„Hart aber fair“ über die Zwischenwahlen in den USA - „Trump war immer nur Symptom der gesellschaftlichen Spaltung“

Vor den anstehenden Zwischenwahlen in den USA diskutierte Frank Plasberg mit seinen Gästen über Populismus und die Spaltung der Gesellschaft. Weitgehend waren sich alle Gäste einig – bei der Frage, wie Donald Trump auf den Ukraine-Krieg reagiert hätte, gingen die Meinungen allerdings auseinander.

Diskussionsrunde bei „Hart aber fair“ / Screenshot ARD-Mediathek
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Autoreninfo

Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Eine Sendung über Populismus, die sich an einer verkürzten Prämisse abarbeitet, verheißt wenig echtes Erkenntnisinteresse. Im Kern waren sich alle Gäste einig: In den USA stehen sich Links- und Rechtspopulisten in einem unversöhnlichen Kulturkampf gegenüber, und die offene Gesellschaft müsse von einer Mitte-Position gerettet werden. Dass es auch einen liberalen Populismus des Status Quo gibt, der sich als alternativlose Stimme einer Mitte-Vernunft geriert, dabei aber seine Populismen fördernden Ausschlussmechanismen nicht sehen will, geht in solchen Diskussionen leider unter. Entsprechend auch damit verbundene relevante Fragen, etwa über den ungeheuren Einfluss von Großkonzernen auf US-Wahlkämpfe und welche Folgen dies auf die Politik hat, die sich den Interessen der Bürger zu widmen hat.

Nun denn: „Unter Feinden: Spaltet der Populismus die Demokratien?“, fragte Frank Plasberg in seiner gestrigen Sendung. Seine Gäste waren der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, der Soziologe Aladin El-Mafaalani, die NZZ-Journalistin Susanne Gaschke, Matthew Karnitschnig, Europa-Korrespondent des US-Online-Nachrichtenportals Politico, sowie „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni. Der Anlass: Kurz vor den Zwischenwahlen sind die USA tief gespalten, viele sehen gar einen Bürgerkrieg kommen. Der Angriff auf den Ehemann von Nancy Pelosi, der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, zeigt das vorhandene Gewaltpotenzial.

Freund-Feind-Denken

Dass der inflationär genutzte Begriff der Spaltung eine durchaus angemessene Beschreibung ist, zeigte auch Ingo Zamperonis vor der Sendung ausgestrahlte Doku „Donald Trump, Joe Biden, meine US-Familie und ich“ über die US-Gesellschaft. Zamperoni ist mit einer Amerikanerin verheiratet, deren Stiefbruder erzählt an einer Stelle, er trage mittlerweile stets seinen Pass mit sich – um im Extremfall flüchten zu können.

„Trump war immer nur Symptom dieser gesellschaftlichen Spaltung“, schlussfolgerte Zamperoni. Dass Joe Biden als Präsident das Land zusammenführen würde, sei in Deutschland eine „erhöhte Hoffnung“ gewesen, das Auseinanderdriften der Gesellschaft habe er nicht verhindern können. Die politische Gegenseite werde nur noch als Feind, Kompromisse würden als Zeichen von Schwäche gesehen, so Zamperoni. Politico-Korrespondent Karnitschnig ist sich infolgedessen sicher, dass Donald Trump zurückkehren und 2024 erneut um das Präsidentenamt antreten wird. 

In den USA gebe es kaum noch Platz für Grautöne, sagte der Soziologe El-Mafaalani. Es herrsche eine Dafür-oder-dagegen-Haltung: „Selbst, wenn eine Entscheidung gut für mich wäre, sie aber von der anderen Seite kommt, bin ich dagegen.“ In Deutschland sei diese Tendenz ebenfalls zu beobachten, allerdings nicht in dieser Radikalität. Die Ursache dafür sieht El-Mafaalani im Zwei-Parteien-System der USA, in Deutschland würden sich Positionen über ein weiteres Spektrum verteilen. Durch den Dualismus im US-System entstünden Parallelwelten, „in denen alle möglichen Sachen politisiert werden“. Das mache sich dadurch bemerkbar, dass auch Demokraten immer radikaler in ihren liberalen, progressiven Ansichten würden. Rechte Populisten reagierten darauf, indem sie „die Vergangenheit als Zukunft“ darstellten, so El-Mafaalani. Stichwort Identitätspolitik also.

„Schlimme Moralisierung“

Seltene Uneinigkeit herrschte, als Plasberg fragte, wie Trump auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert hätte. Deutschland hat infolge des Krieges sein Wehretat aufgestockt und somit genau das getan, was Trump immer von Angela Merkel gefordert hat. Matthew Karnitschnig ist sich nicht ganz sicher, „dass er hier nicht die Reißleine gezogen und die Nato nicht unterstützt hätte“. Susanne Gaschke äußerte Zweifel – Trump wäre mit einer Unterstützung der Ukraine bei seinen Anhängern „nicht auf so viel Begeisterung gestoßen“, meinte sie. „Wir Europäer haben Glück, dass Joe Biden Präsident ist“, so CDU-Politiker Norbert Röttgen. Trumps America-First-Motto hätte dazu geführt, dass er Europa alleine gelassen hätte. Unter Biden seien die USA aber wieder zur „wichtigsten Sicherheitsmacht“ geworden.

Und wie sieht es hier aus? Schwappen die US-Zustände nach Deutschland über? Auf jeden Fall sei die in der Öffentlichkeit „schlimme und gar nicht nützliche Moralisierung“ ein Problem, das eine wie in den USA zu sehende Unversöhnlichkeit fördere, fand NZZ-Journalistin Susanne Gaschle. Im öffentlichen Diskurs gelte – in der Vergangenheit etwa während der Flüchtlingskrise und der Debatten um die Corona-Politik – nicht das Mantra „Dein Argument ist schlecht“, sondern: „Du bist ein schlechter Mensch“. „Wir produzieren hier unseren eigenen Trumpismus, wenn Politiker vor lauter politischer Korrektheit echte Probleme, die die Menschen haben, nicht ansprechen.“ Die Ampel würde vorrangig „identitätspolitische Festspiele“ halten.

Dass die CDU jüngst mehrere Wahlen verloren hat, sei ein Problem, weil so gemäßigte Kräften wegfallen würden, meinte Politico-Journalist Karnitschnig. Aber Friedrich Merz versuche doch, das konservative Profil zu schärfen, warf Plasberg ein und verwies in einer Einblendung auf dessen Aussage über „Sozialtourismus“ -  die Quatsch und durch Fakten widerlegt sei, so Plasberg. Das Beispiel zeige, „wie unfähig Herr Merz ist“, sagte Matthew Karnitschnig. Merz sei mitnichten auf Trump-Kurs, versuchte Röttgen seinen Chef zu verteidigen.

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