bestimmen. Eine Mehrheit gab es lediglich für den Vorschlag, mit einem Spitzenduo in den Wahlkampf zu ziehen. Die Wahl dieses Zweierteams wird aber noch nicht auf dem Parteitag erfolgen. Stattdessen sollen zu einem späteren Zeitpunkt die Mitglieder der Partei entscheiden. Fraktionschefin Alice Weidel, die bei der Bundestagswahl 2017 gemeinsam mit Alexander Gauland das Spitzenteam gebildet hatte, ließ offen, ob sie dann dafür antreten will. Parteichef Tino Chrupalla und die hessische Abgeordnete Joana Cotar erklärten dagegen beide, sie stünden dafür zur Verfügung.

Die „Corona-Resolution“

Zudem beschlossen die Delegierten eine „Corona-Resolution“. Darin fordert die Partei „jedweden, auch indirekten, Zwang zur Durchführung von Tests, Impfungen, unter anderem durch Einführung sogenannter Schnelltest-Apps und des grünen Impfpasses, sowie Benachteiligungen für Maskenbefreite zu unterlassen“. Die AfD war im Vorfeld dafür kritisiert worden, trotz steigender Infektionszahlen einen Präsenzparteitag mit hunderten Teilnehmern zu veranstalten. Parteichef Meuthen hatte das ausdrücklich verteidigt.

In ihrem vor zwei Jahren verabschiedeten Programm für die Europawahl hatte die AfD ihre Haltung zu einem möglichen EU-Austritt noch vorsichtiger formuliert. Damals hieß es: „Sollten sich unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in angemessener Zeit verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.“ Ein „Dexit“ wäre aus damaliger Sicht der AfD allerdings erst nach einer Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands möglich.

mn/dpa

Anzeige