Zukunft des Bündnisses - Die Europäer werden mehr für die Nato und die Ukraine zahlen

Innerhalb der Nato ist eine Verschiebung der Lasten für das Bündnis selbst und die Unterstützung der Ukraine absehbar. Generalsekretär Jens Stoltenberg hat schon einen Plan.

Niederländische Soldaten bei der Nato-Übung Steadfast Defender, 10.04.2024 / picture alliance
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Antonia Colibasanu ist Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University mit Sitz in Bukarest.

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Vorige Woche hat die Nato ihr 75-jähriges Bestehen gefeiert. Dieser Moment wurde natürlich von Gesprächen über die Zukunft des Ukraine-Krieges und die Unterstützung der Allianz für Kiew begleitet. Am Mittwoch schlug Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor, einen Fonds mit 100 Milliarden Euro einzurichten, um die Ukraine in den nächsten fünf Jahren militärisch zu unterstützen.

Die Idee wurde mit gemischten Reaktionen aufgenommen. Bis vor kurzem wurde die freiwillige westliche Unterstützung für die Ukraine durch die Ramstein-Gruppe (vormals Ukraine Defense Contact Group) koordiniert, eine von den USA geführte Koalition aus 56 Ländern, darunter alle 32 Nato-Mitglieder. Es wird erwartet, dass die Nato-Verbündeten den Vorschlag auf ihrer Tagung im Juli erörtern werden. Die europäischen Mitglieder werden ihn wohl annehmen, um ihre anhaltende Unterstützung für Kiew zu signalisieren.

Viele Details stehen noch zur Debatte, aber Stoltenbergs Plan sieht einen Fonds vor, der sich aus Beiträgen der Nato-Mitglieder zusammensetzt und der Ukraine in den nächsten fünf Jahren finanzielle Unterstützung bieten soll. Das Geld würde die Unterstützung der USA für die Ukraine ergänzen, während der Kongress in Washington ein wichtiges Hilfspaket in Höhe von 60 Milliarden Dollar zurückhält. Für Europa liegt der Hauptgrund für diesen Plan in der Sorge, dass die Position der europäischen Länder innerhalb der Nato gefährdet werden könnte, falls Donald Trump im November die Präsidentschaft gewinnt. Tatsächlich scheint Trumps Auftritt bei der Conservative Political Action Conference im Februar – wo er von seinem Wunsch nach Vergeltung an Menschen, Ländern und Organisationen sprach, von denen er glaubt, dass sie ihn schlecht behandelt haben – die europäischen Regierungen dazu veranlasst zu haben, auf mehr Maßnahmen in Bezug auf die Ukraine zu drängen, da die europäischen Nato-Mitglieder ganz oben auf Trumps Liste der Gegner stehen.

 

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Gleichzeitig hat auch die Innenpolitik in den führenden europäischen Ländern, vor allem in Deutschland und Frankreich, eine Rolle gespielt. In Deutschland gaben in einer kürzlich durchgeführten Umfrage etwa 82 Prozent der Befragten an, dass sie die Nato für die Sicherung des Friedens in Europa für wichtig halten, während nur etwa 10 Prozent sie für unnötig halten. Selbst unter den Anhängern populistischer Parteien, die sich kritisch zur Nato äußern, wie die Alternative für Deutschland und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht, ist nur eine Minderheit für eine Auflösung des Bündnisses. 

Rückhalt unter den Deutschen wächst

Darüber hinaus sind sieben von zehn Deutschen der Ansicht, dass die Gefahr für den Frieden und die Sicherheit in Europa ernst oder sehr ernst ist – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu vor fünf Jahren. Das Ergebnis dieses wachsenden Unbehagens scheint eine verstärkte Unterstützung für die Nato zu sein, die den Plan Deutschlands unterstützt hat, sein Militär rasch aufzurüsten. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 stellte Bundeskanzler Olaf Scholz einen Sonderhaushalt in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr auf. Der Großteil des Geldes ist in Aufträgen für teure Rüstungsgüter gebunden. Zudem ist Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) laut aktuellen Umfragen der mit Abstand beliebteste Politiker in Deutschland.

Die Situation in Frankreich ist etwas anders. Die Sorge der Führung um die Ukraine scheint größer zu sein als die der französischen Öffentlichkeit, die sich mehr mit den sozioökonomischen Problemen des eigenen Landes beschäftigt. Umfragen zufolge ging die französische Wirtschaftstätigkeit im März den elften Monat in Folge zurück, da die Nachfrage nach französischen Waren und Dienstleistungen nachließ und die Beschäftigung sank. Darüber hinaus versucht Paris, die Finanzmärkte zu beruhigen, nachdem die im vorigen Monat veröffentlichten offiziellen Zahlen gezeigt haben, dass das öffentliche Defizit für 2023 die Ziele der Regierung übersteigt. Da Frankreich bereits hohe Zinssätze und das ungünstigste Verhältnis zwischen Steuern und Bruttoinlandsprodukt in Europa aufweist, erwägt die Regierung Kürzungen bei den Sozialleistungen und den Haushalten der Kommunen – ein politisch heikler Schritt in einem Land, das sein soziales Sicherheitsnetz sehr schätzt.

Macron will sich als Akteur behaupten

Es scheint also, dass der französische Präsident Emmanuel Macron versucht hat, die öffentliche Aufmerksamkeit abzulenken, indem er mehr Hilfe für die Ukraine und kürzlich sogar Truppen vor Ort forderte. Frankreichs fiskalische Realitäten mögen Macrons Forderung nach einer weiteren gemeinsamen Kreditaufnahme zur Finanzierung europäischer Sicherheitsprogramme behindern, aber seine Ambitionen, Europa in Kriegszeiten zu führen, bleiben bestehen. Schließlich verfügt Frankreich im Gegensatz zu Deutschland seit langem über ein beeindruckendes Militär und muss es nicht erst wieder aufbauen. 

Paris konzentriert sich daher auf die öffentliche Wahrnehmung, während es versucht, sich als wichtiger Akteur in der Ukraine zu behaupten – was der Schlüssel zur Stärkung seiner Position in Europa und innerhalb der Nato sein wird. Frankreich ist sich auch der Möglichkeit bewusst, dass die USA bald erwarten könnten, dass Europa einen größeren Teil der Last für die Ukraine übernimmt (insbesondere wenn Trump Präsident wird), was eine Übertragung der Verantwortung von den USA auf ihre europäischen Partner erfordern würde.

Die Verschiebung der Lasten

Die Tatsache, dass sich die Nato in Zukunft möglicherweise eher auf eine Lastenverschiebung als auf eine Lastenteilung konzentriert, ist auch der Grund dafür, dass Frankreich versucht hat, seine Bemühungen zur Unterstützung Kiews zu unterstreichen. Nach Angaben des französischen Verteidigungsministeriums beläuft sich der Wert der bis Ende 2023 an Kiew gelieferten französischen Militärausrüstung auf 2,6 Milliarden Euro. Weitere 1,2 Milliarden Euro steuerte Paris zur Europäischen Friedensfazilität bei, so dass sich die Gesamtausgaben für die Ukraine auf 3,8 Milliarden Euro beliefen.

Die Beiträge der USA übertreffen jedoch immer noch die von Frankreich. Nach Angaben des in Washington ansässigen Council on Foreign Relations haben die USA umgerechnet 69,1 Milliarden Euro für die Finanzierung und Ausrüstung der Ukraine ausgegeben, 18 Mal mehr als Paris. Nach Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft haben jedoch die EU-Institutionen zusammengenommen die meiste militärische, humanitäre und finanzielle Hilfe für die Ukraine geleistet, gefolgt von einzelnen Staaten wie den Vereinigten Staaten, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Dänemark. Diese Zahlen zeigen, dass Europa bereits in einer guten Position ist, um seinen Anteil an der Last zu erhöhen.

Russland wird diese Maßnahmen in den kommenden Wahlkämpfen in den westlichen Ländern sicherlich ausnutzen und den Westen als Aggressor und Haupthindernis für eine Beilegung des Konflikts darstellen. All dies wird im Vorfeld des Nato-Gipfels im Juli sorgfältig geprüft werden.

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