Bundespräsidentenwahl in Österreich - Gerald Grosz: Volkes Stimme

Der Publizist und Ex-Politiker Gerald Grosz will am nächsten Sonntag Bundespräsident von Österreich werden – mit rüden Attacken gegen das Establishment und einer riesigen Facebook-Gefolgschaft. Der Individualist und Exzentriker möchte der etablierten Politik die Leviten lesen, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen.

Gerald Grosz macht gerne Anspielungen auf Donald Trump / Eva Manhart
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Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Eigentlich war seine Karriere schon wieder vorbei, als sie kaum begonnen hatte. Mitarbeiter einer Regierung an herausgehobener Stelle, Abgeordneter des Nationalparlaments und Vorsitzender einer Partei: Das alles hatte er mit nicht einmal 40 Jahren bereits hinter sich gebracht. Nach mehreren Jahren politischer Abstinenz will er nun Bundespräsident der Alpenrepublik werden. Die Rede ist von dem österreichischen Publizisten Gerald Grosz. Mit ihm stellen sich sechs Österreicher am 9. Oktober gegen den Amtsinhaber zur Wahl.

Schon der Wahlkampfslogan „Make Austria Grosz again!“ verrät dabei seine politische Herkunft. Er gehörte seinerzeit zum engen Umfeld desjenigen Mannes, der den Rechtspopulismus in Österreich salonfähig gemacht hat: Jörg Haider. Als Haider wegen parteiinterner Streitereien das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gründete und sich von seiner FPÖ abspaltete, war Grosz mit dabei und wurde später sogar ihr Vorsitzender. Die „politischen Testamentsvollstrecker“ hätten damals aber zu spät verstanden, sagt Grosz heute, dass das BZÖ ohne Haider chancenlos war. 

Ein Lautsprecher mit viel Reichweite

Anfang 2015 war für ihn daher erst einmal Schluss mit der Parteipolitik – und zwar endgültig. In eine Partei wolle er nie wieder eintreten. Der Individualist und Exzentriker Grosz stört sich an wenigem so sehr wie an ideologischer Enge und Rudelverhalten. Das Amt des Bundespräsidenten ist daher genau nach seinem Geschmack. Er möchte der etablierten Politik die Leviten lesen, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen.

Die Basis hierfür hat Grosz sich in den zurückliegenden Jahren als politischer Kommentator und Zyniker selbst geschaffen. Insbesondere sein regelmäßig beim Privatsender OE24 ausgestrahltes Streitgespräch mit Sebastian Bohrn Mena zu aktuellen politischen Themen genießt in Österreich Kultstatus. Bohrn Mena, der ebenfalls über eine politische, aber eher sozialdemokratische Vergangenheit verfügt, dient Grosz dabei als eine Art Punchingball des Etablierten. Sich selbst schreibt er die Rolle zu, das zu „vertonen, was die Mehrheit denkt, sich aber nicht mehr auszudrücken getraut“. Auf rund fünf Millionen Konsumenten monatlich schätzt er seine digitale Reichweite. Allein bei Facebook verfügt er über mehr als 300.000 – und damit über fast ebenso viele Follower wie der Amtsinhaber.

Das Amt des Bundespräsidenten sei das „vornehmste politische Amt“ überhaupt. Aber Grosz meint damit nicht die Noblesse des Präsidialen, nicht die Zurückhaltung und den politischen Ausgleich. Er versteht darunter vor allem die Pflicht des direkt gewählten Präsidenten, die Meinung des Volkes zum Ausdruck zu bringen. Und das klingt bei ihm dann so: Der aktuelle Präsident habe die Wiener Hofburg in ein „Laufhaus“ und sich selbst in einen „Angelobungsautomaten“ verwandelt. Grosz spielt damit auf die Tatsache an, dass Alexander Van der Bellen angesichts der zahlreichen Regierungskrisen in Österreich schon binnen weniger Jahre rund 70 Regierungsmitglieder ernennen musste. Für Grosz ist er daher auch bloß der „Lordsiegelbewahrer des österreichischen Systems“, das „rauchende Orakel aus der Hofburg“, ein „Siebenschläfer“ und „neben Joe Biden ein zweiter geriatrischer Fall“. Er solle sich lieber langsam um sein Pflegebett bemühen, als noch einmal zu kandidieren. Van der Bellen ist 78 Jahre alt.

Aussichten wenig erfolgsversprechend

Grosz’ Furor richtet sich aber nicht nur gegen seinen Konkurrenten, sondern das gesamte politische Establishment. Auf der Regierungsbank säßen nur „Lehrlinge“, in Deutschland regiere „Olaf der Ahnungslose“, in Österreich „Karl der Dumme“. Und Angela Merkel sei bloß eine „pragmatisierte Politruine“ gewesen. Zur besonderen Hochform läuft Grosz dann auf, wenn der Kern seines konservativen Weltbilds tangiert wird. Als in Österreich wieder einmal ein junges Mädchen Opfer von Vergewaltigungsorgien krimineller Zugewanderter wird, redet er sich vor laufenden Kameras in Rage. Er klagt die Politik der Untätigkeit gegen „diese Importartikel“ an und gibt ihr daher auch eine moralische Mitschuld am Tod der kleinen Leonie. Die Mutter dankt ihm seine ehrliche Wut mit einem herzerweichenden Brief. Es sind vor allem jene Vorfälle, die Grosz großen Rückhalt in seiner Community bescheren.

Vor ein paar Monaten war er sich noch sicher, gegen den Amtsinhaber eine echte Chance zu haben. Aber die Umfragen sprechen dagegen. Während Van der Bellen regelmäßig auf 50 bis 60 Prozent der Stimmen kommt, dümpelt er bei unter 10 Prozent herum. Das liegt auch am Mitkandidaten Walter Rosenkranz (FPÖ). Die Konkurrenz unter den Herausforderern ist groß. Inzwischen würde es ihm daher schon genügen, den Amtsinhaber in eine Stichwahl zu zwingen: „Das hat es bei uns noch nie gegeben.“

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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