USA vor der Wahl - Trumps Bilanz: Selbst entzaubert

Donald Trump polarisiert wie kaum ein anderer Staatsführer unserer Zeit. Fast kein Tag vergeht, an dem er nicht für Aufregung sorgt. Aber was hat er während seiner bisherigen Amtszeit politisch eigentlich bewirkt? Ein Blick unter die Oberfläche, drei Monate vor der Wahl.

Die Erregungsschlagzahl der Trump-Regierung wirkt inzwischen ermüdend auf das Volk / picture alliance
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Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Mindestens einmal im Jahr hat der amerikanische Präsident die Gelegenheit, sich mit patriotischer Emphase vor die Bürger zu stellen, um in versöhnlichen Tönen das Volk daran zu erinnern, was eigentlich jedem klar sein sollte: dass die Vereinigten Staaten nämlich vereint sind. So kam es dann auch, dass Donald Trump sich zum 4. Juli in Keystone, South Dakota, unter strahlendem Himmel an die Nation wandte, nachdem sechs Jets der U.S. Navy über Mount Rushmore gedonnert waren, während unten am Fuße der Black Hills das Thermometer 33 Grad anzeigte. 

Zunächst wünschte er dem Publikum, das dicht gedrängt vor der Bühne saß und größtenteils auf Corona-Masken verzichtete, einen fröhlichen Unabhängigkeitstag. Am 4. Juli feiern die USA Geburtstag und erinnern sich daran, dass das Land auf einer Idee aufgebaut ist. In seiner Rede hob Präsident Trump hervor, Amerika glaube immer noch daran, allen die gleichen Chancen zu bieten – ganz unabhängig von Ethnie und Religionszugehörigkeit. Er sagte, dass nur die USA Menschen wie Harriet Tubman, Jesse Owens, Louis Armstrong, Elvis Presley und Muhammad Ali hervorbringen könnten. Und fügte hinzu, dass die Amerikaner einst einen spektakulären Traum hatten: „Er hieß Las Vegas, in der Wüste Nevadas.“ 

Den American Way of Life erhalten

Wer zwei Atemzüge zuvor die einstige Sklavin und spätere Freiheitskämpferin Harriet Tubman erwähnt oder den Rebellen Muhammad Ali, anschließend den in Amerika so aufgeladenen Begriff „Dream“ benutzt, um von dort rhetorisch direkt ins Spielerparadies Las Vegas zu gelangen, lässt einen bemerkenswerten Blick auf das eigene Land erkennen. Natürlich hatte Trump noch einiges mehr zu sagen am Independence Day, Amerikas Nationalfeiertag und Verneigung vor den Gründervätern, die so etwas wie die Wutbürger des 18. Jahrhunderts waren. Ihr Zorn über die Vereinnahmung der britischen Kolonialherren war es, der aus dem riesigen Territorium eine Nation formte. 

In gewisser Weise wollte auch Donald Trump daran erinnern. Doch anstatt seinen Zuhörern in blumigen Worten vor Augen zu halten, dass der Glaube an die amerikanische Idee – dieses ewige Experiment, das chaotische, komplizierte Miteinander verschiedener Kulturen – sie alle vereint, tat der mächtigste Mann der Welt das Gegenteil. An jenem Tag im Jahr, an dem Amerika die Füße hochlegt, den Grill anwirft und sich alle über das Feuerwerk am Himmel freuen, zeigte er mit dem Finger auf einen Teil der Gesellschaft und verkündete: „Wütende Horden versuchen, die Statuen unserer Gründerväter niederzureißen, unsere heiligsten Gedenkstätten zu entstellen und eine Welle gewalttätiger Straftaten in unseren Städten loszutreten!“ Dieser Angriff auf „unsere Freiheit, unsere großartige Freiheit“, müsse gestoppt werden – und werde auch sehr schnell gestoppt. „Wir werden diese gefährliche Bewegung aufdecken, die Kinder unserer Nation schützen, diesen radikalen Überfall beenden und unseren teuer gewonnenen American Way of Life erhalten.“ 

Einst kam die Bedrohung von außen, jetzt von innen

Dramatische Worte. Aber während die Bürger des Landes darüber streiten, ob jemand wie Thomas Jefferson, Amerikas dritter Präsident und einstiger Sklavenhalter, es im Jahr 2020 noch verdient hat, in Bronze gegossen auf einem Sockel zu stehen, geht es Trump um eine andere Frage. Er kämpft im Sommer 2020 um sein politisches Überleben. Am 3. November stimmen die Amerikaner über ihren Präsidenten ab. Und damit der neue der alte bleibt, ist Trump nicht mit einem Wahlprogramm angetreten, um Anhänger zu mobilisieren. Sondern er hat sich ein neues Feindbild ausgeguckt. 

In der Rede zum Independence Day am Mount Rushmore sprach der Präsident von einer Bedrohung, die er „einen neuen linksradikalen Faschismus“ nannte: „Unsere Nation ist Zeuge einer gnadenlosen Kampagne, die versucht, unsere Geschichte zu tilgen, unsere Helden zu diffamieren, unsere Werte auszulöschen und unsere Kinder zu indoktrinieren.“

2016 kam für ihn die Bedrohung aus einer anderen Richtung, von außen: Migranten, der Iran, billige Importe aus China. Vier Jahre später sind es seine eigenen Landsleute, vor denen Trump warnt. „Er schreckt damit eine Menge Wähler ab“, sagt Dennis Berwyn, der seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Positionen bei den Republikanern im „Swing State“ North Carolina aktiv ist. „Seine Umfragewerte sind abgesackt, Joe Biden hat ihn hier bei uns inzwischen überholt.“ Berwyn glaubt zwar, dass Trump noch einmal aufholen werde. „Aber natürlich geht das hier vor Ort nicht an den Organisatoren und freiwilligen Helfern spurlos vorüber.“ 

Zwietracht statt Einigung

Auch Berwyn hat im November 2016 für Donald Trump gestimmt, obwohl er ursprünglich Floridas Senator Marco Rubio favorisiert hatte. Doch Trumps Weigerung, sich jemals zu entschuldigen oder Fehler einzugestehen, würde ihn viel Sympathie kosten, sagt der Parteistratege aus North Carolina. „Dass er es nicht schafft, nach mehr als 100 000 Corona-Toten ein bisschen Menschlichkeit zu zeigen, kommt nicht gut an.“ Trump ist es gelungen, auch eine Pandemie zu politisieren: Jene, die sich an von Wissenschaftlern empfohlene Richtlinien halten, gegen die anderen, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie ihr Leben zu leben haben. Land of the free gegen die einzige Supermacht im Jahr 2020, das Coronavirus.

Dieser düstere „Ihr gegen uns“-Ton ist so etwas wie das Leitmotiv von Trumps Präsidentschaft geworden. Das zeigte sich schon am Tag seiner Vereidigung im Januar 2017. Trump hatte Minuten vorher am Kapitol seine rechte Hand für den Treue­schwur gehoben und kurz danach gesagt: „Die vergessenen Männer und Frauen in unserem Land werden nicht länger vergessen werden!“ Kriminalität, Gangs und Drogen hätten zu viele Leben gekostet und das Land um so viel ungenutztes Potenzial gebracht – „dieses amerikanische Massaker nimmt hier und jetzt ein Ende“. In solch einem Moment des Triumphs von einem Massaker („American carnage“) zu sprechen und es implizit seinem Amtsvorgänger anzulasten, war wegweisend. „Diese Rede war der Moment, an dem ich dachte, das geht in die falsche Richtung“, sagt ­Jennifer ­Lawless, Politikprofessorin an der University of Virginia. Trump habe bewusst Zwietracht gesät, obwohl die Vereidigung traditionell der Augenblick sei, um das Land zu vereinen. 

„Er hat sich nie wie jemand aufgeführt, der versucht, das ganze Land zu erreichen“, sagt Stuart Stevens, der im Jahr 2012 als Chefstratege den Wahlkampf des Republikaners Mitt Romney gegen Barack Obama geleitet hat. Aus Unsicherheit richte Trump sich immer nur an seine Hardcore-Fans, glaubt Stevens. Es sei bei ihm wie auf einer Cocktailparty: „Man gesellt sich zu denen, die man kennt.“

Skandale und Empörung lenken von der Leistung ab

Donald Trumps erste Monate im Weißen Haus verliefen turbulent. Schon am Morgen nach der Vereidigung hatte sich der 45. US-Präsident in eine Debatte über die Frage verstrickt, wie groß die Zuschauerzahl vor dem Kapitol aus Anlass seiner Amtseinführung denn nun wirklich gewesen war. Inmitten dieser seltsamen Diskussion brachte Trumps Sonderberaterin Kellyanne Conway den Begriff „alternative facts“ ins Spiel, um die Aussagen von Pressesprecher Sean Spicer zu verteidigen. Auch das würde sich als stilbildend erweisen: Fakten als Ansichtssache. Einer Zählung der ­Washington Post zufolge hatte Trump bis Mitte Oktober 2019, kurz vor seinem 1000. Tag im Amt, mehr als 13 000 falsche oder irreführende Behauptungen von sich gegeben. Unter diesen Vorzeichen bekam Trumps Präsidentschaft von Anfang an etwas Halbseidenes. Der, der „den Sumpf trockenlegen“ wollte, geriet in lauter Schlammschlachten. 

Donald Trump hatte „die besten Leute“ für seinen Regierungsapparat versprochen, doch schon im Februar 2017 musste der nationale Sicherheitsberater Michael Flynn wegen dubioser Verbindungen in der Russlandaffäre seinen Posten räumen. In den späteren Nachforschungen des Sonderermittlers Robert Mueller spielte Flynn noch eine wichtige Rolle, weil Trump sich beim damaligen FBI-Chef James Comey für ihn starkgemacht und von ihm Loyalität gefordert hatte. Dass Comey von Trump im Mai 2017 ohne Vorwarnung entlassen wurde, erweckte nicht den Anschein, der Präsident sei völlig unschuldig in eine „Hexenjagd“ verwickelt worden.

Permanente mediale Empörung

Flynns Entlassung und alles, was sich daraus bis hin zum umfangreichen „Mueller-Report“ ergab, liefert genug Stoff, um ganze Bücherregale zu füllen. Unterm Strich lassen sich darüber ein paar grundsätzliche Dinge sagen: Es existieren eindeutige Hinweise, jedoch nicht genug Beweise dafür, dass Trump die Justiz vorsätzlich bei der Aufklärung des Falles behindert hat. Fakt ist, dass Russland sich aktiv darum bemühte, Falschinformationen zu streuen, um Donald Trump im Wahlkampf zu unterstützen. Trump selbst hat es übrigens nie vermocht, die russischen Manipulationsversuche klipp und klar zu verurteilen. 

Die permanente mediale Empörung über Donald Trumps undurchsichtige Verstrickungen, über seine bewussten Provokationen, über seine oft unstaatsmännisch wirkende Amtsführung inklusive der täglichen Twitter-Kaskaden lenkt jedoch von einer Frage ab, die unter normalen Umständen wenige Monate vor der Wahl entscheidend sein müsste: Wie sieht die Bilanz des Präsidenten eigentlich nach knapp vier Jahren aus? Was hat er damals versprochen, was davon hat er erreicht? Schauen wir also etwas genauer hin.

Trumps Mauer nimmt bislang nur wenig Gestalt an

Keines von Trumps Wahlkampfversprechen war so zentral wie der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Illegale Einwanderung hielt er für eines der wichtigsten Themen überhaupt, bei seinen Kundgebungen war die Mauer oft Thema Nummer eins. Wenn man einmal den einwanderungspolitischen Nutzen eines solchen Vorhabens außer Acht lässt, steht das Projekt heute immer noch vor konkreten Problemen: In einigen US-Bundesstaaten, die an Mexiko grenzen, ist es man­cherorts schier unmöglich, so etwas wie eine Mauer zu errichten, weil das Gelände unzugänglich ist oder Flüsse eine natürliche Grenze bilden. Zudem stellen sich an einigen Stellen schwierige Eigentumsfragen: In mehreren Staaten reichen private Grundstücke direkt bis an die Grenze. Der Bau einer Mauer wäre dort nur möglich durch Enteignungsverfahren. 

Immer wieder kam es deshalb zu Verzögerungen wegen gerichtlicher Auseinandersetzungen, dennoch hat die Errichtung der Mauer begonnen – nach langen Streitereien im Kongress darüber, welche Summe im Haushalt für das Vorhaben aufgebracht werden kann. Laut einem Bericht der Grenzschutzbehörde CBP wurden jedenfalls auf einer Strecke von 16 Meilen neue Mauerstücke entlang der südlichen Grenze aufgestellt. Die ist allerdings insgesamt mehr als 1900 Meilen lang. 

Mexiko hat noch keinen Dollar gezahlt

Ein wichtiges Anliegen Trumps in diesem Zusammenhang zielte darauf ab, dass der Mauerbau von Mexiko bezahlt werden würde. Immer wieder hatte er das in seinen Reden so dargestellt. In seiner ersten Amtswoche unterzeichnete Trump eine präsidiale Verfügung, die den Bau vorantreiben sollte – was jedoch nicht geschah, weil zu diesem Zeitpunkt weder die konkrete Ausgestaltung noch eine (Zwischen-)Finanzierung feststand. Im Dezember 2018, zwei Jahre nach Trumps Wahl, kam es zu einem sogenannten Government-Shutdown, bei dem die Regierungsgeschäfte für 35 Tage ruhten, weil Trump sich weigerte, einen Haushalt zu bewilligen, in dem nicht 5,7 Milliarden Dollar für das Mauerprojekt vorgesehen waren. 

Kurz nach Beilegung des Shutdown-Streits aufgrund einer überparteilichen Einigung rief Trump im Februar 2019 den nationalen Notstand an der Grenze aus, wodurch Milliarden, die für das Verteidigungsministerium vorgesehen waren, umgeleitet wurden in die Sicherung des Grenzbereichs. Diverse juristische Anfechtungen dieser Umverteilungsmaßnahmen machen es schwierig, die bisherigen Ausgaben für den Bau genau zu beziffern. Fest steht jedoch, dass Mexiko noch nicht einen einzigen Dollar für die Errichtung einer Mauer gezahlt hat. Bislang kommt der amerikanische Steuerzahler für die entstandenen Kosten auf. 

Kompromissloses Abschieben? 

Mit Blick auf die Einwanderungsproblematik hatte Trump außerdem angekündigt, Migranten ohne entsprechende Papiere kompromisslos auszuweisen. Eine aktuelle Erhebung aus dem Frühjahr 2020 zeigt, dass die Zahl der Festnahmen an der mexikanischen Grenze zwischen Oktober 2018 und September 2019 (851 508) einen Höchststand in den vergangenen zwölf Jahren erreichte. Im gleichen Zeitraum des Vorjahrs waren es lediglich 396 579 Festnahmen. 56 Prozent davon waren Familien; der Großteil kam nicht etwa aus Mexiko, sondern aus El Salvador, Guatemala und Honduras.

Während die CBP sich um den Grenzschutz kümmert, ist das Immigration and Customs Enforcement (ICE) für Festnahmen im Landesinneren zuständig. Im Januar 2017, direkt nachdem Trump die Amtsgeschäfte aufgenommen hatte, unterschrieb er eine Verfügung, die den ICE-Beamten größere Freiheiten bei ihrer Arbeit zusicherte. Daraufhin stieg die Zahl der Festnahmen von Einwanderern ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in den Jahren 2017 und 2018, fiel dann 2019 aber wieder. Die Behörde führt die gesunkenen Zahlen darauf zurück, dass etwa 350 Beamte abgezogen wurden, um an den Außengrenzen auszuhelfen. Außerdem hätten sogenannte „sanctuary cities“ (Städte, die Einwanderern ohne gültigen Aufenthaltsstatus Schutz vor Bundesbehörden gewähren) die Arbeit der ICE erschwert.

Bei den Abschiebungen (hier beziehen sich die aktuellen Zahlen auf das Jahr 2018) gab es nach Angaben des Heimatschutzministeriums mit 337 287 Fällen einen Anstieg um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch liegen die absoluten Zahlen noch unter dem Höchststand der Jahre unter der Präsidentschaft von Barack Obama. Zwischen 2012 und 2014 wurden mehr als 400 000 Abschiebungen pro Jahr registriert. Laut ICE liegt das auch daran, dass die Behörden bei der Bearbeitung der Fälle nicht hinterherkommen – unter anderem wegen „juristischer und gesetzlicher Einschränkungen“ an den Einwanderungsgerichten, die zum Beispiel Minderjährige vor Abschiebungen schützen.

Kampf gegen die „sanctuary cities“

Ein Anderer Eckpunkt von Trumps Einwanderungspolitik war der Umgang mit DACA, dem Deferred Action for Childhood Arrivals-Programm, wonach Einwanderern ohne Aufenthaltsstatus, die als Kinder nach Amerika kamen, eine jeweils zweijährige Aufschiebung ihrer Abschiebung gewährt wurde, die sich unter gewissen Umständen beliebig oft erneuern ließ. Trump verkündete im September 2017, das Programm auslaufen zu lassen, was verschiedene verfassungsrechtliche Klagen nach sich zog. Im Juni 2020 entschied der Supreme Court, das Oberste Gericht des Landes, dass die Maßnahme der Trump-Regierung willkürlich gewesen sei und die bisherige Regelung aufrechterhalten werden müsse. Anfang Juli kündigte Trump ein umfassendes Einwanderungsgesetz für den Sommer 2020 an, mit dem auch DACA berücksichtigt werden soll. 

Zudem hatte Trump einen härteren Umgang mit den erwähnten „sanctuary cities“ in Aussicht gestellt. Berkeley in Kalifornien war die erste amerikanische Stadt, die 1971 offiziell die Zusammenarbeit von lokalen mit Bundesbehörden einschränkte, um Einwanderer zu schützen, die mit Abschiebung rechnen mussten. Inzwischen sind Städte wie San Francisco, Los Angeles oder Seattle dazugekommen, andere Bundesstaaten wie Alabama, Arkansas, Iowa oder Mississippi haben derartige Zufluchtsstädte verboten. Sollte er gewählt werden, hatte Trump versprochen, würde er Bundesmittel für die „sanctuary cities“ kürzen. Am 25. Januar 2017, direkt nach Amtsantritt, unterzeichnete er denn auch einen Erlass, der Budgetkürzungen für diese Städte vorsah. Das Unterfangen wurde jedoch von einem Gericht als verfassungswidrig untersagt. Im Februar 2020 wurde eine erneute Klage verhandelt, die Trumps Justizministerium recht gab. Ende April schränkte ein anderes Gericht jedoch die Befugnisse des Justizministeriums über Mittelkürzungen wieder ein. 

Im Sumpf Washingtons versumpft?

Ein weiteres Herzstück von Trumps Wahlkampagne: wegen vermeintlicher Terrorgefahr die Einwanderung aus mehrheitlich muslimischen Ländern zu unterbinden. In einer präsidialen Verfügung erließ Trump im Januar 2017 eine Reise- und Einwanderungsbeschränkung für mehrere Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, die umgangssprachlich als „Muslim ban“ bekannt wurde. Nach öffentlicher Empörung und mehreren verfassungsrechtlichen Klagen brachte Trump im März 2017 dann eine neue Verfügung (Executive Order 13780) auf den Weg, die Einreisen aus Ländern wie Iran, Libyen, Jemen, Sudan und Syrien in die USA untersagte und die ebenfalls mehrfach vor Gericht angefochten wurde. Die letzte, leicht abgeänderte Version wurde im Juni 2018 vom Supreme Court für rechtmäßig erklärt. 

Einer der großen Hits auf Trumps Wahlkampfveranstaltungen war sein Slogan: „Drain the swamp!“ Den Washingtoner Sumpf trockenzulegen, das hatte der Politiknovize immer wieder versprochen. Eine entsprechende Reform oder auch nur eine Untersuchungskommission, um Korruption einzudämmen, ist er bis heute allerdings schuldig geblieben. 

Obamacare nicht außer Kraft gesetzt

Stattdessen installierte Trump seine Tochter Ivanka sowie deren Ehemann Jared Kushner als Sonderberater im Weißen Haus und muss sich mit einer Klage herumschlagen, weil er womöglich gegen eine Klausel in der Verfassung verstoßen hat, indem er ausländische Amtsträger in seinen eigenen Hotels hat übernachten lassen. Im Trump International Hotel Washington, D. C., unweit vom Weißen Haus in einem alten Postamt untergebracht und noch vor der Wahl im September 2016 eröffnet, haben in den darauffolgenden Jahren Abgesandte und Diplomaten aus Saudi-Arabien, Kuwait, Pakistan, den Philippinen und anderen Ländern mehrere Hunderttausend Dollar für Übernachtungen, Catering und Veranstaltungen ausgegeben.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den Donald Trump in Aussicht gestellt hatte, war die sofortige Außerkraftsetzung und Abschaffung des ­Affordable Care Act, der von Barack Obama eingeführten Bürgerversicherung. Dieser Punkt war jahrelang ein populäres Thema unter Republikanern; Trump hatte angekündigt, Obamacare zu ersetzen. Nach wochenlangen Beratungen zwischen Republikanischen Abgeordneten und dem Weißen Haus wurde im März 2017 der „American Health Care Act“ (AHCA) vorgestellt. Als sich abzeichnete, dass das Gesetz in der damaligen Form keine Mehrheit im von den Republikanern dominierten Repräsentantenhaus finden würde, entschieden sich Trump und der ranghöchste Republikaner Paul Ryan dagegen, über den AHCA abstimmen zu lassen. Nach einigen Veränderungen wurde das Gesetz schließlich im Mai 2017 verabschiedet. Die entsprechende Version fand im Senat jedoch ganz knapp keine Mehrheit; Trump gelang es nicht, Obamacare außer Kraft zu setzen.

Trump trägt Billionen zur Staatsverschuldung bei

Donald Trumps größter legislativer Erfolg ist womöglich ein Reformpaket, das im November 2017 verabschiedet wurde und Steuersenkungen sowie finanzielle Anreize für Unternehmen und einzelne Haushalte versprach. Darin wurde ebenso verankert, dass die Strafzahlung für Nichtversicherte aufgehoben wird, die im Affordable Care Act als Anreiz dienen sollte, sich versichern zu lassen. Im Nachhinein also ein kleiner Erfolg für Trump, auch wenn Obamacare weiterhin existiert. Die Steuerreform, prognostizierte der amerikanische Rechnungshof, könnte innerhalb von zehn Jahren mehr als 2,3 Billionen Dollar zur Staatsverschuldung beitragen. 

Eine groß angekündigte Maßnahme, die noch auf Vollendung wartet, ist das umfangreiche Infrastrukturpaket. Trump hatte vor seiner Wahl klargemacht, dass Brücken, Straßen, Leitungen, aber auch Flughäfen und öffentliche Gebäude im Land dringender Modernisierung bedürften. Bis zum Sommer 2020 gab es jedoch kein ernsthaftes Bemühen, um das Projekt voranzutreiben. Einzelne Initiativen scheiterten immer wieder an Unklarheiten darüber, was die genauen Maßnahmen sein sollten und wie sie finanziert werden könnten. Im Juni 2020 kam es erneut zu Gesprächen über ein eine Billion Dollar schweres Paket, das sich vor allem auf Straßenbau fokussieren sollte, aber auch Mittel für kritische Infrastruktur wie ein 5G-Netz und den Breitbandausbau in ländlichen Gegenden bereitstellt. Damit soll vor allem die vom Coronavirus stark getroffene amerikanische Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Denn auch das war ein wichtiges Versprechen von Trump: Arbeitsplätze zu schaffen.

In den ersten 35 Monaten seiner Amtszeit entstanden 6,7 Millionen neue Jobs. Zum Vergleich: In den letzten 35 Monaten der Obama-Regierung waren es 7,9 Millionen. Im Juni 2020, dreieinhalb Monate nach Corona-Ausbruch auf amerikanischem Boden, wurden 4,8 Millionen Arbeitsplätze wiedergeschaffen, nachdem im März und April mehr als 20 Millionen Menschen ihre Jobs verloren hatten. 

Trump und die internationalen Abkommen

In Prä-Covid-Zeiten, als die Wirtschaft nicht schlecht dastand, hatte Trump den Amerikanern mehr Wachstum in Aussicht gestellt, und zwar auf dem Weg über neue Handelsverträge. Das nicht wirklich akzeptierte Handelsabkommen Trans-Pacific Partnership wurde von Trump noch in seiner ersten Amtswoche gekündigt. Obama hatte es einst ausgehandelt, um im Pazifikraum mit elf anderen Staaten ein Gegengewicht zum chinesischen Einfluss in der Region zu schaffen. Es wurde jedoch nie durch den Kongress ratifiziert. Trump verweigerte seine Unterschrift, um seinem „America first“-Mantra gerecht zu werden – damit starb das Abkommen einen schnellen Tod. 

Komplizierter war es, aus Nafta auszusteigen. Das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada hatte Trump einmal als „the single worst trade deal ever“ bezeichnet. Überlegungen, wie ein neues Abkommen aussehen könnte, begannen gleich im Januar 2017; im September 2018 kamen die drei Nationen dann überein, Nafta durch das United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) zu ersetzen. Im März 2020 hat Kanada als letztes Land das Abkommen ratifiziert, das im Juli 2020 in Kraft trat und unter anderem amerikanischen Bauern besseren Zugang zum kanadischen Milchmarkt bietet sowie einen Anreiz schafft, Autos im großen Stil im eigenen Land herzustellen, um sie zollfrei zwischen den drei Unterzeichnerländern zu exportieren. 

Sollten auf diese Weise die Produktionsstätten in Amerika langfristig gestärkt werden, wäre damit ein weiteres Wahlversprechen gehalten. Jobs in der Kohleindustrie dagegen wird wohl auch Donald Trump nicht retten können. Obwohl er einige Umweltschutzmaßnahmen seines Vorgängers zurücknehmen ließ, hat die Branche in den vergangenen drei Jahren Arbeitsplätze verloren und nicht hinzugewonnen.

China und Iran im Visier Trumps

Auch die Stahlindustrie, die Trump im Wahlkampf hofiert hatte, profitiert bislang nur wenig von seinen politischen Entscheidungen – womit wir fast schon bei der Außenpolitik sind. Im Handelsstreit mit China und anderen Nationen hatte Trump 2018 Zölle auf importierten Stahl und Aluminium erhoben, zuvor auch auf Waschmaschinen und Solarzellen. Der Handelsbilanz mag das zugutegekommen sein, die im anhaltenden Handelsstreit gestiegenen Kosten werden jedoch oft an die Konsumenten weitergegeben. 

Neben China hatte es Trump im Wahlkampf vor allem auf eine weitere regionale Macht abgesehen: Wenn Nafta in seinen Augen eines der schlechtesten Handelsabkommen war, galt das geopolitisch mindestens genauso für den sogenannten Iran-Deal. Im März 2016 sagte er: „Meine Hauptpriorität ist es, den desaströsen Deal mit dem Iran zu zerlegen.“ Im Mai 2018 kündigte Trump denn auch an, das Abkommen zwischen Iran, den fünf ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat und Deutschland zu verlassen. Die anderen Unterzeichner äußerten Bedauern über diese Entscheidung im Atomstreit. Trotz anschließender Sanktionen und einigem Säbelrasseln zwischen den USA und Iran hat es Trump nicht zu einem militärischen Konflikt kommen lassen. Die israelische Regierung stellte sich vollumfänglich hinter die Entscheidung der Trump-Regierung zum Iran. Ihr gegenüber erfüllte Trump auch ein weiteres Versprechen aus dem Wahlkampf: Im Dezember 2017 erkannte die US-Regierung offiziell Jerusalem als Hauptstadt Israels an; im Mai 2018 wurde die amerikanische Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegt.

Im Nahen Osten musste sich Trump zudem noch mit dem IS auseinandersetzen. Sein Versprechen hatte gelautet, die Terrororganisation „über den Haufen zu bomben“. Nachdem die irakische IS-Hochburg Mossul gefallen und der IS in wichtigen Gebieten und Städten zurückgedrängt worden war, kündigte der US-Präsident Anfang Oktober 2019 überraschend den Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien an (sie wurden später zur Sicherung von Ölfeldern wieder aufgestockt). Ende Oktober gab Trump dann bekannt, dass sich der damalige IS-Anführer Abu Bakr al Baghdadi bei einem Angriff amerikanischer Soldaten in die Luft gesprengt hätte. In einem Bericht des General­inspektors im Pentagon vom November 2019 hieß es, der Rückzug der Soldaten sowie Angriffe der türkischen Armee gegen kurdische Soldaten hätten es Terrorgruppen ermöglicht, in Nordsyrien wieder Fuß zu fassen. 

Kontakt zu den Taliban abgebrochen

Truppen abzuziehen, dafür hatte Trump allerdings immer wieder geworben. Den immer noch andauernden Konflikt in Afghanistan nannte er einen „loser war“, einen Verliererkrieg. Bei Amtsantritt hatte das Militär etwas weniger als 9000 Soldaten vor Ort, die in den darauffolgenden Monaten erst einmal aufgestockt wurden. Im Sommer 2019, nach anhaltenden Attentaten, kam es dann zu einer Annäherung zwischen den Taliban und der US-Regierung. Beide Seiten zeigten Interesse an Gesprächen, eine Reihe von Angriffen kurz vor der Wahl im September 2019 führte allerdings dazu, dass Trump den Kontakt abrupt beendete. 

Nach erneutem Austausch und weiteren Verhandlungen kam es am 29. Februar 2020 zu einem historischen Friedensvertrag zwischen den USA und den Taliban, der in Katar im Beisein von Außenminister Mike Pompeo unterzeichnet wurde. Darin verpflichteten sich die Vereinigten Staaten unter anderem, die Truppen innerhalb von 14 Monaten komplett abzuziehen, falls die Taliban sich an ihren Teil der Abmachung halten und auf Anschläge gegen US-Truppen und deren Verbündete verzichten. Zurzeit ist das Verteidigungsministerium in Absprache mit den Nato-Partnern damit beschäftigt, diesen Sommer 4000 der rund 8500 amerikanischen Soldaten nach Hause zu holen. 

Die Treffen mit „Little Rocket Man“

Bemerkenswert waren auch Donald Trumps Annäherungsversuche an Kim Jong-un. „Little Rocket Man“ hatte er den nordkoreanischen Diktator auf Twitter genannt. Doch wo andere Amtsinhaber eine diplomatische Aufwertung des Regimes in Nordkorea immer vermieden, ließ Trump es sich nicht nehmen, Kim persönlich zu treffen. Im Juni 2018 saßen sich die beiden Staatsmänner zum ersten Mal bei einem Treffen in Singapur gegenüber. Dabei wurde allerdings wenig Spezifisches besprochen, sondern eher gegenseitiges Interesse an Verhandlungen bekundet. Sanktionen auf amerikanischer sowie die Weiterentwicklung des Atomprogramms auf nordkoreanischer Seite nahmen ihren Lauf – bis zu einem zweiten Treffen in Vietnam im Februar 2019, das jedoch abgebrochen wurde, weil man sich nicht über die Lockerung der Sanktionen einigen konnte. 

Vor etwa einem Jahr, im Sommer 2019, trafen sich Trump und Kim erneut, diesmal in der entmilitarisierten Zone auf neutralem Boden, bis Trump vor laufenden Kameras auf die nordkoreanische Seite trat. Auch hier kam außer den optischen Spielereien kaum etwas Konkretes zustande. Im Frühjahr 2020 startete Nordkorea erneut Raketentests. Weitere Verhandlungen liegen vorerst auf Eis.

War sonst noch etwas? Ja. Präsident Trump hat sein „America first“-Versprechen auch insofern verfolgt, als er die Vereinigten Staaten auf internationaler Bühne hier und da vom Parkett geholt hat: Unter ihm hat Amerika das Pariser Klimaabkommen verlassen, die WHO, den UN-Menschenrechtsrat, auch den INF-Vertrag zur Abrüstung zwischen Amerika und Russland. Während eines TV-Duells hatte Trump angekündigt, Hillary Clinton strafrechtlich zu verfolgen. Im Amt ließ er diese Idee vernünftigerweise fallen. Nützlicher war dagegen die Ankündigung, auf sein Gehalt von 400 000 Dollar als Präsident zu verzichten und es Monat für Monat an karitative Einrichtungen zu spenden. 

Wird die Trump-Show bald abgesetzt?

Natürlich ist noch vieles mehr während der vergangenen dreieinhalb Jahre passiert. Oft wurde Trump von den Gerichten ausgebremst, manchmal merkt man, dass ihm die Erfahrung in politischen Prozessen fehlt, dass er nicht weiß, wie man Koalitionen bildet und Kompromisse eingeht, um respektable Ergebnisse einzufahren. Doch momentan sieht das Stimmungsbild im Land so aus, als ob das, was Donald Trump gelungen ist, für eine Wiederwahl nicht ausreicht. Juli-Umfragen sagen selten den November-Sieger voraus, noch kann viel passieren. Besonders in der heutigen Medienlandschaft kann ein falsch verstandener Satz, ein fataler Auftritt beim Fernsehduell oder ein ungünstiges Foto Stimmungen erzeugen und Vertrauen zunichtemachen. 

Derzeit scheint jedenfalls der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden die Nase vorn zu haben. Trump, der einstige Outsider, hat sich selbst entzaubert. Wie bei seiner Sendung „The Apprentice“ werden die Quoten nach und nach schlechter. Irgendwann wurde die Show abgesetzt.

Die Erregungsschlagzahl der Trump-Regierung wirkt inzwischen ermüdend auf das Volk: Was hat er jetzt schon wieder gesagt? Als Mr. Nice Guy hat Trump sich nie aufgedrängt – sondern als Spieler, der Deals zustande bringt. Als „Chaos Agent“ wird man ihn wohl in Erinnerung behalten. Dabei hätte Trump als Nichtpolitiker durchaus andere Ideen und Sichtweisen mitbringen und trotzdem in die Rolle des President of the United States hineinwachsen können. Politik ist ein fortlaufender Prozess, sie ändert sich, erfindet sich neu, greift Ideen auf, setzt Impulse. Die Rolle des Präsidenten jedoch ist altbewährt, sie beruht auf gewissen Normen und Verhaltensweisen. Genau damit gebrochen zu haben, das wird vielleicht Trumps größtes Vermächtnis bleiben. 

Warum man Trump noch nicht abschreiben darf

Dass er das Amt benutzt hat, um sich Vorteile zu verschaffen oder sogar zu bereichern, mag ihm der ein oder andere Amerikaner noch nicht einmal übel nehmen. Die USA hatten schon immer ein spezielles Verhältnis zu Tricksern, deren Erfolg faszinierender wirkte, als dass er abstoßend war. Und wer sucht nicht den eigenen Vorteil in einer Gesellschaft, die viel abverlangt und wenig gibt? 

Was die Menschen in den USA hingegen überhaupt nicht gern mögen, ist ein Präsident, der verlacht wird in aller Welt. Die Präsidentschaft ist ein amerikanisches Ideal. Und die Vereinigten Staaten haben in diesem Amt große Männer hervorgebracht, die Kriege führen und Konflikte moderieren mussten, die die Demokratie verteidigt haben, die ein zerrissenes Land vorfanden. Die bedeutendsten unter ihnen fanden zur Aussöhnung oft eine Sprache, die leuchtete, wenn es darauf ankam, weil sie Trost spendete. Trumps Sätze sind selten von ausgesuchter Schönheit, seine Worte lassen das Land nicht heller strahlen.

Dennoch hat er die bevorstehende Wahl noch längst nicht verloren. Was Donald Trump als politischen Spieler nämlich so faszinierend und gleichzeitig unberechenbar macht, ist, dass er sich wie jeder gut skizzierte Filmbösewicht für den eigentlichen Helden der Geschichte hält. Und Heldenfiguren darf man nie abschreiben.

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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