Weltklimakonferenz in Glasgow - Der Weltuntergang und seine Freunde

Prinz Charles verkündet beim Klimagipfel in Glasgow, dieser wäre „die letzte Chance“ für unseren Planeten. Aber mit Phantasien vom bevorstehenden Armageddon ist der Sache kaum gedient. Angebracht scheinen vielmehr Realismus und eine gewisse Skepsis gegenüber vermeintlich unumstößlichen Wahrheiten.

Prinz Charles beim Klimagipfel in Glasgow / dpa
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Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

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Geht es nach Prinz Charles, dann ist die aktuelle UN-Klimakonferenz in Glasgow „die letzte Chance“ für unseren Planeten – so jedenfalls hat er es eben verkündet. Von der COP26, wie die Konferenz genannt wird, sind jedoch keine politischen Durchbrüche zu erwarten, die unmittelbare Lösungen bringen werden. Das gilt übrigens der Tatsache zum Trotz, dass die meisten Staatschefs der eindringlichen Ermahnung des britischen Thronfolgers überschwänglich beipflichten. Wenn Prinz Charles recht hat, sind wir alle erledigt. Insofern stellt sich die Frage, warum die Politiker derart affirmativ auf seine verzweifelten Worte reagiert haben.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass diese Politiker selbst gar nicht mit voller Überzeugung an die Gefahren des Klimawandels glauben. Sondern ihre tiefe Besorgnis lediglich öffentlich zur Schau stellen, um denjenigen zu schmeicheln, die die Apokalypse wirklich fürchten. Angesichts der Tatsache, dass sie Kinder und Enkelkinder haben (ganz zu schweigen von politischen Ämtern, die sie behalten wollen), erscheint ihr Getue durchaus vernünftig. Ohnehin gilt: Würden sie sich nicht mit wohlfeilen Posen begnügen, müssten sie am Ende tatsächlich etwas unternehmen.

Globales Wirtschaftschaos

Wir erleben derzeit ein globales Wirtschaftschaos, das im Wesentlichen durch die Corona-Pandemie entstanden ist. Viele Länder der nördlichen Hemisphäre leiden unter Arbeitskräftemangel, hohem Energiebedarf, dysfunktionalen Verkehrsnetzen und so weiter. Die Weltwirtschaft ist in einer Weise ins Taumeln geraten, wie man es außerhalb von Kriegen kaum kennt. Angesichts der Tatsache, dass wir uns wirtschaftlich in unbekannten Gewässern befinden, ist es nicht unvernünftig, das Schlimmste anzunehmen. Eine Reihe von Reformen zum Klimawandel noch in diesem Jahr weltweit auf den Weg zu bringen, wäre nicht nur ein massives Risiko für die Weltwirtschaft – sondern auch für jene Amtsinhaber, die sie beschlossen haben. 

Eine Reduktion der Kohlenutzung hätte zum Beispiel für China verheerende Folgen. In einer Zeit, in der die chinesische Wirtschaft versucht, wieder Tritt zu fassen, ist eine Kohleknappheit so ungefähr das Letzte, was sie gebrauchen kann. Um den Klimawandel bekämpfen zu können, muss vielmehr die Weltwirtschaft zunächst wieder genauso in Gang kommen wie das soziale Leben der Menschen.

Misstrauen gegenüber der Wissenschaft

Und dann lohnt auch noch ein Blick auf die soziale Realität. Der Klimawandel ist eine wissenschaftliche Theorie, und es lässt sich kaum bestreiten, dass viele Menschen den Wissenschaftlern nicht trauen. Dieses Misstrauen ist nicht neu, aber es hat sich im Zuge der Pandemie noch verstärkt, deren Eindämmungsmaßnahmen ungeahnte soziale, politische und wirtschaftliche Folgen hatten. Es gehört ebenfalls zur Kategorie der unangenehmen Wahrheiten, dass eine große Zahl von Menschen auf der ganzen Welt sich einer Impfung verweigert – was auch immer ihre individuellen Gründe dafür sein mögen. Der Versuch, Impfungen zu erzwingen, wird wahrscheinlich scheitern, und das wiederum wird der medizinischen Beratung ganz generell nicht zuträglich sein. 

Zweifellos sind die Gründe für Impfungen wissenschaftlich fundiert – aber die Welt ist weitaus komplexer, als sie einem Wissenschaftler erscheinen mag. Und Risiken, die aus Sicht von Ärzten irrational sind, stellen sich für andere Menschen als durchaus ernst zu nehmend dar.

In ähnlicher Weise sind die wissenschaftlichen Belege für den Klimawandel real. Aber für mich ist damit noch längst nicht klar, dass der Planet dadurch zerstört werden wird. Jeder (vor allem ein Politiker oder ein Staatsoberhaupt), der behauptet, er wisse mit absoluter Sicherheit, dass dies der Fall sein wird, muss dies auch beweisen können. Aber die Behauptung, der Klimawandel werde allgemein katastrophal sein, wie Prinz Charles sie aufgestellt hat, ignoriert ihrerseits die verfügbaren Daten – aus denen nämlich hervorgeht, dass er von Region zu Region unterschiedliche Auswirkungen haben wird.

Apokalyptische Behauptungen

Nicht zuletzt existiert in der Öffentlichkeit eine gewisse Skepsis gegenüber apokalyptischen Behauptungen. Ich selbst habe jahrelang Horrorgeschichten über Bevölkerungsexplosionen und globale Hungersnöte zur Kenntnis genommen, die von Demographen erzählt wurden – wobei sie nicht bedachten, dass die Geburtenraten der heutigen Babyboomer eine Anomalie waren, und dass die Bevölkerungszahlen auch wieder zurückgehen könnten. Ich erinnere mich auch an vermeintlich unumstößliche Tatsachenbehauptungen, wonach die Existenz von Atomwaffen zur Selbstvernichtung der Menschheit führen würde. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass die Politiker durchaus verstanden haben, dass es schlimm ist, wenn alle getötet werden. Also haben sie es vermieden.

Schon möglich, dass Prinz Charles recht hat und dass Politiker, die dem Klimawandel nicht entschieden Einhalt gebieten, uns umbringen. Gleichwohl bezweifle ich, dass ein Aufschub die Vernichtung des Planeten bedeutet. Wie auch immer das Ergebnis aussehen wird – es wird sich als komplizierter darstellen als jenes angekündigte Armageddon. Was mich angeht: Ich traue keinen vermeintlichen Wahrheiten, auf die man sich mit übergroßer Mehrheit geeinigt hat. Und dazu zählt aus meiner Sicht auch der Klimawandel mit allen heute prognostizierten Folgen.

Niemand hätte erwartet, dass die Corona-Maßnahmen zu so etwas wie einem wirtschaftlichen Stillstand führen würden. Die Zusammenhänge des menschlichen Miteinanders sind verblüffend vielschichtig. Auch ernsthaft engagierte Forscher an den nationalen Gesundheitsbehörden hatten nicht absehen können, was im Zuge der Pandemie alles geschehen ist. Die Welt ist weitaus komplexer, als wir uns das vorstellen – und alles, was ich weiß, ist Folgendes: Das, was Sie erwarten, wird wahrscheinlich nicht eintreten. Und das, was tatsächlich eintritt, wird sehr befremdlich und unerwartet sein.

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