- Wunschdenken trifft Wirklichkeit
Die Angriffe der Huthi-Milizen auf Frachtschiffe im Roten Meer haben weitreichende Folgen für den Welthandel und damit auch für Deutschland. Die Ampel-Regierung scheint darauf bislang keine Antwort zu haben. Zeit, sich an die Worte des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler zu erinnern.
„Horst wer?“, titelte die Bild-Zeitung, als Horst Köhler für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen wurde. Der damals noch weitgehend unbekannte, aber anerkannte Ökonom hatte sich als Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium als Finanzfachmann einen Namen gemacht. Im Amt des deutschen Staatsoberhaupts wuchs er schnell in die Rolle eines beliebten Bürgerpräsidenten hinein. Mehr noch: Durch seine internationale Erfahrung entwickelte er strategische Weitsicht.
Enge Partnerschaft mit Afrika, Entschuldung ärmerer Länder und Regulierung und „Bändigung“ von Finanzmärkten waren nur einige Themen, die er während seiner Amtszeit setzte und vorantrieb. Bis zu seinem überraschenden Rücktritt 2010.
Was war passiert? Auf dem Rückflug von einem Besuch der Bundeswehr aus Afghanistan gab er ein Interview, in dem er unter anderem ausführte, dass „ein Land unserer Größe und dieser Außenhandelsorientierung und damit Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren“. Nach viel medialer Kritik und wenig Unterstützung aus dem damals regierenden Unionslager trat er zurück.
Internationaler Handel ist nicht nur durch Pandemien und Kriege gefährdet
Heute wissen auch die damaligen Kritiker, dass internationaler Handel nicht nur durch Pandemien und Kriege gefährdet ist, sondern zunehmend auch durch Piraterie, wie etwa die Seeräuber vor Somalia. Jüngst nehmen die Huthi-Rebellen im Jemen nicht nur das 1500 Kilometer entfernte Israel ins Visier, sondern greifen mit kleinen Booten und bombenbestückten Drohnen mit Unterstützung aus dem Iran wirksam den Schiffsverkehr im Roten Meer an. Das maritime Nadelör Bab al-Mandab zwischen der arabischen Halbinsel und dem afrikanischen Dschibuti misst an der engsten Stelle nur 27 Kilometer. Durch sie muss der Schiffsverkehr Richtung Suez-Kanal und Europa, der 15 Prozent des weltweiten Güterverkehrs ausmacht.
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Die wiederholten Angriffe auch auf große Containerschiffe haben weitreichende Folgen für den Welthandel. Der Erdölpreis hat in Reaktion auf die Angriffe angezogen, und der 14 Tage längere Umweg um das Kap hat die Frachtraten von Shanghai nach Rotterdam für Container verdoppelt. Auch der Inflationsdruck nimmt zu. Die NZZ zitiert eine Studie des Internationalen Währungsfonds, derzufolge eine Verdoppelung der Frachtraten (wie im vorliegenden Fall) zu einer Erhöhung der Kerninflation (ohne Energie- und Lebensmittelpreise) um 0,7 Prozentpunkte führen kann.
Die Arbeit überlässt man Amerikanern und Briten
Dies hat Folgen nicht nur für die Weltwirtschaft, sondern auch für uns alle. Eine verantwortungsbewusste und vorrausschauende Politik müsste das im Blick haben. Stattdessen überlässt man es den Amerikanern und Briten, mit den Angriffen auf Huthi-Einrichtungen den freien Schiffsverkehr auch für die deutsche Wirtschaft zu schützen. Der weitsichtige Horst Köhler hatte und hat Recht. Warum dann sein Rücktritt? Anders einer seiner Nachfolger: Frank-Walter Steinmeier hat als Außenminister die Russlandgefahr heruntergespielt und die Nato-Manöver im Baltikum als „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ verurteilt. Verantwortungsübernahme: Fehlanzeige. Diese krasse Fehleinschätzung der deutschen Politik, für die Steinmeier nicht alleine Verantwortung trägt, kommt uns bis heute teuer zu stehen.
Wir sind „umzingelt von Wirklichkeit“, stellte jüngst Vizekanzler Habeck fest. Dies scheint aber noch kein entsprechendes Regierungshandeln auszulösen. Selbst beim geplanten Sicherheitsrat, der eine Gesamtlagefeststellung und einheitliche Strategie für Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln sollte, ist die Ampel an kleinlichen Ressortegoismen gescheitert. Es regiert weiter Wunschdenken statt Wirklichkeitssinn. Mit schlechten Zukunftsaussichten, nicht nur beim Welthandel.