FDP und Liberalismus - Zumutungen für die liberale Seele

Die FDP beschreibt sich gern als die einzige liberale Partei der Bundesrepublik Deutschland. Dabei schöpft sie ihr Potenzial momentan gar nicht aus – auch wegen des anhaltenden Asylstreits. Warum es dieser Tage so schwierig ist, liberal zu sein

Entweder nicht gehört oder missverstanden: Christian Lindners FDP ist eingekeilt zwischen den politischen Polen / picture alliance
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Liberaler zu sein, ist mitunter ein hartes Brot. Man kann sich an keine Gewissheiten klammern, die Welt ist prinzipiell offen, und wo andere ideologiegetränkte Phrasen zum Besten geben, sucht der Liberale nach der plausibelsten Begründung. Das ist mühsam, zumal in Zeiten angeschwollener Kakophonie, wo es nur noch darum zu gehen scheint, den anderen niederzumachen, zu beleidigen oder sonst wie vorzuführen. Denn wer versucht, mäßigend auf die tobenden Meuten einzuwirken, der wird entweder nicht gehört oder im aufgeheizten Gesprächsklima missverstanden.

Wie schwierig das Geschäft des Liberalismus ist, das muss in diesen Tagen einmal mehr die FDP erfahren. Denn wo CDU und CSU streiten wie die Kesselflicker, wo Grüne und Linke zu den ganz großen rhetorischen Knüppeln greifen und im Hintergrund die AfD schäumt, da hat es eine Partei schwer, die sich dem Liberalismus verschrieben hat.

Der Liberale möchte weniger Politik wagen

Denn Liberalismus ist mehr als eine Position irgendwo links von der Union und rechts von der SPD. Das nie ausreichend kommuniziert zu haben, gehört zu einem der vielen Versäumnisse des organisierten Liberalismus in Deutschland. Liberalismus ist zunächst einmal eine metapolitische Haltung. Sie ist getragen von der Überzeugung, dass im Zentrum allen politischen Denkens immer der Einzelne und seine Autonomie stehen sollte. Politik aber bedeutet, Gesellschaft zu organisieren, und wo Gesellschaft organisiert wird, da entstehen Zwangsmechanismen, die die Autonomie des Einzelnen beschneiden. Deshalb möchte der Liberale weniger Politik wagen.

In Zeiten wie den unseren sitzt der Liberale daher zwischen allen Stühlen. Denn rund um ihn herum wüten die Gesellschaftsgestalter von links und von rechts. Für die FDP wird die Sache noch dadurch verkompliziert, dass die Frontlinien aus ihrer Perspektive unklar verlaufen. Denn wo genau steht eigentlich die Regierung? Links, rechts, irgendwo dazwischen? Schwer zu sagen.

Die FDP ringt um ihr politisches Profil

Und so blockiert die parteipolitische Lage der FDP jede Profilbildung: Sich links von einer Regierung zu platzieren, in der Andrea Nahles als Parteivorsitzende eingebunden ist, ist für eine liberale Seele nur schwer möglich. Und mit Grünen und Linken gemeinsame Sache machen eine absurde Vorstellung. Rechts von einer Regierung, in der die CSU massiv um konservative Wähler kämpft, ist allerdings auch nicht sehr viel Platz. Zudem sitzt da schon die AfD. Und dass sie mit der in manchen Fragen übereinstimmen, gestehen viele Liberale erst bei der zweiten Flasche Wein. Da ist guter Rat teuer.

Und so arbeitete sich Christian Lindner bei der Generalaussprache am vergangenen Mittwoch tapfer an den vielen Versäumnissen der Regierung ab, die diesem Land mittelfristig tatsächlich Schaden zufügen werden, die Menschen aber nicht bewegen: Von der Mobilitätsgarantie über Baukosten, die Energiepolitik bis zur Bildung. „Keine Schwerpunktsetzung, keine Idee“ habe die große Koalition. Wer wollte Lindner da widersprechen? Ursache für diese politische Apathie, auch hier ist dem FDP-Chef zuzustimmen, ist das Migrationsthema, das seit Jahren alles andere überschattet und dennoch nicht im Ansatz gelöst ist.

Keine Kompromisse bei bürgerlichen Freiheitsrechten

Doch genau an diesem Punkt entlarvt sich das Dilemma der Liberalen. Eingekeilt zwischen den sich heftig anfeindenden politischen Polen fällt dem FDP-Chef zu diesem zentralen Thema nur der Appell an eine lagerübergreifende Vernunft ein und der Aufruf, politische Debattenlinien nun endlich zu verlassen. Keine Frage: Das klingt sympathisch. Für Vernunft ist in der Regel jeder. Die Wenigsten sind für Unvernunft. Nur was unter Vernunft zu verstehen ist, darüber gehen die Meinungen unter Umständen schnell auseinander.

Der Versuch, sich als Moderator zu präsentieren, ist zwar aller Ehren wert, zukunftsträchtig ist er aber nicht. Er ist ein Produkt des alten zweidimensionalen Links-Rechts-Denkens mit der FDP in der Mitte. Doch Liberalismus bedeutet nicht, irgendwo in einer imaginären Mitte herumzulavieren, sondern konsequent von den Freiheitsrechten des Bürgers aus zu denken. Bei der Verteidigung dieser Rechte hat die Regierung Merkel, insbesondere in der Flüchtlingsfrage, massiv versagt. Genau hier aber darf es keine Kompromissformeln geben, sondern bedarf es einer klaren liberalen Positionierung: Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes und Schutz der berechtigten Interessen der eigenen Bürger.

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