Joe Bidens außenpolitische Grundsatzrede - Zurück auf die große Weltbühne

Joe Biden hat seine erste außenpolitische Grundsatzrede gehalten. Seine geplanten Veränderungen sind vielfältig und betreffen die Klimapolitik ebenso wie einen gewandelten Umgang mit den Bündnispartnern. Die grobe Richtung ist offensichtlich: „Alles anders als Trump“.

Joe Biden, Präsident der USA, spricht im Außenministerium über Außenpolitik / dpa
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Schon der Besuch setzt ein Ausrufezeichen. Denn gewöhnlich lautet die außenpolitisch symbolträchtigste Frage nach dem Amtsantritt: Wohin reist der Präsident in seiner ersten Auslandsreise? Das muss derzeit warten und so kann Joe Biden das Ziel der ersten Auslandsreise seines Vorgängers, Riad in Saudi-Arabien, nur symbolisch konterkarieren. Einerseits, indem er als erstes Ministerium das Außenministerium besucht und andererseits, indem er die (nicht mehr sehr große) Unterstützung der USA für Saudi-Arabien im Jemen-Krieg streicht.

So hatte Bidens Besuch im State Department gleich drei Adressaten: erstens die Mitarbeiter vor Ort und weltweit, die nach einer Phase offensiver Missachtung in den letzten vier Jahren nach Anerkennung und einem diplomatischen Aufbruch lechzen. Zweitens die Verbündeten, die im Mittelpunkt von Bidens Rede standen. Und drittens die Herausforderer, die er, bestimmt im Ton und in der Sache unnachgiebig, ansprach. Dabei kam China besser weg als Russland, das als Exempel für die autoritäre Herausforderung an die westliche Welt hervorgehoben wurde. 

Wie schon in den letzten Tagen hat Joe Biden deutlich gezeigt, dass er nicht lange wartet und deshalb den Kern seiner Außenpolitik skizziert. Wenn man so will die Biden-Doktrin (denn in dieser Frage will er über seinen früheren Präsidenten hinaus; Obamas Doktrin „Mach keine dummen Dinge“ ist ihm doch zu wenig). Die Biden-Doktrin lautet, dass internationale Führung machtpolitische und moralische Stärke gleichzeitig verlangt. Die überragende Wirtschaftskraft traut er den USA zu: unter fairen Bedingungen könne niemand die USA schlagen.

Moralische Stärke müsste sich das Land allerdings erst noch hart erarbeiten – zu Hause und global. Deshalb hängen die Verteidigung der Demokratie im Land und weltweit für ihn zusammen. Innenpolitik ist Außenpolitik. Strukturellen Rassismus zu überwinden, liberale Rechte zu gewährleisten, Meinungsfreiheit zu garantieren, das alles konstituiert das Beispiel, das die USA der Welt geben wollen und aus dem die eigentliche Führungsmacht des Landes erwächst. Die freie Presse ist kein Feind, das war erneut ein Schlag auf Trumps Populismus. 

Im Interesse Amerikas

Joe Biden hat den USA damit eine große Aufgabe gestellt, zugleich aber für sein Land auch die internationale Führungsrolle reklamiert. Gegen die autoritäre Herausforderung Russlands und Chinas; für die Lösung der globalen Probleme von Pandemie, Klimawandel und nuklearer Proliferation; für die Aufwertung der Allianzbeziehungen in Amerika, Europa und Asien als kraftvolle Allianz der Demokratien; für Menschenrechte und Demokratie, den entscheidenden Vorteil der Weltmacht USA. Aus dieser Position der machtvollen und moralischen Stärke geht es Bidens Vorstellung gemäß darum, die weltpolitischen Gegner einzubinden in ein Regelwerk, das gemeinsame Lösungen für gemeinschaftliche Probleme eröffnet. So kündigte er an, die Flüchtlingspolitik neu auszurichten und im ersten Jahr 125.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Quasi als ein Baustein moralischer Führung. 

Parallel öffnete der amerikanische Präsident aber immer wieder den Blick in den amerikanischen Eigennutz. Schon in der Ankündigung Bidens formulierte Außenminister Blinken die diplomatische Richtschnur: Was nutzt diese Politik den USA und wie verbessert sie das Leben ihrer Bürger? Darauf kam Biden zurück, wenn er ankündigte, die Cyber-Resilienz zu stärken, das militärische Engagement zu überprüfen und die diplomatischen Initiativen mit einer Stärkung der amerikanischen Demokratie zu koppeln. Für die Bürger müssten Sicherheit, Wohlstand und Freiheit gewährleistet werden. Er wies auf seine Initiative hin, amerikanische Produkte zu kaufen und versprach, dass die Investitionen in neue Technologien neue Märkte finden. Unter anderem, indem die USA schwache Staaten stärkten. Insgesamt aber gelte es Menschenrechte und demokratische Ordnungen zu unterstützen. Dabei kündigte er eine globale LGBTQ-Politik an. 

Abgrenzung gegenüber dem Vorgänger

„Alles anders als Trump“ war aber das eigentliche Motto der Rede. Selbst da, wo sich die Politik beider Administrationen überschneiden – bei der Förderung der amerikanischen Wirtschaft – grenzte er sich von seinem Vorgänger ab. Zurück ins Paris-Abkommen, zurück in die Weltgesundheitsorganisation, den New Start-Vertrag mit Russland zügig verlängern, den Truppenabzug aus Deutschland stoppen, die Diplomatie aufwerten, das sind nur einige Beispiele. Die USA sind zurück! Die Diplomatie ist zurück! Und das mit einem anspruchsvollen Ansatz, in der Neugestaltung der internationalen Ordnung Führung zu übernehmen. 

Daran wird sich die Außenpolitik der Administration Biden zukünftig messen lassen müssen. Sogleich aber müssen sich die Verbündeten der USA, die auf einen solchen Ansatz vier Jahre lang gewartet haben, fragen, wie sie ihn unterstützen können. Möglicherweise ist dies die größte Fehlkalkulation der amerikanischen Regierung, die den Wunsch nach Mitsprache bei den Allianzstaaten als Fähigkeit dazu verstanden hat.  Denn Bidens zentrales Politik-Element, dass die demokratischen Staaten eine kraftvolle Allianz unter Führung der USA bilden, setzt voraus, dass die anderen Staaten etwas beitragen können. Wir werden unsere Bündnisse wieder aufbauen, sagte Biden, und nannte die oben aufgeführten politischen Aufgaben gleich mit. Man wird rasch sehen, wer dieses Programm mitträgt und welchen Beitrag die Verbündeten leisten können.

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