Iranischer Angriff auf Israel - US-Strategie des indirekten Kriegseintritts

Die Strategie der USA im Iran-Israel-Konflikt ähnelt der in der Ukraine – Stärkung der Verbündeten mit starken Waffen bei gleichzeitiger Vermeidung von eigenen Opfern. Es geht Washington nicht primär darum, sich auf die Seite Israels zu stellen, sondern darum, den Iran zu bedrohen.

Der israelische Iron Dome wehrt Raketen am Himmel über der Chulaebene ab / dpa
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Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

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Die USA haben sich eine nationale Strategie zu eigen gemacht, die darauf abzielt, Gewalt anzuwenden, ohne dabei eigene Verluste zu riskieren. Diese Strategie wurde in der Ukraine deutlich, wo Washington eine bedeutende und vielleicht entscheidende Rolle spielte, indem es nicht Truppen entsandte, sondern die ukrainischen Streitkräfte mit Waffen ausrüstete und mit politischen Signalen und dem Potenzial einer verstärkten militärischen Präsenz versuchte, das russische Vorgehen zu beeinflussen. Diese Politik steht in krassem Gegensatz zu der in Vietnam, wo die USA massive Verluste hinnehmen mussten und schwerwiegende innenpolitische Auswirkungen zu spüren bekamen. Die Politik während der Operationen im Irak und in Afghanistan war eine Variation dieser Strategie.

Wenn wir geglaubt haben, dass die Intervention in der Ukraine eine einmalige Sache war, so legen die Ereignisse dieses Wochenendes vielleicht etwas anderes nahe. Aus Furcht vor einer iranischen Intervention gegen seinen Krieg gegen die Hamas feuerte Israel am 1. April Raketen auf ein iranisches Diplomatenlager in Damaskus ab und tötete dabei zwei Generäle und fünf weitere hochrangige Offiziere des Korps der Islamischen Revolutionsgarden. 

Der Iran reagierte am Wochenende mit dem Abschuss von Raketen und Drohnen auf israelische Ziele. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheinen sie nur sehr wenig Schaden angerichtet zu haben, da Israels vielschichtiges Raketenabwehrsystem die meisten Geschosse abgefangen zu haben scheint. Mit anderen Worten: Israel brauchte in diesem Fall nicht unbedingt Hilfe von außen.

USA setzt ein Zeichen in Richtung Teheran

Dennoch setzten die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich mit Raketenabwehrsystemen ausgerüstete Marineeinheiten ein, um iranische Raketen über Syrien, Irak und Jordanien abzufangen. Derzeit gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Iran amerikanische oder britische Einrichtungen ins Visier genommen hat – oder dass die Israelis Hilfe benötigten. Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass dies ein Signal an den Iran war, dass der Angriff auf Israel ein Eingreifen der USA und Großbritanniens nach sich ziehen könnte, wenn auch ohne Truppen vor Ort. Die USA haben eine lange und unangenehme Geschichte mit dem Iran und wollten Teheran daran erinnern, dass es im Falle einer Konfrontation mit Israel mehr als nur einen Feind haben würde.

 

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Es geht nicht darum, dass sich die USA auf die Seite Israels stellen, sondern darum, den Iran zu bedrohen. Das iranische Atomprojekt beunruhigt die Amerikaner schon seit geraumer Zeit, ebenso wie die Versuche des Irans, die Region nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Die Vereinigten Staaten betrachten die iranische Macht als eine Bedrohung für die amerikanischen Interessen. Israel mag ein amerikanischer Verbündeter sein, aber die Verteidigung Israels war nicht das Hauptmotiv Washingtons. Das war, den Iran von einem expansiven Verhalten abzuhalten.

Das Vorgehen Washingtons am Wochenende steht also im Einklang mit seinem Wunsch, keine Truppen in einen Krieg mit einem hoch motivierten Feind zu schicken, der auf seinem eigenen Terrain kämpft. Wenn ein Verteidiger sowohl motiviert als auch einigermaßen gut bewaffnet ist – wie es beispielsweise in Vietnam der Fall war –, können die USA aus strategischen und politischen Gründen keinen Konflikt auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten und Verluste in Kauf nehmen. Dennoch halten es die US-Strategen für wichtig zu zeigen, dass der Konflikt für die Vereinigten Staaten wichtig ist und dass sie bereit sind, die Kämpfe entsprechend zu gestalten – nur nicht mit Bodentruppen.

Neuer Kern der amerikanischen Strategie

Anders ausgedrückt: Die Strategie der USA im Nahostkonflikt ähnelt der in der Ukraine – Stärkung der Verbündeten mit starken Waffen bei gleichzeitiger Vermeidung von Opfern. Etwas Ähnliches scheint sich nun auch im Nahen Osten abzuzeichnen. So wie es den USA in der Ukraine weniger um die Ukraine selbst als um die Eindämmung Russlands geht, so geht es bei der US-Intervention im Nahen Osten weniger um die einfache Unterstützung Israels als um die Eindämmung des Iran. Das Abfangen einiger iranischer Raketen trägt nicht viel dazu bei, Israels Verteidigungsfähigkeit zu verbessern, aber es demonstriert die Absichten der USA für die Zukunft.

Die Vorgehensweise, in einen Krieg einzutreten, ohne große Verluste zu erleiden, besteht in gewissem Sinne schon seit einiger Zeit, aber sie wird jetzt zum Kern der amerikanischen Strategie. Ihr Erfolg hängt von der Stärke und dem Willen des Gegners ab, und jede Fehlkalkulation zwingt die USA, ihre Haltung oder die einzusetzenden Kräfte zu überdenken. Normalerweise würde ich dies als Teil der US-Strategie betrachten, aber angesichts der Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten glaube ich, dass dies die neue Normalität ist – und zwar nicht nur bei kleineren Problemen, sondern auch bei der Bewältigung umfassenderer, längerfristiger Herausforderungen.

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