Großwildjagd in Afrika - Rettet die Elefanten?

Botswanas Präsident will Deutschland 20.000 Elefanten schenken. Denn er ärgert sich über Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die die Einfuhr von Jagdtrophäen aus Afrika beschränken will. Doch den Tierbeständen würde ein Verbot eher schaden als nützen. Und Jagdtouristen bringen Geld, das Anreiz schafft, damit lokale Wilderer nicht mehr wildern.

Kein Elefant ist illegal: Über sein Schicksal entscheidet aber nicht Berlin, sondern die Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen / dpa
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Autoreninfo

Jan Grossarth ist Professor für Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft an der Hochschule Biberach. Von ihm erschien 2019 das Buch ,,Future Food - Die Zukunft der Welternährung" (wbg Theiss).

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An einem Sommertag des Jahres 2015 betrat der amerikanische Zahnarzt Walter Palmer nach langem Flug afrikanischen Boden. Jetzt im Juni war es in Simbabwe Winter, die schönste Zeit zum Reisen. Sein Urlaub in Simbabwe – Zehntausende Dollar teuer – sollte für ihn, Doctor Palmer, ein ganz besonderer werden. Und so kam es auch: Palmer wurde weltbekannt, verhalf einem Löwen zu einem Wikipedia-Eintrag. Und über ihn selbst, Palmer, erschienen bald Hunderte Artikel auf News-Portalen: „The lion killer Walter Palmer“.

Palmer reiste in jenem Sommer bis nahe an die Grenze Botswanas, in den Hwange-Nationalpark. Guides empfingen ihn und führten ihn wie üblich ins Revier. Er hatte Löwenjagd gebucht und wurde fündig: Palmer lockte mithilfe seiner Guides einen Löwen auf die freie Fläche. Dann setzte er zum Abschuss an – nicht mit dem Gewehr, sondern mit Pfeil und Bogen, was eine besondere Herausforderung für moderne Großwildjäger darstellt. Das Tier fiel zu Boden und starb erst viele Stunden später, denn dieser Tod ist vormodern.

Der verzögerte Aufschrei

Löwentod, Jägeradrenalin: Höhepunkt vieler Tausender Afrikareisen im Jahr. Die meisten der Jagdreisenden kommen aus Amerika, Deutschland, Spanien und Skandinavien. Aber für Palmer war das Jagdglück noch nicht das Ende der Geschichte. Er hatte nicht irgendeinen Löwen erlegt, sondern einen, der einen Namen trug, der sich von anderen unterschied. Cecil hatte eine charakteristische, teils schwarz gefärbte Mähne und daher eine gewisse Bekanntheit.

Als Trophäe schien diese Mähne attraktiv. Jäger wie Palmer nehmen sie als Souvenir mit in ihre Heimat, um sie präparieren zu lassen und zum Beispiel die Wand des Jagdzimmers damit zu schmücken, so wie es der alte Adel der Einwanderergeneration aus Europa tat. Aber es ist neuerdings das 21. Jahrhundert, und selbstverständlich ließ Doctor Palmer ein Foto von sich mit dem toten Tier machen, das schmerzlich entschlafen vor ihm lag. Natürlich postete er das Bild in seinen Netzwerken. Einige Tage geschah nicht viel. Doch dann brach sich die Empörung Bahn. Ende Juli, vier Wochen nach Cecils Tod, berichteten die großen Medien über das Schicksal des Löwen, und für Palmer ging jede Privatsphäre verloren. Das Bild, das der grinsende Palmer mit einem Jagdgefährten vor dem toten stolzen Tier abgab, war allerdings erschütternd unsympathisch. In den sozialen Medien wurde er kurzum zum Mörder erklärt. 

In diesen Tagen des Sommers 2015 wurden auch deutsche Parlamentarie­rinnen tätig. Die Grünen-Abgeordneten Annalena Baerbock, Steffi Lemke und einige weitere verfassten eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung. Die äußerst detaillierten Fragen zielten darauf ab, alle denkbaren Wege aufzuspüren, auf denen Deutschland solch barbarische Praxis duldete oder sogar mit Steuergeld förderte. Gibt es Entwicklungsprojekte, die mit der Trophäenjagd zusammenhängen? Warum werden international geschützte Arten überhaupt bejagt, weshalb ist die Einfuhr der Trophäen gestattet? Man kann sich die Schlagzeilen vorstellen, die eine zweifelhafte Antwort auf so eine Anfrage bringen kann: „Bundesregierung befördert Löwenqual“.

Töten mit vernünftigem Grund?

Das Setting war heikel: weiße reiche Männer, Gewehre, Blut – Afrikas Stolz, der Löwe Cecil. Die Großwildjagd als Ritual aus dem feudalen Europa. Der Eindruck eindeutig: Amerikanische Perversitäten rauben gebeutelten Völkern ihren Stolz. Die Politik hatte ein neues Thema. Keine vier Wochen nach der medialen Entrüstung über die Tat Walter Palmers, Ende September 2015, ging die erste parlamentarische Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung. Einige weitere folgten. Die Anfrage liest sich in Teilen selbst wie ein Magazinstück für Spiegel oder Stern: „Empörung“, „Aufsehen“, „umstritten“ – spannende Schlagwörter waren enthalten, die Medien berichteten schließlich auch eine ganze Weile groß über das Politikum.

Die Antwort des Umweltministeriums – damals SPD-geführt – war das in solchen Fällen übliche, technokratische Sammelsurium von Paragrafen. Aber es steckte auch voller interessanter Details: Die Nachfrage nach Jagdtrophäen sei „weiterhin sehr gering“, heißt es da, sie sei auch nicht angestiegen, und es gebe viele Beispiele nachhaltiger Jagd, von der die lokale Bevölkerung profitiere – in Benin, Tansania, Namibia etwa. Von 2005 bis 2014 seien nach Deutschland die Trophäen von 417 Leoparden, 193 Löwen, 87 Elefanten, 17 Breitmaulnashörnern, zwei Spitzmaulnashörnern legal importiert worden. Nicht jährlich, sondern in zehn Jahren zusammen. Einerseits: Zahlen im Promillebereich der Tierbestände. Andererseits: Es gab immerhin 193 deutsche Walter Palmers, mitten unter uns – Löwenmörder, von Gnaden des Gesetzgebers. 

Also blieb das Thema heiß. Ernste Fragen standen im Raum: Ist die Tötung für die Trophäenjagd mit dem deutschen Tierschutzrecht vereinbar, das ein Töten ohne „vernünftigen Grund“ verbietet? Aber das Fleisch der Wildtiere verbleibt ja in aller Regel zu Nahrungszwecken in Afrika. Ernährung ist ein „vernünftiger Grund“, laut Rechtsprechung. Und, auch sehr interessant: Wie wichtig ist der Jagdtourismus wirklich für den Erhalt der Nationalparks?

Für Palmer wurde es brenzlig

Dazu gibt es viel Erfahrung. Die deutsche Entwicklungsorganisation GIZ und die Staatsbank KfW wie auch Nichtregierungsorganisationen wie der WWF oder die Zoologische Gesellschaft Frankfurt sind in viele Projekte mit Jagdbezug involviert. Fragt man bei Letzterer an, der Zoologischen Gesellschaft, heißt es entnervt: Das Thema sei sehr kompliziert, man solle sich bitte an afrikanische Partner wenden. 

Von einer Ablehnung der Jagd ist dort wenig zu erfahren – wenn es auch kleinere Organisationen im südlichen Afrika gibt, die sich dagegen einsetzen. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von Beispielen in afrikanischen Staaten, die zeigen, wie eine organisatorische und finanzielle Beteiligung der örtlichen Gemeinden dazu führt, dass Wilderei zurückgeht. Das ist die paradoxe Pointe: Internationale Jagdtouristen bringen Geld, das Anreiz schafft, damit lokale Wilderer nicht mehr wildern. Mit anderen Worten: Geld, das Jäger wie Doctor Palmer bringen, trägt dazu bei, dass sich Wildtierbestände erholen. In Namibia etwa verzehnfachte sich in touristisch bejagten Schutzgebieten der Bestand von Zebras, Böcken und Antilopen, so die Bundesregierung in ihrer Antwort damals. 

Walter Palmer, wieder zurück in Amerika, kam nicht zur Ruhe. Die Regierung Simbabwes forderte im Eifer der globalen Empörung sogar seine Auslieferung. Denn das Herauslocken des Löwen aus dem Reservat war ein juristischer Grenzfall, der am Ende zugunsten Palmers entschieden wurde. Aber es hörte nicht auf. Tierfreunde schmissen Schlacht­abfälle vor den Eingang des Ferienhauses der Familie Palmer in Florida. Prominente Schauspielerinnen versteckten ihren Zorn über den Löwenkiller nicht, und das Model Nicky Rothschild twitterte: „Jagen ist kein Sport. Beim Sport wissen beide Seiten, dass sie mitspielen.“

Kaum öffentlicher Druck

Jetzt ging es um mehr als den Einzelfall. Fluggesellschaften wie Delta und American gaben bekannt, keine Jagdtrophäen von Löwen, Leoparden, Elefanten und Nashörnern mehr zu befördern. Die Medienresonanz war riesig. Es gab große Online-Petitionen: Hunderttausend Menschen unterschrieben gegen die sogenannte Trophäenjagd, 800.000 für das Verbot der Trophäenjagd in Simbabwe. Im selben Jahr untersagte Frankreich den Import von Löwentrophäen, ein Jahr später beschloss die Regierung der Niederlande umfangreiche Einfuhrverbote. 

Seitdem sind viele Jahre vergangen. Aber irgendwie ist das Problem noch nicht gelöst. Steffi Lemke, damals einfache Grünen-Abgeordnete, ist heute Bundesministerin für Umwelt. Jetzt hätte sie die Macht, mehr zu tun. In Deutschland jedoch hat sich fast nichts geändert. Der Jagdtourismus dauert an, Trophäen werden am Frankfurter Flughafen entgegengenommen, nach Recht und Gesetz. Die Grünen wollten laut Parteiprogramm immerhin ein Verbot erwirken. Aber die Koalitionspartner – vor allem die FDP, die ja ein Herz für Zahnärzte und Jäger hat – weigerten sich, das zum Regierungsprogramm zu machen. 

Nun sieht sich Steffi Lemke selbst mit den Tierschutzorganisationen konfrontiert. Sie erhöhen öffentlich den Druck und geben Meldungen heraus, Lemke müsse endlich etwas tun. Allerdings sind dies auffällig kleinere, weitgehend öffentlich unbekannte Organisationen wie etwa Future for Elephants, Rettet die Elefanten Afrikas – oder die radikaleren wie Peta, die sowieso jedes Tieretöten verabscheuen. Die großen Naturschutzorganisationen wie BUND und Nabu unterschrieben die Appelle an Lemke diesmal nicht. Sie sind einflussreich bei den Grünen und vice versa. 

Alles in Ordnung? Keinesfalls!

Was ist bloß geschehen? Seit Lemke im Amt ist, wirkt sie in dieser Sache deutlich abwägender als zur Zeit der parlamentarischen Anfragen. Das Ministerium klingt vergleichsweise butterweich, wenn es nun ankündigt: „Auf Basis artenschutzfachlicher Maßgaben wollen wir die Importe von Jagd­trophäen geschützter Arten möglichst insgesamt reduzieren.“ Man wolle den Trophäenimport „im Einzelfall“ verbieten, heißt es weiter – vor allem, „wenn Zweifel an Nachhaltigkeit und Legalität der Jagd bestehen“. Das aber ist längst Rechtsgrundlage. 

Das alles bedeutet nicht viel. Denn eingeschränkt ist der Import ohnehin – jede Einfuhr braucht eine behördliche Sondergenehmigung. Die EU hat die Einfuhr von Löwen-, Nilpferd- oder Bärentrophäen seit geraumer Zeit strengen Regeln unterworfen. Die Grünen haben auch in diesem Feld also eine Umkehr von Entrüstung zu Pragmatismus vollzogen – und das liegt nicht überwiegend am Koalitionszwang. 

Was aber ist davon zu halten? Ist also alles bestens bestellt um Tierbestände und Jagdgeschehen, wie es die Verbände der Jäger suggerieren? Die Biologinnen der Münchner Tierschutzorganisation Pro Wildlife schlagen die Hände über dem Kopf zusammen. Sie sehen im Abebben der Kampagnendynamik vor allem das erfolgreiche Wirken der mächtigen Jagdlobby. Nein, es stehe nicht alles zum Besten.

Trophäenjagd: Ein teures Minusgeschäft

Das kann man am Beispiel Sambias studieren, das nördlich vom Urlaubsdomizil Doc Palmers liegt – und eben nicht nur ein Reiseziel für Wasserfall-Touristen der Victoriafälle ist, sondern auch ein Hotspot des Jagdtourismus. Die Geldsummen, um die es für die Tourismusanbieter wie das Land Sambia geht, verrät ein deutschsprachiger Reiseprospekt des Veranstalters Diana Hunting Tours aus Dänemark: Im idyllischen Luangwa Valley kostet der Abschuss eines Löwen 42.495 Dollar, eines Elefanten 15.895 Dollar, eines Nilpferds 3195 Dollar. Das Zebra gibt es zum Schnäppchenpreis: 1595 Dollar. 

 

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Mona Schweizer arbeitet als Campaig­nerin bei Pro Wildlife. Sie ist hoch qualifiziert, promovierte Biologin – und möchte all das nicht mehr mit ansehen. Schweizer weiß, dass gerade im Falle Sambia die Trophäenjagd von international renommierten Wissenschaftlern als der Hauptfaktor für den Rückgang der größten Löwenpopulation ausgemacht wurde. Der Grund ist kompliziert: Trophäenjäger schossen lange insbesondere männliche Löwen ab. Es mangelte an Männchen. Und: Nach dem Abschuss eines Rudelführers tötet der Nachfolger oft alle Löwenwelpen, die jünger als zwei Jahre sind. Die Studie, die das zutage förderte, veranlasste die Regierung von Sambia zu einem zeitweisen Verbot der Löwenjagd. Nun ist sie wieder erlaubt.

„Trophäenjagd eignet sich nicht, um Schutzgebiete zu erhalten“, sagt Mona Schweizer. Denn die Kosten des Reservatsmanagements seien deutlich höher als Einnahmen aus der touristischen Jagd. Auch darüber gibt es Gutachten, und die Weltnaturschutzunion IUCN, ein Dachverband vieler Umweltorganisationen und Umweltministerien, stellte 2019 fest, dass – im Beispiel Sambia – schon 40 Prozent der Jagdgebiete aufgegeben wurden, weil sie nicht rentabel seien.

Lokale Jagdbefürworter

Je tiefer man in die Wissenschaft eintaucht, desto vielschichtiger erscheint der Zusammenhang. Im Lichte der vielen Studien lässt sich weder sagen, die Jagd sei in jedem Fall ein Segen für den Wildtierschutz, noch das Gegenteil. Ein Beispiel pro Jagd: Im Journal for Nature Conservation hieß es 2020, die Löwenjagd habe „in großen Gegenden beigetragen, natürliches Land für Löwen- und Großwildschutz zu erhalten“. Gerade Sambia benötige die europäischen Jagdreisenden.

Und so sieht es dort konkret aus: Shiwa Ngandu ist eine koloniale Villa im Nordosten des Landes. Hier lebt der weiße Sambier Charles Harvey seit mehr als 20 Jahren – inmitten der Wildnis wunderschöner Wälder, am Fuße eines Sees. Hier erhält er eine Villa, die sein britischer Großvater errichtet hatte. 370.000 Dollar habe er binnen eines Jahres in den Erhalt des Anwesens gesteckt, erzählte mir Harvey bei einer Reise dorthin: Das Dach sei marode gewesen, der Garten stets pflegebedürftig. Auch eine Getreidemühle managt er, Dutzende Dorfbewohner leben von den Einnahmen. Wie er das alles finanziert? Durch den Sojaanbau auf 210 Hektar Land. Doch vor allem: durch Großwildjagd; 400 Dollar pro Nacht und Gast bringt ihm das ein. 

Charles Harvey ist in Sambia hoch anerkannt. Seine Befürwortung der Jagd liegt auf Regierungslinie. Erst kürzlich, im Sommer dieses Jahres, ging der sambische Umweltminister Collins Nzovu in der Hauptstadt Lusaka an die Öffentlichkeit und sagte, dass der Jagdtourismus sowohl den lokalen Gemeinschaften nütze, die nach festgelegtem Schlüssel 50 Prozent der Abschussgebühren erhielten und davon etwa Schulen und Krankenhäuser errichteten, als auch den Habitatschutz ermögliche.

Tiere zum Spaß töten ist Menschenrecht

Der Anlass war, dass Großbritannien sehr ernsthaft ein Importverbot für Jagdtrophäen vorbereitet. Die britische Regierung stehe unter Druck von „Anti-Jagdgruppen, die die Jagd an sich dämonisieren“, sagte der Minister. Er missbilligte dies scharf: „Es ist eine Menschenrechtsverletzung gegenüber uns Südafrikanern, über Tierrechte zu sprechen, aber die Menschenrechte zu ignorieren“, so Nzovu. Sambia sei ein souveräner Staat, der selbst über den nachhaltigen Umgang mit seinen Ressourcen entscheiden könne. Die Einnahmen aus dem Jagdtourismus dienten der Verringerung der Armut. 

Sambia ist eines der Länder auf der Erde, in denen Mangelernährung am weitesten verbreitet ist. Es hat nicht viel: Kupfer, Mais. Und die Wildtiere. Jagdtouristen lassen deutlich mehr Geld im Land als andere – trotz ihrer geringen Zahl sind sie wichtig. Und dieser Punkt, den Nzovu macht, traf auch ins grüne Herz: War das Engagement für Tiere, von Europa aus, übergriffig? Steht es in kolonialer Tradition, wie manche Jagdlobbyisten polemisieren? Ist es nicht sogar eine Form von Kulturimperialismus? Derartige Vorwürfe kommen auch bei Umweltministerin Steffi Lemke an.

Spätestens seit den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021, als die Grünen das Thema zuletzt groß auf die Agenda brachten, richtete sich ein konzertierter Aufschrei gegen die Verbotspläne. Wissenschaftler britischer und anderer Universitäten schrieben damals einen offenen Brief, adressiert an die Verhandlungsführer Christian Lindner (FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz von der SPD. Sie verwiesen auf einen weiteren Brief von 130 Wissenschaftlern und Naturschützern, die die Beiträge der Trophäenjagd für die Biodiversität hervorgehoben hatten.

Post von der Weltnaturschutzunion

In dem Brief hieß es: „Der Hauptgrund der Bedrohung der ikonischen Wildtiere in Afrika ist der Habitatsrückgang, Wilderei mit illegalen Methoden wie Hundejagd oder Vergiftung.“ Nicht eine einzige Spezies sei wegen regulierter Jagd gefährdet. Einzig die Großwildjagd gebe den Habitaten einen wirtschaftlichen Wert und trage wirksam dazu bei, sie zu schützen. Auch stimme die oft kolportierte Zahl nicht, wonach nur 3 Prozent der Einnahmen an lokale Gemeinschaften gehen – das sei eine Fehlinterpretation einer einzelnen Studie. Mehr als die Hälfte komme den Menschen vor Ort zugute. 

Adam Hart, ein Professor der Universität Gloucestershire, berichtete öffentlich von seinem persönlichen Sinneswandel in dieser Sache. Er sei vor vielen Jahren durch Sambia gefahren, habe aber zu seiner Überraschung in der freien Landschaft keine Giraffe oder kein Großwildtier gesehen – sondern über Hunderte Kilometer nur Ziegen und Schafe. Den ersten Wildtieren begegnete er erst hinter den Eisengittern, auf einem Privatgelände seines Freundes, den er besuchte. Und der habe ihm den Grund gesagt: Wo Armut herrsche, werde jeder Meter Land für die Haltung von Nutztieren verwendet. Wo reiche Menschen jagten, erhielten sich die Tierbestände.

Auf dem Schreibtisch der Bundesumweltministerin landeten allerhand weitere Briefe. Einer kam von Dilys Roe, der Vorsitzenden der Fachgruppe für nachhaltige Nutzung des Landes der Weltnaturschutzunion IUCN. In der IUCN ist das Bundesumweltministerium ironischerweise selbst Mitglied, ebenso wie zahlreiche internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen wie der WWF, BUND Bayern und Nabu. Auf deren Stimmen hören Grüne so wie Konservative früher auf den Bauernverband. Wenig später kam der nächste Brief von einem Ethikgremium des IUCN – diesmal: gegen die Großwildjagd. 

Doctor Palmer tötet unbeirrt weiter

Wenn es so zugeht am Ministerinnentisch, mag sich Macht anfühlen wie bei Kafka. Wie soll man sich positionieren? 

Bald ist es so weit. Die große Bühne der internationalen Artenschutzpolitik ist ohnehin nicht Berlin, auch nicht Brüssel – sondern: Washington. Es ist die Artenschutzkonferenz der Vereinten Nationen. Sie entscheidet über das globale Schicksal von Löwe, Elefant, Giraffe, Nashorn, Nilpferd – den „Big Five“, von denen Großwildjäger träumen. Und: Panama. Dort treffen sich die Umweltminister der Vereinten Nationen im Oktober, um über den Schutzstatus der Arten zu entscheiden, wie auch über das brisante Thema der Wildjagd. 

Steffi Lemke wird wohl dorthin reisen. Dann ist das Thema, dem sie sich leidenschaftlich widmete wie kaum einem anderen, in ihrer Hand. Dort wird sie wahrscheinlich nicht viel mehr vorfinden als die Möglichkeit zum Kompromiss. Und auch ihre eigene Position dürfte auf einen Kompromiss hinauslaufen.

Und nun? Doctor Walter Palmer jedenfalls macht weiter. Er lässt sich auf seine alten Tage partout nicht von der Trophäenjagd abbringen. Seit dem Abschuss des armen Löwen Cecil produzierte er viele weitere Selfies, die ihn mit allerhand Großwild zeigen, vom Büffel bis zur Giraffe. Dasselbe gilt für seine Gattin, die derselben Leidenschaft frönt. Selbst Morddrohungen und der globale virtuelle Pranger hinderten die Familie Palmer nicht an der Großwildjagd. Sie machen das offenbar einfach, weil sie das wollen, wie sture Kinder. Und zwar mit Pfeil und Bogen.

In Simbabwe, im Hwange-Nationalpark, schoss derweil ein namentlich unbekannter Jäger den Sohn des tragischen Löwen Cecil ab. Xanda wurde nur sechs Jahre alt.

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