Schweden nach der Wahl - Rechtsruck ins politische Chaos

In Schweden deutet sich ein Machtwechsel an. Nach jüngsten Berechnungen wird der bürgerlich-rechte Block unter Ulf Kristersson 175 der 349 Sitze im schwedischen Parlament („Riksdag“) erhalten, gerade einen mehr als der rote Block unter der sozialdemokratischen Regierungschefin Magdalena Andersson. Die rechten Schwedendemokraten spielen dabei eine besondere Rolle.

Anhänger der Schwedendemokraten feiern den Wahlerfolg ihrer Partei / dpa
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Jens Mattern (Foto Ralph Weber) berichtet als freier Journalist für deutsche Medien aus Polen.

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In Schweden deutet sich ein Machtwechsel an. Nach jüngsten Berechnungen wird der bürgerlich-rechte Block unter Ulf Kristersson 175 der 349 Sitze im schwedischen Parlament („Riksdag“) erhalten, gerade einen mehr als der rote Block unter der sozialdemokratischen Regierungschefin Magdalena Andersson. 

„Ich bin bereit alles dafür zu tun, eine neue, stabile und handlungsstarke Regierung für ganz Schweden und alle Mitbürger zu schaffen,“ so der 59-jährige Chef der liberal-konservativen Moderaten. Ein Wunsch, der vielen Schweden aus dem Herzen spricht, schließlich war die sozialdemokratische Minderheitsregierung durch Misstrauensanträge und Konflikte der sie unterstützenden Parteien sehr instabil.

Schwedendemokraten pochen auf Einfluss

Die schwedische Traditionspartei erhielt erneut die meisten Stimmen, über 30 Prozent der Wählerschaft. Doch vermutlich ist der Wunsch nach Stabilität nur ein frommer. Denn die Moderaten wurden mit 19 Prozent der Stimmen nur drittstärkste Kraft, auf Platz zwei stehen die rechten Schwedendemokraten mit über 20 Prozent. Ihr Chef, Jimmie Akesson, verlangt deshalb selbstbewusst nach Einfluss. „Kommt es zum Machtwechsel, werden wir eine zentrale Position haben. Unser Ambition ist es, in der Regierung zu sein.“
 

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Auch will Akesson das Amt des Regierungschefs diskutieren. Doch eine Beteiligung in Form von Ministerposten der Rechten, schloss Kristerssons politischer Fahrplan klar aus.  Sein Konzept war, mit den kleineren Christdemokraten und den Liberalen eine Minderheitsregierung zu bilden, die dann von den Schwedendemokraten „toleriert“ wird. Eine klassische Lösung im konsensbewussten Skandinavien. 

Dass die Schwedendemokraten zum Abnicken zu groß und machtbewusst sind, war allerdings schon im Vorfeld erkennbar, die Umfragen prognostizierten deren Zuwachs recht genau. Denn das langjährige Haus-Programm der Rechten, die Kritik an der schwedischen Einwanderungspolitik, war 2022 das größte Wahlthema – auch wegen der Bandenkriege in den Vororten. Bislang kamen dieses Jahr 47 Menschen bei 280 Schießereien ums Leben, allesamt Opfer der Auseinandersetzungen um die Drogenreviere. Und die Gangs bestehen vornehmlich aus Migranten. 

Bruch mit einer lange gehegten Tradition

Erst vor zwei Jahren war die sozialdemokratische Regierung bereit, hier Zusammenhänge zu erkennen: „Wenn man eine Einwanderung hat mit einer Größenordnung, die eine Integration erschwert, so führt dies zu sozialen Spannungen,“ formulierte es der damalige Premierminister Stefan Löfven vorsichtig. Doch damit brach er mit einer lange gehegten Tradition der einflussreichen Partei.

Schweden setzt seit den 70er Jahren eine großzügige Einwanderungspolitik um, die auf den charismatischen Ministerpräsidenten Olaf Palme zurückgeht und der das sozialdemokratische Selbstbild des Landes von einer „humanitären Großmacht“ prägte. Das Problem der Sozialdemokraten, die seit acht Jahren regierten, war nicht, dass sie angesichts der Kriminalität in den Vororten untätig waren, sondern dass die Maßnahmen nicht griffen. So riefen sie 2019 ein 34-Punkte-Programm der Polizei zur Verbrechensbekämpfung ins Leben. Die Gefängnisse füllten sich, doch geschossen wurde weiterhin. 

Sogar Umsiedlungen wurden diskutiert

Die gern energisch auftretende Finanzexpertin und Sozialdemokratin Magdalena Andersson, die im Dezember den amtsmüden Löfven abgelöst hatte, setzte im Wahlkampf dann auf noch mehr „Law and Order“-Sprüche. Härtere Strafen, sogar Umsiedlungen wurden diskutiert, nach dem Vorbild Dänemarks. 

Gleichzeitig wurden und sind die Sozialdemokraten nicht müde, vor den Schwedendemokraten als Gefahr für die Demokratie zu warnen. Doch an ein Abkommen, mit den Schwedendemokraten nicht zu kooperieren, halten sich die Moderaten und die Christdemokraten schon seit zwei Jahren nicht mehr. Die bürgerlichen Parteien haben hier der Pragmatik der Macht Vorrang vor den ideologischen Untiefen gegeben. 

Denn der Werdegang der Schwedendemokraten ist verbunden mit dem Neonazi-Milieu der 70er und 80er Jahre. Dies wurde dieses Jahr durch ein von der Partei selbst geordertes „Weißbuch“ klar dokumentiert, also nichts Neues. Mit Akesson, der 2005 die Partei übernahm, wurde das Parteilogo „Fackel“ dann durch ein Leberblümchen abgelöst, und einige Extremisten aus der Partei entfernt. Heute nennt sich die Partei selbst „sozial-konservativ“, scheut aber auch die Charakterisierung „nationalistisch“ nicht. 

Arbeitslosenquote bei den Jungen bei 13 Prozent

Für viele bürgerliche Wähler kommt eine direkte Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten daher nicht infrage. Vor allem die Liberalen, die Partei mit den wenigsten Stimmen (4,6 Prozent), könnte dies nicht dulden. Sollte Kristersson, der als drahtiger Managertyp wenig volksnah wirkt, hier dem Druck der Schwedendemokraten nachgeben, würde er seine Regierung auf einem gebrochenen Wahlversprechen aufbauen. 

Die andere Version wäre das angekündigte Konzept einer bürgerlichen Minderheitsregierung, bei der die Rechten jedoch viel Mitspracherecht einfordern würden. Zu ihren Versprechungen gehörte nämlich nicht nur, straffällige Migranten in die Gefängnisse ihrer Herkunftsländer abzuschieben, sondern auch, die Benzinpreise zu senken sowie die Ausgaben für den Wohlfahrtsstaat zu erhöhen.

Die Erwartungshaltung ihrer Wähler ist hoch, schließlich konnte sich die Partei bislang nur auf kommunaler Ebene unter Beweis stellen. Und selbst wenn die Moderaten auf eine harte Linie in den Vororten setzen, so haben diese eine wirtschaftsliberale Ausrichtung und wollen mit Lockerungen im bislang strengen Arbeitsrecht für mehr Jobs sorgen. Die Arbeitslosenquote der Schwedinnen und Schweden im Alter von 15 bis 24 Jahren liegt bei über 13 Prozent. 

Auch große Koalition ist ein Thema

Die Chancen auf ein politisches Chaos stehen in Schweden also hoch. So hoch, dass die Sozialdemokraten das letzte Register ziehen und die „deutsche Lösung“ nicht mehr ausschließen wollen – die große Koalition mit den Moderaten. So deutete es Parteisekretär Tobias Baudin am Montag an. Davon war jedoch während des Wahlkampfes keine Rede. Es wäre eine Koalition, die die Schwedendemokraten in den nächsten vier Jahren wohl noch größer machen würde. 

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