Candace Owens - Nichts zu verlieren

Die Aktivistin Candace Owens steht für eine neue Generation rechtskonservativer Meinungsmacher in den USA: jung, schwarz, hipp – und trotzdem für die Republikaner.

Candace Owens spricht sich als Schwarze für die Republikaner aus / Mark Harrison
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Bücher, die provozieren, gibt es viele. Aber nur wenige Werke transportieren allein durch die Unterzeile auf dem Cover schon so viel Sprengstoff wie „Blackout“. „How Black America can make its second Escape from the Democrat Plantation“ steht in weißen Lettern auf dunklem Einband. Eine junge, schwarze Frau blickt dem Leser direkt in die Augen, die Mundwinkel selbstbewusst zu einem Hauch von Lächeln geformt. Auf manchen Aufnahmen sieht die Autorin, Candace Owens, aus wie die Pop-Sängerin Rihanna. 

Owens wurde im US-Bundesstaat Connecticut geboren. Sie wuchs bei ihren Großeltern auf, denen sie ihr erstes Buch auch gewidmet hat. „To Grandma and Granddad. May my every action make you proud“ steht in kursiver Schrift auf Seite 9. „Blackout“ ist im Jahr 2020 erschienen und hat es bis auf die Bestsellerliste der New York Times geschafft. Wer aber verstehen will, wie Candace Owens tickt und was das mit der US-Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr zu tun hat, kann es getrost auch im Jahr 2023 erstmals zur Hand nehmen. Owens schreibt (vom Autor dieser Zeilen übersetzt): „Es ist unbestreitbar, dass die Demokraten im schwarzen Amerika seit mehreren Jahrzehnten die Oberhand haben. Sie haben unsere Emotionen gekonnt manipuliert und sich die unbestrittene Bindung unserer Stimmen gesichert. Im Gegensatz zur physischen Versklavung unserer Vorfahren ist die Versklavung heute mentaler Natur.“

Owens „Red Pill-Moment“

Noch ist offen, ob die Republikaner Donald Trump, Ron DeSantis oder einen überraschenden Dritten als nächsten Kandidaten ins Rennen um das Weiße Haus schicken werden. Sicher ist, dass Owens trommeln wird für die Republikaner bei der schwarzen Bevölkerung. 

Wie groß ihr Einfluss wirklich ist, darüber lässt sich streiten. Gleichwohl steht Owens eben auch exemplarisch für eine neue, eine andere Generation rechtskonservativer Meinungsmacher, die ein wahrer Albtraum sind für das woke Amerika – und es bei der kommenden Wahl auch für die Demokraten werden könnten. Publizierende Aktivisten, die eigentlich wunderbar in jene identitätspolitischen Schubladen passen, die von der amerikanischen Linken erdacht wurden, aber dennoch auf der Seite des Gegners stehen. 

 

Das könnte Sie auch interessieren:

 

Owens hat Journalismus studiert, wenn auch nicht bis zum Ende, arbeitete später für die Modezeitschrift Vogue und von 2012 an für ein Private-Equity-Unternehmen. Für Politik habe sie sich, gab Owens einmal zu Protokoll, früher nicht interessiert. Ihr politisches Engagement begann zunächst mit Blog-Artikeln; kritische Beiträge über die Tea Party und Donald Trump. Doch im Jahr 2017 folgte dann ihr „Coming-out“ als Republikanerin – in einem viel geklickten Youtube-Video. Laut Owens wurde sie wenige Monate zuvor von einer kämpferischen Rede Trumps in Michigan bekehrt, die mit dem Satz endete: „What the hell do you have to lose?“ Trump habe ihr eine „Red Pill“ verpasst, sagt sie. Der Ausdruck ist angelehnt an den Film „Matrix“, in dem die Einnahme einer Pille den Helden aus der Simulation von Realität in die echte Realität holt. In Amerika meinen Neurepublikaner damit ihren Aha-Moment, durch den sie sich loslösen konnten von linken Narrativen.

Andere Rezepte als die Linke

Dass es Owens seither wagt, als schwarze Frau gegen die Demokraten ins Feld zu ziehen, stößt freilich auf Widerstand. Als sich Owens vergangenes Jahr gemeinsam mit dem Musiker ­Kanye West (heute „Ye“) mit einem „White Lives Matter“-Shirt ablichten ließ, war die Aufregung groß – und reichte bis nach Deutschland. In der Frank­furter Rundschau wurde ihr vorgeworfen, sie würde als Schwarze gegen andere Schwarze „ätzen“. Wer Owens Buch liest und ihre Aussagen in den sozialen Medien rezipiert, kommt womöglich zu einem anderen Schluss – auch wenn sie manchmal übers Ziel hinausschießt. ­George Floyd, dessen Tod die Black-Lives-Matter-Proteste auslöste, unterstellte sie etwa, nicht durch Polizeigewalt, sondern durch die Einnahme von Fentanyl gestorben zu sein. Mehrmals trat sie zudem als Kommentatorin beim für Verschwörungstheorien bekannten Strea­mingkanal Infowars auf.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass sie die Probleme der schwarzen US-Bevölkerung – die in der Arbeitslosenstatistik genauso überrepräsentiert ist wie in den Gefängnissen – klar benennt. Mit dem Unterschied, dass Owens eine andere Erklärung liefert als linke Aktivisten. Während Letztere im Prinzip jede Ungleichheit mit strukturellem Rassismus begründen, fordert Owens, schwarze Amerikaner sollten sich gegen die Opferrolle entscheiden und sich lösen von staatlichen Almosen, die sie daran hindern würden, sich zu entfalten. Oder wie Owens es ausdrückt: „It’s time for a black exit.“ Ob dieser kommt und wie er dann gestaltet wird, werden die US-Wahlen zeigen.

 

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

Jetzt Ausgabe kaufen

Anzeige