Auftrieb für Konservative - Le Pen-Partei ausgebremst

Bei den Regionalwahlen in Frankreich hat das „Rassemblement National“ von Marine Le Pen einen Rückschlag erlitten. Noch schlechter schnitt das Lager von Präsident Macron ab.

Marine Le Pen und der lokale RN-Kandidat Steeve Briois nach Stimmabgabe bei den Regionalwahlen / dpa
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Stefan Brändle ist Frankreich-Korrespondent mit Sitz in Paris. Er berichtet regelmäßig für Cicero.

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Sieger der französischen Regionalwahlen sind die traditionellen Parteien. Im ersten Wahlgang haben vor allem die konservativen Republikaner mit rund 29 Prozent der Stimmen besser als erwartet abgeschnitten. Im zweiten Wahlgang in einer Woche dürften sie in der Mehrheit der 13 Regionen weiterregieren. So vor allem im Norden und Osten des Landes, Elsass eingeschlossen, aber auch im Großraum Paris und der Rhone-Metropole Lyon.

Das vereinte Linkslager von Sozialisten, Grünen und Kommunisten kam auf 34 Prozent und behält die westlichen Regionen an der Atlantikküste von der Bretagne bis in die Pyrenäen. Vor allem bestandene Regionalräte wie Alain Rousset in Aquitaine und Carola Delga in Occitanie behaupteten sich souverän.

Le Pens Partei stößt an gläserne Decke

Insgesamt bestätigt sich damit das Bild der letzten Regionalwahlen von 2015. Und darin besteht paradoxerweise die große Überraschung. Die radikale Rechte mit dem „Rassemblement National“ (RN) von Marine Le Pen vermag ihren seit Jahren festgestellten Vormarsch nicht fortzusetzen. Statt wie in den Umfragen vorhergesagt mehrere Regionen in Nord- oder Südfrankreich zu erobern, fielen die Lepenisten auf insgesamt 19 Prozent zurück.

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In den „Hauts-de-France“ des industriellen Nordens verlor der RN-Mann Sébastien Chenu fast 20 Punkte auf den amtierenden Republikaner Xavier Bertrand, der im kommenden Jahr bei den französischen Präsidentschaftswahlen antreten will. An der Côtes d’Azur und der Provence liegt der RN-Starkandidat Thierry Mariani nur knapp vor dem republikanischen Regionalratschef Renaud Muselier; für den Sieg im zweiten Wahlgang könnte das nicht genügen.

Ein Grund für den Rückschlag der Lepenisten ist die rekordtiefe Stimmbeteiligung von bloß 31 Prozent. Zwischen Covidkrise und Sommerpause hatten die Franzosen den Kopf offensichtlich ganz woanders. Die RN-Wähler, die sich vom politischen System häufig ausgegrenzt fühlen, gingen zweifellos noch weniger zahlreich an die Urnen als die traditionellen Wähler. Marine Le Pen räumte am Wahlabend ein, ihre Wähler hätten sich „nicht genug mobilisiert“.

In Paris kursiert nun wieder die These von der „gläsernen Decke“ der Le-Pen-Partei: Die Partei der Protestwähler und Gelbwesten, Schlechtgestellten und Schlechtgebildeten stoße stets an den soziologischen Wählerplafonds von einem guten Drittel der Stimmen. Im zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen von 2017 hatte Le Pen gegen Macron auch nicht mehr als 33,9 Prozent der Stimmen erzielt. In der Region „Paca“ (Provence-Alpes-Côtes d’Azur) schneiden die Rechtsnationalen jeweils etwas besser ab. Dort leben viele Rentner und Algerien-Rückkehrer, die für Le Pens Schwerpunkte, Immigration und Kriminalität etwa, als empfänglich gelten.

Macron punktet nicht auf lokaler Ebene

Schlimmer noch als Marine Le Pen erging es in dieser „Zwischenwahl“ dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron. Seine Partei „La République en marche“ (LRM) kam im ganzen Land nur auf etwa elf Prozent der Stimmen. Das Debakel zeigt, dass der Staatschef auch nach fünf Jahren im Elysée-Palast noch über keine lokale Verwurzelung verfügt. Schon vor dem Wahltag hatte er prophylaktisch erklärt, der regionale Urnengang habe „keine nationalen Konsequenzen“. Gemeint war: Keine Auswirkung auf seine Stellung.

Macrons Nonchalance gegenüber Regionalwahlen trügt allerdings: In den letzten Wochen hatte er alles daran gesetzt, um das Steuer herumzureißen. So entsandte er eine Reihe prominenter Minister in den Wahlkampf; und er lockerte den Covid-Lockdown nicht zufällig zehn Tage vor den Regionalwahlen. Dann hob er überraschend die Maskenpflicht im Freien auf, was wohl die Stimmung der Franzosen heben sollte.

Die Aussagekraft der Regionalwahlen für die viel wichtigeren Präsidentschaftswahlen im Mai 2022 ist allerdings beschränkt. Das zeigt sich schon darin, dass in den Umfragen für die Präsidentschaftswahl 2022 weiterhin die beiden Wahlverlierer von diesem Sonntag führen – Le Pen und Macron. Beide bemühen sich, nächstes Jahr wie schon 2017 in der Stichwahl wieder gegeneinander antreten zu können; denn aus jeweils unterschiedlichen Motiven halten sie sich gegenseitig für den Wunschpartner. Die Überraschung der Regionalwahlen macht aber deutlich, dass die Franzosen solche Politikerszenarien gerne an den Urnen widerlegen.

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