Proteste im Kongo - Propagandaschlacht um Afrika

Russland ist auf der Suche nach neuen Bündnis- und Wirtschaftspartnern im „globalen Süden“. Besonders in Afrika verfängt Moskaus Propaganda-Offensive gegen den Westen. Es geht vor allem um Ressourcen, die für den Übergang zur „grünen“ Energieerzeugung von Bedeutung sind.

Ein Soldat im Osten des Kongo / dpa
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Ronan Wordsworth ist Analyst bei Geopolitical Futures.

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Vor zwei Wochen wurde die Demokratischen Republik Kongo von massiven Protesten erschüttert. Was in der Hauptstadt Kinshasa in der Nähe der Botschaften der USA und Frankreichs sowie der UN-Einrichtungen begann, breitete sich schließlich auf kleinere Städte im Osten des Landes aus, wo der Konflikt mit den Rebellengruppen von „M23“ andauert, der die Proteste überhaupt erst ausgelöst hatte. Der Vorfall ist Teil eines größeren Szenarios, bei dem die afrikanischen Nationen dem Westen zunehmend ablehnend gegenüberstehen und bei dem Länder wie China und Russland versuchen, die Lücke zu füllen.

Tatsächlich ähneln die in den kongolesischen Protesten zum Ausdruck gebrachten Stimmungen jenen, die schließlich zu Militärputschen in der sogenannten Allianz der Sahel-StaatenMali, Niger und Burkina Faso – führten, wo Militärregime an die Macht kamen, nachdem sie gewählte Regierungen mit dem Versprechen gestürzt hatten, die Beziehungen zu ehemaligen Kolonialmächten und anderen westlichen Partnern, insbesondere Frankreich und den USA, abzubrechen. Ihr anschließender Austritt aus der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten und ihre Drohungen, den Franc aufzugeben, haben sie nur noch weiter isoliert. Das neue Bündnis soll also gemeinsame Sicherheit gegen die von ihnen wahrgenommenen Bedrohungen durch einen Regimewechsel von innen oder außen bieten.

Aus den Wagner-Milizen wurde das Afrikakorps

Russland sprang sofort als zusätzlicher Sicherheitsgarant ein, ganz im Sinne seiner Strategie, den Westen zu untergraben und so Einfluss in Afrika zu gewinnen. In der Tat verfolgt Moskau diese Strategie schon seit einiger Zeit, hat sie aber nach dem Krieg in der Ukraine auf die Spitze getrieben. Die vom Kreml finanzierte Söldnergruppe Wagner und mit ihr verbundene Organisationen führten diese Kampagne an, wurden aber nach der Auflösung von Wagner und der Gründung einer neuen Einheit namens Afrikakorps in das russische Militär eingegliedert. Das Afrikakorps wurde eingesetzt, um wacklige Regime im Austausch für den Zugang zu Mineralien und anderen natürlichen Ressourcen zu schützen. Vorige Woche beispielsweise sicherten sich russische Truppen in Mali den Zugang zum größten Goldabbaugebiet des Landes und begannen mit dem Abbau. Ähnliche Operationen finden auch in anderen Ländern statt, darunter in der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan und in Burkina Faso.

Moskaus übergeordnetes Ziel ist die Schaffung eines alternativen globalen Blocks in Anlehnung an die Zeiten des Kalten Krieges. Dieses Unterfangen setzt voll auf russische Propaganda, die zumindest teilweise zur Abkehr vom Westen beigetragen hat. Erst unlängst erklärten US-Beamte öffentlich, dass im Rahmen einer neuen Propaganda-Operation des russischen Geheimdienstes in Afrika das Pentagon beschuldigt wurde, biologische Forschungsprogramme an der afrikanischen Bevölkerung unter dem Deckmantel öffentlicher Gesundheitsprogramme zu testen. Ziel dieser Operation ist es natürlich, den Einfluss der USA zu untergraben, insbesondere indem der durch die Gesundheitsprogramme erzeugte potenzielle gute Wille zunichte gemacht wird und die Beziehungen der Regierung zu Washington und Europa gestört werden, da die Bevölkerung mit Empörung reagiert. Moskaus Bemühungen, die Informationspolitik zu manipulieren und zu dominieren, haben deutlich zugenommen, da es versucht, die Vorstöße Washingtons zu vereiteln, Russland nach seinem Einmarsch in der Ukraine zu isolieren. Die Proteste deuten darauf hin, dass sich diese Bemühungen auszahlen.

Der Westen will China verdrängen

Die Proteste sind jedoch nicht gänzlich fremdbestimmt. Der Kongo gilt als geopolitisch äußerst wichtiges Land; seine Größe und seine Ressourcen wie Kobalt, Kupfer und Coltan sind für den Übergang zur „grünen“ Energieerzeugung von entscheidender Bedeutung. Dies erklärt den neuerlichen Wettbewerb in diesem Land; Frankreich etwa versucht seit Jahren, die Beziehungen zu Kinshasa zu vertiefen. Der Westen legt es darauf an, China zu verdrängen, das in dem Land fest Fuß gefasst hat, aber Kinshasa hat Peking kürzlich auch Ausbeutung vorgeworfen und eine Neuverhandlung der Bedingungen für den Mineralienhandel gefordert. In Verbindung mit Russlands Propagandavorstoß ist es leicht zu verstehen, warum die Kongolesen den westlichen Einfluss satt haben könnten. Ganz zu schweigen von der Rebellengruppe M23, die auf ihrem Vormarsch im Osten Tausende vertrieben hat. Viele beschuldigen die Gruppe, von Ruanda unterstützt zu werden, das nach Ansicht der Demonstranten dazu beitragen könnte, den Kreislauf der Gewalt zu beenden, wenn es von westlichen Regierungen angemessen unter Druck gesetzt würde.

 

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Für Russland dient die diplomatische Offensive mehreren Zwecken. Politisch gesehen ist es wichtig, nichtwestliche Verbündete zu gewinnen, da Moskau zunehmend isoliert wird. Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Schritt unumstritten: Rohstoffexporte sind für die afrikanischen Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung, die gerne an Russland verkaufen, da es auf der Suche nach nichttraditionellen Handelspartnern ist. Gemeinsam mobilisieren sie die Unterstützung gegen den Westen und verringern die Wirksamkeit der vom Westen verhängten Sanktionen.

Fällt als nächstes der Tschad?

Während sich die Unruhen im Kongo ausbreiten, wird es wichtig sein, den Tschad zu beobachten – ein weiteres Land, das potenziell anfällig für antiwestliche Ängste und russische Annäherungsversuche ist. Der Tschad ist der letzte enge Verbündete Frankreichs in seinen früheren afrikanischen Besitzungen. Inmitten einer Vielzahl von Bedrohungen – von von Rebellen kontrollierten Regionen in Libyen und im Sudan über eine mit Russland verbündete Regierung in der Zentralafrikanischen Republik bis hin zu einer offen feindseligen Militärjunta in Niger – ist das Land zu einem wichtigen Sicherheitspartner geworden, der mehrere französische Militäreinrichtungen beherbergt. Obwohl der Tschad immer noch im Einflussbereich Frankreichs liegt, hat Moskaus afrikanisches Engagement das Land tatsächlich näher an Russland herangeführt. Präsident Mahamat Idriss Deby besuchte vor kurzem die russische Hauptstadt, wo er nicht nur sagte, dass Russland ein Freund des Tschads sei, sondern auch, dass es dies noch viele Jahre lang bleiben könnte.

Aus diesem Grund sind die Proteste im Kongo so wichtig. Ungeachtet der russischen Propaganda hat Washington seine Unzulänglichkeiten in der Region erkannt und versucht, sie zu überwinden, auch wenn in einigen Fällen der Imageschaden bereits eingetreten ist. Es ist klar, dass Moskau auf Kosten Washingtons bereits Fortschritte gemacht hat, und es gibt viele andere Orte, an denen es dies auch in Zukunft tun kann.

Auch wenn die langfristigen Auswirkungen noch unklar sind, würde eine völlige Abkehr vom Westen diesen mit Sicherheit seines Zugangs zu wichtigen Mineralien berauben – gerade als es den Anschein hatte, dass Washington und Europa bessere Partnerschaften zu deren Gewinnung aufbauten – und Russland dabei helfen, seine wirtschaftliche und politische Isolation abzuwenden.

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