Bundeswehr in Mali - Ohne Zukunft?

Ohne den Schutz der Franzosen, der einzig wirklich kampffähigen Truppe in Mali, kann die Bundeswehr nicht in Mali bleiben. Sicher nicht mit dem bisherigen Auftrag. Ein weiterer Beleg, wie notwendig eine bessere europäische Zusammenarbeit auch im Militärischen ist.

Französische Soldaten beenden ihren viermonatigen Einsatz in der Sahelzone / dpa
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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Der zweite Putsch in neun Monaten stürzte Mali Ende Mai endgültig ins Chaos. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat das Land umgehend suspendiert –  Frankreich setzte gemeinsame Militäraktionen mit der malischen Armee aus. Nun hat Präsident Macron auch das Ende der Anti-Terrormission Barkhane im ganzen Sahel angekündigt. Die erst kürzlich verlängerten und ausgeweiteten deutschen Missionen stehen damit ebenfalls zur Disposition.

Völlig unbestreitbar ist der Sahel-Gürtel politisch hochgradig instabil. In der riesigen Wüstenregion von Mauretanien über Mali, Algerien und Niger bis zum Tschad existieren weder erkennbare und damit kontrollierbare Grenzen noch irgendeine staatliche Macht, die das könnte. Es ist ein einziges Rückzugs- und Aufmarschgebiet für zahlreiche islamistische Terrorzellen, teilweise mit dem IS oder Al-Quaida assoziierte Milizen, für einheimische wie „zugewanderte“ Söldnertruppen. 

Schon 2013 konnte nur mit massiver Hilfe französischer Truppen ein Marsch dieser Milizen auf die malische Hauptstadt Bamako überhaupt gestoppt und zurückgedrängt werden. Seitdem kämpfen 5.000 französische Soldaten im ganzen Sahel. 50 Soldaten sind dabei gefallen.

Malis Militär ist schlecht

Malis Militär ist den Milizen nicht ansatzweise gewachsen. Schlecht ausgebildet und ausgerüstet laufen die Soldaten vor Gefechten weg oder gleich über. Und ihre Vorgesetzten drängen sich lieber in der Hauptstadt Bamako um Pfründe, Einfluss und Macht, als im unwirtlichen Norden des Landes Terroristen zu bekämpfen.
Im August 2020 hatte Oberst Assimi Goita erstmals geputscht, den gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita gestürzt und Bah N‘Daw als Übergangspräsidenten und Moctar Ouane als Ministerpräsidenten eingesetzt. Oberst Goita putschte nun erneut unter dem Vorwand, die Sicherheitslage im Land habe sich nicht verbessert. Dieses Mal ließ er die selbsteingesetzte Regierung verhaften und sich persönlich vom Verfassungsgericht zum Präsidenten erklären.

Fragwürdiger Einsatz Deutschlands

Mit dem Rückzug aus Afghanistan wird der deutsche Einsatz in Mali – MINUSMA im Rahmen der UN plus die europäische Trainingsmission EUTM – mit insgesamt knapp 1.800 Soldaten zum größten Auslandseinsatz der Bundeswehr. Zweck ist laut Bundesregierung „die politische Stabilisierung Malis und die Bekämpfung des Terrorismus in der gesamten Sahel-Region“. Deutsche Soldaten sind in Mali ausdrücklich nicht an Kampfhandlungen beteiligt. Sie sind dafür weder ausgerüstet noch fähig. 

Man konnte schon zuvor genügend Fragezeichen hinter den Einsatz setzen. Aber nun erst recht. Wo ist die politische Stabilisierung, wenn derselbe Oberst in nicht einmal einem Jahr zweimal erfolgreich gegen die eigene Regierung putscht? Warum bildet die Bundeswehr Militärs aus, wenn die offenbar lieber die eigene Regierung beseitigen, statt islamistische Terroristen zu bekämpfen? 

„Ertüchtigung und Selbstbefähigung“ – wie es die Bundesrepublik als ehrenwertes Ziel propagiert – setzte voraus, dass es nennenswerte demokratische Strukturen gäbe, bei deren Ausbau man unterstützen könnte. Dem ist nicht so. Die Stiftung Wissenschaft und Politik konstatiert in ihrer jüngsten Studie zur Region die „völlige Wirkungslosigkeit“ dieses Ansatzes. Macron hat die Konsequenz gezogen und das Ende der „opération Barkhane“ verkündet. Er sprach wörtlich von einem Ermüdungs- und Abnutzungsprozess sowie vom „Gefühl, die Präsenz habe Weg und Ziel verloren“. Harter Tobak. So scheint es zumindest.

Macrons Appell an Europa

Aber Macron hat ausdrücklich kein Datum für den Abzug der Soldaten genannt. Genau genommen hat er das Wort Abzug gar nicht benutzt. Er will in erster Linie den Putschisten deutlich machen, dass er jederzeit abziehen könnte, sollte sich Mali in die falsche Richtung bewegen. Was der Präsident gleichzeitig erreichen will, ist eine Neuausrichtung der Mission und eine andere Zusammensetzung der Kampfeinheiten. 

Das richtet sich nicht allein an die Staaten der Region. Selbstverständlich kann es auf Dauer nur gelingen, die Terroristen zurückzudrängen, wenn Mali und die anderen Staaten des Sahel sich selbst dafür verantwortlich fühlen. Macrons Appell gilt aber auch den europäischen Partnern, allen voran Deutschland. Er fordert mehr Einsatz. Gerade auch da, wo es gefährlich ist.

Kampffähig sind nur Franzosen

Für die deutsche Politik bedeutet das, sich endlich ehrlich zu machen. Soldaten mit einem reinen Ausbildungsauftrag können die Probleme in Mali, dem Sahel oder sonst irgendwo nicht lösen. Bestenfalls ernten sie zu Hause ungerechtfertigte Kritik für ihren mangelnden Erfolg; schlechtestenfalls bilden sie in Mali die nächste Generation Putschisten aus. Entweder bekennt man sich zu der machtpolitischen Option, islamistische Terrorgruppen mit aller Härte und Macht zu bekämpfen – auch um mittelbar die chinesische Einflussnahme in der Region zu unterbinden – oder aber man zieht ab.

Was auch immer in Deutschland diskutiert wird, ohne den Schutz der Franzosen, der einzig wirklich kampffähigen Truppe in Mali, kann die Bundeswehr nicht in Mali bleiben. Sicher nicht mit dem bisherigen Auftrag. Ein weiterer Beleg, hätte es dessen denn bedurft, wie notwendig eine bessere europäische Zusammenarbeit auch im Militärischen ist.

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