Kevin Kühnert will mehr Steuern - Die SPD-Steuerpläne sind nicht sozial, im Gegenteil

Die SPD, jedenfalls ihr Generalsekretär Kevin Kühnert, will mehr Steuern von Reichen eintreiben. Angeblich sollen die anderen Steuerzahler entlastet werden. Doch das scheint keine besondere Priorität zu haben.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Die SPD soll auf dem nächsten SPD-Bundesparteitag im Dezember vor allem über neue Steuerkonzepte debattieren. In einer Beschlussvorlage, die Generalsekretär Kevin Kühnert jetzt in einem Spiegel-Interview medial vorbereitet, geht es vor allem um eine „temporäre Krisenabgabe“ für all jene, die schon der polemisch so sogenannten Reichensteuer unterliegen. 

Schon der Begriff sollte stutzig machen. Die Bezeichnung „temporär“ ist für Steuerpolitiker schließlich eine ausgesprochen dehnbare Bezeichnung, die bald in Richtung „bis auf weiteres“ interpretiert werden kann. Zumal ein ultimatives Ende der multiplen Krise(n) wohl kaum so bald ausgerufen werden wird. 

Kühnert bedient da in bewährter Weise das linkspopulistische Ressentiment, indem er sagt: „Es geht um einen winzigen Personenkreis. Zahlen soll die Abgabe künftig, wer derzeit Reichensteuer entrichten muss. Die wird fällig für Singles, die mehr als rund 277.000 Euro verdienen. Bei Paaren ist es das Doppelte. Das ist sehr, sehr viel Geld. Wir sprechen da über wenig mehr als 100.000 Personen im Land.“  

Kühnert widerspricht sich selbst

Dass er sich selbst widerspricht, ist offenkundig: Einerseits schwadroniert er über „sehr, sehr viel Geld“, andererseits weigert er sich im Interview wie auch im Leitantrag zu sagen, wie viel denn dieser „winzige Personenkreis“ genau bezahlen soll. O-Ton Kühnert: „Die beschriebene Aufgabe ist nach unserer festen Überzeugung zu wichtig und zu existenziell, um sich zu Beginn über Nachkommastellen zu streiten.“ Vermutlich weiß er es eben selbst nicht so genau, Hauptsache den Reichen wird Geld abgenommen. 

Auch, was mit dem zusätzlichen Geld in der Staatskasse geschehen soll, deutet er nur ganz vage an: „Es geht um die Stärkung der Infrastruktur und der industriepolitischen Substanz in Deutschland.“ Es gibt eine industrielle Substanz, aber was soll die industriepolitische Substanz sein? Vermutlich meint er damit die Fähigkeit der Politik, also des Staates, noch mehr in Industrieprozesse einzugreifen, also die Marktwirtschaft noch weiter auszuhöhlen. 

Gewarnt sollten nicht nur die Großverdiener sein, sondern letztlich alle Steuerzahler. Denn Kühnert behauptet zwar, das SPD-Konzept sehe für 95 Prozent der Einkommensbezieher Entlastungen vor. Aber so ganz aufgehen kann das wohl nicht. Wenn es wirklich um Steuergerechtigkeit und das materielle Wohl der Normalsteuerzahler ginge, müsste er sagen, dass die Steuermehreinnahmen bei den Reichen nur dazu dienen, die Entlastungen für die 95 Prozent anderen zu finanzieren. Aber das sagt er eben nicht, sondern macht deutlich, dass der Staat unterm Strich eben mehr Steuern einziehen soll, um „den energieintensiven Standort Deutschland wie gesetzlich vorgesehen bis 2045 klimaneutral zu machen, ohne dabei Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden“. 

 

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Die bisherigen Erfahrungen mit der Reichensteuer zeigen, dass der Staat nicht besonders viel mehr Geld einnimmt, wenn er nur die absoluten Spitzenverdiener zusätzlich zur Kasse bittet. Kühnert behauptet zwar, „wir akzeptieren nicht, wenn die Finanzierung dieses Wandels vorrangig Menschen mit ganz normalen Einkommen zahlen sollen“. Aber ob er es nun akzeptiert oder nicht: Gerade weil sie nur ein winziger Personenkreis sind, werden die Superreichen den Steuerdurst der Transformationspolitik eben nicht allein befriedigen können. Und bisherige Erfahrungen legen auch Zweifel nahe, dass ein Land wettbewerbsfähiger wird, wenn Politiker die Steuern für Großverdiener erhöhen und in die Wirtschaftsprozesse aktiv eingreifen.

Dass Kühnerts steuer- und finanzpolitische Konzeption weder den Interessen der Normalverdiener (und damit oft schon Spitzensteuersatzzahler) noch der bekanntlich vor allem eigentümergeführten, mittelständischen Industrie dient, machen außerdem seine beiden weiteren Vorhaben deutlich: Die Aufweichung der Schuldenbremse bedeutet nichts anderes als die Anhäufung von künftigen Lasten auf den Schultern der Steuerzahler (vor allem der zukünftigen, was nun wirklich nicht gerecht ist). 

Und seine geforderte „effektive Mindestbesteuerung für große Unternehmensübertragungen“ wird voraussichtlich Abwanderung und Betriebsaufgaben noch attraktiver machen, also den Verlust wirtschaftlicher Substanz beschleunigen. Ein Staat, der Unternehmenserben zwingt, Schulden aufzunehmen, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können, mindert die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe und demotiviert Familienunternehmer. 

Ein schlankerer wäre auch ein sozialerer Staat

„Unser Konzept ist seriös, und wir meinen es komplett ernst“, sagt Kühnert. Letzteres muss man wohl tatsächlich befürchten, ersteres kann man sehr bezweifeln. Denn wenn es Kühnert und seiner Partei ernst wäre mit der Entlastung für „95 Prozent der Einkommensbezieher“, dann müsste eben nicht die höhere Besteuerung der Reichen und Unternehmenserben und auch nicht die Aufweichung der Schuldenbremse im Zentrum ihrer Steuerpolitik stehen, sondern die Reduzierung der Staatsausgaben auch bei der sozialen Umverteilung. Diese würde weit mehr Spielraum schaffen für Steuersenkungen in den unteren Einkommensgruppen als die Erhöhung am oberen Ende des Spektrums. Und sie würde tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stärken. 

Ein schlankerer, weniger steuerdurstiger Staat wäre auch ein normalverdienerfreundlicherer und sozialerer Staat. In einer Volkswirtschaft, die nicht mehr von Massenarbeitslosigkeit, sondern eher von Arbeitskraftmangel geprägt ist, verliert nämlich staatliche Umverteilung allmählich ihre unbedingte Notwendigkeit. In einem Land, wo buchstäblich in jeder Kneipe und jedem Supermarkt Arbeit angeboten wird, müsste und könnte der Staat alles daran setzen, die Sozialquote zu senken, die aber weiter bei über 30 Prozent liegt. Denn der Verzicht des Staates auf einen Steuer-Euro eines Geringverdieners ist ein deutlich effizienterer Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit als der Einzug eines zusätzlichen Steuer-Euros bei Reichen, der dann zum großen Teil in den Mühlen des Umverteilungsapparates versickert.  

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