„Ich will diese Leute nicht mehr“ - In der diversen EZB sind Zweifler am Grün-Kurs unwillkommen

Ein Spitzenbeamter der Europäischen Zentralbank verkündet Mitarbeitern, dass sie nicht willkommen sind, wenn sie die grünen Ziele der Institution bezweifeln. EZB-Präsidentin Christine Lagarde unterstützt ihn – und diese seltsame Auffassung von „Diversität“.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde / picture alliance
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Frank Elderson, eines von sechs Mitgliedern des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), ist bei einer internen Sitzung jüngst deutlich geworden: „Ich will diese Leute nicht mehr.“ Diese Leute, das sind Mitarbeiter der EZB, die die ökologisch motivierten Ziele jenseits des klassischen Notenbank-Ziels der Geldwertstabilität in Frage stellen. Die Äußerungen des niederländischen Spitzenbeamten haben bei EZB-Mitarbeitern Empörung ausgelöst, die sich in internen Chatrooms entlud, wie das Portal Politico berichtet. Elderson wurde als „autoritär“ empfunden und eine freie und offene Diskussion über den Klimawandel – und die Rolle, die die EZB bei der Bekämpfung spielen sollte – sei nicht mehr möglich.

Auch ein weiterer von Politico zitierter Elderson-Satz offenbart seine antipluralistischen Vorstellungen: „Warum sollten wir Leute einstellen, die wir umprogrammieren müssen? Weil sie von den besten Universitäten kommen, aber immer noch nicht wissen, wie man das Wort ,Klima‘ buchstabiert?“ Dass er hinzufügte, er „bedrohe niemanden“ dürfte am bedrohlichen Inhalt seiner Aussage für andersdenkende Mitarbeiter wenig ändern. 

Eldersons Worte fielen in einer Zeit der auch über die EZB hinausgehenden Debatte über die Zielsetzung der Notenbank. Auch von europäischen Politikern und Ökonomen war die von EZB-Präsidentin Christine Lagarde seit ihrer Amtsübernahme 2019 ausgegebene Maxime der Unterstützung einer klimafreundlichen, ökologischen Transformation der europäischen Wirtschaft kritisiert worden. Gerade angesichts der zuletzt deutlich angestiegenen Inflationsrate liegt es nahe, die EZB auf ihr eigentliches und nach klassischem Verständnis und dem Maastricht-Vertrag einziges Ziel, nämlich Geldwertstabilität zu beschränken.
 

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Dass Elderson anderer Meinung ist, überrascht nicht wirklich. Schließlich ist er auch offizieller Klimabeauftragter der EZB. Und er kann sich der Unterstützung der obersten Notenbankerin Lagarde sicher sein. Sie hat die Vergrünung der EZB selbst angestoßen. Das ist aus ihrer Perspektive auch jenseits sachlicher oder ideologischer Überzeugungen nachvollziehbar. Schließlich war von Anfang an klar, dass sie nicht wegen ihrer (nicht vorhandenen) Notenbank-Kompetenz, sondern aus politischen Erwägungen auf den Posten berufen wurde. 

Die französische Elite-Juristin, mehrfache Ex-Ministerin und ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte wohl ohnehin kaum Chancen und Ambitionen als große Inflationsbekämpferin in die Geschichte einzugehen. Da war die Aufgabe der grünen Transformation der EZB zum mächtigen Helfer beim Erreichen der Klimaziele aussichtsreicher. Entsprechend warf sie am Donnerstagmorgen – also nach Bekanntwerden der Affäre im Europäischen Parlament – eine Art verbale Nebelkerze, um Elderson zu stützen und vom eigentlichen Thema abzulenken: „Ich stehe zu meinem Kollegen Frank, aber auch – und das ist wahrscheinlich noch wichtiger – ich und andere legen Wert auf Vielfalt in der Institution, die ich leite.“ Sie meine damit „alle üblichen Definitionen von Vielfalt, auch die Vielfalt des Denkens, die Vielfalt des Hintergrunds“.

„Alle Kollegen sollten verstehen, was das für ihre Arbeit bedeutet“

Auf Anfrage von Politico verkündete die EZB-Pressestelle ein Statement, das deutlich machte, dass sich die Vielfaltsliebe in der EZB-Führung nicht auf deren klimapolitische Zielsetzung bezieht – und das man nur als Unterstützung für Elderson interpretieren kann: „Klima- und Naturrisiken beeinflussen unsere geldpolitischen und bankaufsichtlichen Mandate, und alle Kollegen sollten verstehen, was das für ihre Arbeit bedeutet.“ Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der das Mandat der EZB festlegt, ist allerdings von Klima- und Umweltschutz als EZB-Ziel keine Rede. Die aktuelle EZB-Führung folgert diese Aufgabe indirekt aus dem Auftrag zur allgemeinen Unterstützung europäischer Wirtschaftspolitik, sofern dies der Währungsstabilität nicht schade.

Ein von Politico nicht namentlich genannter ehemaliger Entscheidungsträger der EZB sagte dazu: „Die EZB hat das vorrangige Ziel der Preisstabilität und unterstützt dann die Wirtschaftspolitik der EU. Dazu gehören das Klima, aber auch andere Ziele wie Beschäftigung und Wachstum, die mit Kompromissen verbunden sind. Nur über das Klima zu sprechen und alle anderen zu vernachlässigen, stellt die Legitimität der EZB zunehmend in Frage.“

Wie stark der Druck auf EZB-Mitarbeiter und sogar Ratsmitglieder ist, zeigen die Reaktionen auf Vorbehalte, die der Chef der belgischen Zentralbank Pierre Wunsch im vergangenen Jahr gegen die Änderung bestimmter EZB-Operationen im Sinne des Klimaziels deutlich machte. Daraufhin schrieben 20 Umweltgruppen Ende letzten Jahres an den belgischen König Philippe und forderten ihn auf, eine zweite Amtszeit von Wunsch zu verhindern.

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