Putsch in Gabun - Frankreich und der Bongo-Clan

Von dem kleinen, erdölreichen westafrikanischen Staat Gabun hört und liest man kaum je in unseren Medien. Gestern jedoch rückte die ehemalige französische Kolonie überraschend in die Schlagzeilen. Was war geschehen?  

Der abgesetzte Präsident Ali Bongo Ondimba in seiner Residenz / dpa
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Autoreninfo

Alfred Schlicht ist promovierter Orientalist und pensionierter Diplomat. 2008 erschien sein Buch „Die Araber und Europa“. Sein Buch „Das Horn von Afrika“ erschien 2021, beide im Kohlhammer-Verlag.

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Ein Militärcoup hat am Mittwoch nach Wahlen die jahrzehntelange Herrschaft der Familie Bongo im zentralafrikanischen Gabun beendet; General Nguema, Chef der Präsidentengarde, wurde zum Interimspräsidenten ausgerufen. Das Ergebnis der Wahlen, bei denen am vergangenen Samstag der bisherige Präsident Ali Bongo mit über 64% der Stimmen erneut zum Präsidenten des Landes gewählt worden sei, wurde von den Militärs des Landes nicht anerkannt. Sie erhoben den Vorwurf der Wahlfälschung und der unverantwortlichen Regierungsführung.

In der Tat standen die Wahlen von Anfang an unter keinem guten Stern. Kurz vorher wurden die Wahlzettel verändert, internationale Beobachter waren nicht zugelassen, internationale Journalisten wurden abgewiesen. Nach der Wahl wurde das Internet abgeschaltet, eine Ausgangssperre verhängt, und die Regierung Bongo erhob Vorwürfe gegen Medienvertreter, sie berichteten nicht objektiv. Der Sturz des langjährigen Präsidenten, der vier Tage später erfolgte, kam dann zwar überraschend, doch hatte sich in Gabun bereits seit Jahren Unzufriedenheit spürbar gemacht. 

56 Jahre herrscht eine Familie mit Frankreichs Segen 

Bereits 2016 hatte ein denkbar knapper Wahlausgang zu gewaltsamen Protesten geführt, und 2019 hatte es einen Umsturzversuch gegeben, der zwar fehlschlug, aber doch deutlich machte, dass auch im Militär der Widerstand gegen die jahrzehntelange Bongo-Autokratie wuchs. 

1960 war das Land von der Kolonialmacht Frankreich in die Unabhängigkeit entlassen worden. Dies war damals nicht unumstritten, denn es gab durchaus politische Stimmen im Land, die für Gabun lieber eine Zukunft als französisches Überseedepartement gesehen hätten. 

1967 übernahm dann Omar Bongo mit französischer Billigung die Führung des Staates, an dessen Spitze er sich bis zu seinem Tod 2009 hielt. Schon zu seiner Zeit gab es Wahlen, die mit großer Mehrheit zugunsten Bongos ausgingen – schon damals erhob die Opposition den Vorwurf der Wahlfälschung. Bei Omar Bongos Beerdigung waren zahlreiche französische Würdenträger zugegen, allen voran der amtierende Staatspräsident Sarkozy und der ehemalige Präsident Chirac sowie eine ganze Riege französischer Minister.

 

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Kritiker erheben den Vorwurf, Omar Bongo habe Gelder der Banque des États de l’Afrique centrale veruntreut und sie französischen Politikern und Parteien zugeschanzt. In jedem Fall hat er es verstanden, umfangreiche Beziehungsnetze in Afrika und Europa zu flechten. Immer wieder berichtete die Weltpresse (New York Times, Le Monde) über Geldanlagen Bongos in märchenhafter Höhe in Europa und in den USA. Immer wieder ermittelten Gerichte wegen seiner Finanztransaktionen. 

Bezeichnend ist, dass ausgerechnet sein Sohn Ali auch sein Nachfolger wurde, der bereits zu Lebzeiten des Vaters Minister gewesen war. Auch er hielt die guten Beziehungen zu Frankreich aufrecht und lebte sehr gut vom Ölreichtum des Landes, der nur einer kleinen Elite zugute kam, nicht der großen Masse der Bevölkerung. Viele Menschen leben in Gabun sogar in regelrechter Armut. Allerdings wurden schöne Nationalparks eingerichtet. Besuchern, die als Touristen ins Land kamen, bot sich das Bild eines positiven Afrika

Neue Hoffnung durchs Militär? 

Nach dem Putsch vom 30. August herrscht Jubel in der gabunischen Hauptstadt Libreville. Offensichtlich sympathisieren zumindest Teile der Bevölkerung mit den Putschisten. Verständlich, wenn man bedenkt, dass die Mehrheit im Land wenig hatte vom Reichtum Gabuns, der nur einer kleinen Gruppe an der Spitze zugutekommt. International kamen bisher sehr zurückhaltende Stellungnahmen. Man wolle genau beobachten, hieß es z.B. aus Moskau, und sei „zutiefst besorgt“. Frankreich verurteilte den Putsch – verständlich nach Jahrzehnten guter Kooperation mit der Familie Bongo. Bisher lässt nichts vermuten, dass es sich um einen Coup nach dem Muster der letzten Monate in Afrika handelt – also um einen Versuch, westlichen Einfluss einzudämmen. 

Möglicherweise hatte man im Militär genug von Jahrzehnten der Sippenwirtschaft, Kleptokratie und Korruption bei gleichzeitiger Massenarmut. Unter ähnlichen Bedingungen haben schon viele Machtwechsel in Afrika stattgefunden. Das Militär putschte und versprach den Menschen im Land einen Neuanfang. Oft kam bald die Enttäuschung, wenn klar wurde, dass nur eine andere Seilschaft, eine neue Elite an die Macht und an die Quellen des Reichtums gekommen war. Dem Volk von Gabun wäre zu wünschen, dass es diesmal anders ist und der breiten Bevölkerung der Reichtum des Landes zugutekommt. 

Gabun hat das Potenzial zu einem Hoffnungsträger. Es wäre zu wünschen, dass Gabun eine bessere Entwicklung nimmt als viele andere afrikanische Staaten. 

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