Corona in den USA - Krise ohne Ende

Die Corona-Pandemie erschüttert die Vereinigten Staaten - allen voran New York. Das Gesundheitssystem droht zu kollabieren, mitten im laufenden Wahlkampf ist die Situation unübersichtlich. Viele blicken sehnsüchtig nach Deutschland.

Ist die Corona-Krise das „Pearl Harbor" für die Ärzte in den USA? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

So erreichen Sie Eva C. Schweitzer:

Anzeige

Nadja, ein hustender Tiger im Zoo in New York hat vermutlich das Coronavirus. Angesteckt hat sie sich bei einem (symptomfreien) Pfleger, denn der riesige Zoo inmitten der Bronx ist, wie alles, für Besucher geschlossen. Drei andere Tiger und drei Löwen hat Nadja schon infiziert. Angesichts der vielen Unklarheiten über die Krankheit wirft das die Frage auf: Könnte meine Hauskatze auch infiziert sein? Und kann sie mich anstecken?

Bereits jetzt gaben viele Amerikaner ihre Tiere vorsorglich im Tierheim ab, dieser Trend könnte sich verschärfen. Denn die Corona-Krise hat – Stand Dienstag – fast 11.000 Amerikaner das Leben gekostet, mindestens 368.000 sind positiv getestet, und es ist nicht einmal einfach, sich testen zu lassen. Surgeon General Jerome Adams, der oberste Ärztevertreter sprach davon, dass diese Woche „unser Pearl Harbor" bevorstehe.

Jared Kushner als Corona-Experte

US-Präsident Donald Trump hatte Corona erst auf die leichte Schulter genommen – an Ostern, hoffte er, würden die Kirchen wieder voll sein – und dann die Gouverneure der Bundesstaaten um Hilfe aus Washington konkurrieren lassen. Inzwischen wurde auch bekannt, wessen Idee es war, die Staaten kurzzuhalten: Jared Kushner, der Schwiegersohn des Präsidenten und wie dieser gescheiterter Immobilienmogul, der Trump nun auch – bar jeder Qualifikation – in Sachen Corona berät.

Kushner erklärte, der Sinn der Vorräte des Bundes – Masken, Beatmungsgeräte – sei, dass der Bund einen Vorrat habe, nicht die Staaten. „Das ist unser Vorrat, nicht deren Vorrat" sagte Kushner. Man könnte natürlich fragen, für welche Menschen wird dieser Vorrat gebraucht, wenn nicht für die, die in den Bundesstaaten wohnen? Im Auftrag von Kushner entwickelte zudem die private Krankenversicherung Oscar Health eine Website mit Hinweisen zu Corona. Einer der Gründer und Investoren war Kushners Bruder Joshua. Die Website ist inzwischen aus dem Netz verschwunden.

Ein tödliches Wundermittel

Inzwischen aber hat Trump ein Wundermittel gegen Corona entdeckt: Das Medikament Hydroxychloroquine; er hat bereits 29 Millionen Pillen kaufen lassen. Hydroxychloroquine dient eigentlich zur Malaria-Prophylaxe, es ist umstritten, denn es hat – wie alle Malariamittel – schwere Nebenwirkungen. Es kann zum Herzstillstand führen und – erklärte CNN-Hausarzt Sanjay Gupta – es schwächt das Immunsystem. Das nimmt man in Kauf, weil Malaria oft tödlich verläuft, für Corona-Patienten aber, vor allem jüngere, macht das nicht unbedingt Sinn.

Trumps Gesundheitsberater Dr. Anthony Fauci warnte vor der Einnahme von Hydroxychloroquine (Trump hat Fauci verboten, darüber öffentlich zu sprechen). Das beeindruckt nicht jeden; ein Ehepaar in Maricopa, Arizona starb, weil es einen Aquariums-Reiniger schluckte, der ebenfalls Chloroquin enthielt. Nun soll Hydroxychloroquine an 3.000 Versuchspersonen getestet werden, erklärte Vizepräsident Mike Pence. Ausgesucht wurde dafür das Henry Ford Hospital Detroit. Detroit ist eine Großstadt mit einem Anteil von 84 Prozent von Afro-Amerikaner, aber dass gerade diese Stadt als Versuchskaninchen ausgesucht wurden, ist sicherlich Zufall.

Kampf gegen das Virus und um die Wählerstimmen

Aber genug über Trump, was macht eigentlich der designierte, wenngleich noch nicht gewählte Kandidat der Demokraten, Joe Biden? Der denkt darüber nach, den Krönungsparteitag der Demokraten im August online abzuhalten; er sammelt auch Spenden online ein. Derweil hatte sein einziger noch verbliebender Konkurrent, Bernie Sanders, einen fulminanten Auftritt bei der HBO-Show „Real Time with Bill Maher".

Wenn er Präsident wäre, wäre es seine oberste Priorität, eine neue Große Depression zu verhindern, sagte er. Jeder Arbeiter, der Covid-19 habe, müsse weiterhin Lohnfortzahlung bekommen. Und die Staaten und Kommunen müssten genug Geld haben, um die Polizei und das Krankenhauspersonal bezahlen zu können, sonst breche alles zusammen. Sanders sieht die westeuropäischen Länder als Vorbild: Dänemark, Frankreich, Norwegen, Deutschland.

Deutschland gilt als Vorbild

Die Menschen dort müssten nicht ihre Corona-Behandlung aus eigener Tasche bezahlen und es gebe genug Hilfen für Arbeitslose. Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt nun vielen Amerikanern als Vorbild, weil es in Deutschland relativ wenig Corona-Tote gibt. Zwar hatte Merkel schon früher einen guten Ruf in den USA, auch unter Konservativen, der hatte aber durch die Flüchtlingskrise schwer gelitten. Nun schafft sie ein Comeback.

Das Wichtigste sei – meint die New York Times – frühes Testen in größerem Umfang, gut ausgestattete Krankenhäuser mit Intensivstationen und eine vertrauenswürdige Regierung, deren Richtlinien über Distanzhalten weitgehend befolgt würden. Ohnehin hätten viele Amerikaner gerne das deutsche System von sozialer Absicherung und allgemeiner Krankenversicherung, das dazu beiträgt, Deutschland während der Coronakrise stabil zu halten.

Zwischen Armut und Rassismus

In den USA hingegen verlieren viele ihre Krankenversicherungen mit dem Job. Ohnehin sind Arme in Amerika stärker betroffen. Deshalb wird in New York von Aktivisten aufgerufen, an den ersten drei Tagen des Monats nicht einkaufen zu gehen. Denn am Monatsersten werden Lebensmittelmarken ausgegeben, und viele arme Familien nutzen das, um ihre leeren Schränke wieder aufzufüllen.

Es soll vermieden werden, dass die sich in den Läden drängeln müssen und sich (und andere) womöglich anstecken. Das gleiche gilt auch für Waschsalons, die am Monatsanfang überfüllt sind. Ebenfalls besonders betroffen sind Asiaten. Immer wieder werden asiatische Immigranten angegriffen oder bespuckt – nicht nur Chinesen, auch Vietnamesen. In Midland, Texas versuchte ein Mann, eine vierköpfige asiatische Familie, darunter einen Zwei- und einen Sechsjährigen zu erstechen, weil er sie für Corona-Träger hielt. Und auch auf Touristen ist niemand gut zu sprechen.

Es gibt eine Einreisesperre für Fluggäste aus Europa, aber auch Kreuzfahrtschiffe werden nun geblockt. In Florida hängt die Coral Princess im Hafen fest, ein Schiff der in Miami basierenden Carnival Corporation, das fast 2.000 Menschen an Bord hat, darunter mehrere Kranke. Nach mehr als einer Woche hat sich der Gouverneur durchgerungen, die Amerikaner aufzunehmen, Ausländer dürfen aber nur von Bord, wenn sie einen unmittelbar bestätigten Flug in die Heimat haben. Und es gibt noch ein Opfer der Corona-Krise: Corona. Die mexikanische Brauerei stellt die Produktion des gleichnamigen Bieres ein.

Anzeige