
- Vom Start-up zum Sonnenkönig
Ein Jahr vor der Wahl steht Frankreichs Präsident in der Kritik – nicht nur wegen des schlechten Umgangs mit der Pandemie. Emmanuel Macron ist in der Defensive. Denn für die chronisch frustrierten Bürger ist jeder neue Staatschef besser als der amtierende.
Es war 2019, im letzten Jahr vor Covid. Michel Houellebecq, der literarische Rebell, der keinen Orden verschmäht, erhielt vom Staatspräsidenten unter den Lüstern des Élysée-Palasts die Ehrenlegion angeheftet. Es folgten die obligaten „bises“ (Wangenküsschen) vor der illustren Gästeschar mit Expräsident Nicolas Sarkozy, dem Literatur-Dandy Frédéric Beigbeder oder dem Philosophen Alain Finkielkraut. Dann führte First Lady Brigitte Macron durch die frisch renovierten Gemächer des präsidialen Wohnsitzes. „Hier das berühmteste Sofa des Élysées“, sagte sie in einem Nebenzimmer, wo der einstige Präsident Félix Faure am 16. Februar 1899 einer Herzattacke erlag – die auf den knienden Liebesdienst einer Mätresse zurückzuführen war, wie in Frankreich (fast) alle Erwachsenen wissen.
So war sie, die Belle Époque der Jahrhundertwende – oder die von 2019, als die Pariser Hautevolee noch ihre Soireen feierte und der Präsident seine Wirtschaftserfolge.
Dann kam das Virus. Und es machte auch vor dem Élysée-Palast nicht halt. Im vergangenen Dezember wurde zuerst Emmanuel Macron, 43, angesteckt, dann seine Gattin Brigitte, 67. Seither kommen die „visiteurs du soir“, die ebenso legendären wie diskreten „Abendbesucher“, nicht mehr ins Élysée, das von Eingeweihten auch „le château“ (das Schloss) genannt wird. Dort finden jetzt nur noch virtuelle Bildschirmkonferenzen auf Distanz statt. Keine Spur mehr vom Salz eines privaten Tête-à-Têtes. Pause für das Pariser Savoir-vivre.