Deutschland liefert Leopard 2 - Außenpolitik ist Innenpolitik

Deutschland liefert nun doch dringend benötigte Leopard-Kampfpanzer an Kiew. Mit seiner demonstrativ zögerlichen Haltung versucht Olaf Scholz offenbar, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens für die Unterstützung der Ukraine zu erhalten.

Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober 2022 beim Besuch eines Truppenübungsplatzes vor einem Kampfpanzer des Typs Leopard 2 / dpa
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Keine offensiven Waffen. Keine modernen westlichen Kampfpanzer. Leoparden erst, wenn auch die Amerikaner Abrams-Panzer liefern. So in etwa sah über die letzten Monate die Verteidigungstaktik der deutschen Sozialdemokraten gegenüber Forderungen aus, die Ukraine mit dringend benötigten Kampfpanzern auszustatten. Denn allen Beteiligten ist klar: Um einer zu erwartenden russischen Frühjahrsoffensive entschieden entgegentreten zu können, braucht die Ukraine mehr durchschlagende Militärtechnik – zu wenig ist nach einem knappen Jahr Krieg von den Panzern sowjetischer Bauart und der dafür benötigten Munition übrig.

Nun liefert laut Medienberichten Deutschland 14 Panzer vom Typ 2A6. Und auch andere NATO-Länder, die über Panzer des Typs Leopard 2 verfügen, werden liefern. Die USA wollen gleichzeitig zwischen 30 und 50 Abrams-Panzer beisteuern. Der Beobachter fragt sich: Wozu dieser Affentanz der Sozialdemokraten und allen voran des Bundeskanzlers, wozu all die Interviews mit Ralf Stegner, in denen er Gründe anführte, warum eine Lieferung moderner Kampfpanzer nicht richtig sei, wenn Deutschland einer Lieferung am Ende doch zustimmt? 

Scholz registriert gemischte Haltung in der Bevölkerung

Dahinter steckt innenpolitisches Taktieren. Denn anders, als es zuweilen in den Twitter-Timelines deutscher Journalisten erscheinen mag, ist die Bevölkerung in der Frage der Panzerlieferungen ein gespaltenes Land. Laut Umfragen gab es zwar Anfang Januar unter Grünen-Anhängern eine klare Mehrheit von 62 Prozent für die Lieferung von Leopard 2-Panzern, unter Unions-Anhängern waren es aber nur knapp mehr als die Hälfte, bei SPD und FDP 45 beziehungsweise 46 Prozent. Linke- und AfD-Anhänger positionieren sich deutlich dagegen.
 

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Scholz’ Gegner bezeichnen seine Haltung als zögerlich, als zaudernd, seine Genossen loben ihn nun für seine Besonnenheit. „Die Bundesbürger sind ganz froh, dass im Kanzleramt einer sitzt, der abwägt bei Fragen von Krieg und Frieden“, so Ralf Stegner heute im Deutschlandfunk. Führt dieser Bundeskanzler? Nein, Olaf Scholz personifiziert aber den Durchschnittsdeutschen, der zwar auf rationaler Ebene versteht, dass sich mit dem russischen Überfall auf die Ukraine etwas grundlegend geändert hat, der aber gefühlsmäßig noch immer mit der Zeitenwende hadert; mit der aktiven Rolle Deutschlands in einem Krieg. Die „Nicht-unser-Krieg“-Fraktion lässt Scholz ganz links und ganz rechts liegen, aber es geht ihm offenbar darum, die Unterstützung des Normalos nicht zu verlieren. 

Aufbegehren gegen die USA kommt gut an

Dieser Durchschnittsdeutsche, den Scholz in den Umfragen sieht, der ihm aber auch zuhauf in seiner eigenen Partei begegnet, ist bereit, zusammen mit den Partnern der angegriffenen Ukraine zu helfen. Aber er ist nicht bereit, Führung zu übernehmen, wirklich ins Risiko zu gehen. Insbesondere ist er aber nicht bereit, bestimmte Dinge zu tun, bevor die Amerikaner sie nicht getan haben.

Während Scholz nun für sein Junktim „Wir liefern Kampfpanzer, wenn die Amerikaner es tun“ in der deutschen Debatte harsch kritisiert wurde, während aus der US-Administration Informationen über ein heftiges Wortgefecht zwischen Scholz’ rechter Hand, Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin durchgestochen wurden, dürfte Scholz gerade dafür von den meisten Bundesbürgern respektvoll-zustimmendes Nicken ernten. Immerhin hat das sture Beharren gegenüber den USA dazu geführt, dass Washington sich nun doch zur Lieferung von Abrams-Panzern bereit erklärt hat. Ein wenig Aufbegehren – in aller transatlantischen Partnerschaft – gegen die USA kommt in Deutschland weit über die sozialdemokratische Wählerschaft hinaus immer gut an, nicht erst seit Schröders Nein zur Beteiligung am Irak-Krieg.

Aber noch einmal: Führt Deutschland, führt Olaf Scholz? Er selbst würde das sicher bestätigen, würde dieses Austarieren gesellschaftlicher Stimmungen im eigenen Land und das Formieren europäischer Koalitionen anstatt eines Voranpreschens so bezeichnen. Man kann nur hoffen, dass ihm die Geschichte recht geben und dass seine Taktik nicht dazu führen wird, dass die militärische Hilfe für die Ukraine zu spät kommt.

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