„Blackout“ von Candace Owens  - Streitbare Weckruferin

Candace Owens ist die derzeit wohl kontroverseste Akteurin im US-Kulturkampf. Die Aktivistin ruft schwarze Amerikaner dazu auf, sich von den Demokraten abzuwenden. Ihr erstes Buch „Blackout“ ist ein Rundumschlag gegen Amerikas Linke – und ein Bestseller obendrein.

Candace Owens mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus (2019) / picture alliance
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Autoreninfo

Lisa Davidson ist Journalistin, freie Autorin und Podcast-Host. Sie lebt in Virginia, USA. 

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Die US-Publizistin Candace Owens ruft schwarze Amerikaner auf, sich von den Demokraten ab- und den Republikanern zuzuwenden, um „die Plantage“ ein weiteres Mal zu verlassen. Dabei gehörte sie vor wenigen Jahren noch selbst zu den größten Kritikern der Republikaner – bis zu ihrem Coming-Out. Nun hat sie mit „Blackout - How Black America Can Make Its Second Escape from the Democrat Plantation“ ihr erstes Buch vorgelegt, das derzeit nur auf Englisch verfügbar ist.  

Candace Owens, das vorweg, ist eine kontroverse Figur in der amerikanischen Politik, die für ihre unverblümten konservativen Ansichten und ihre Kritik an der progressiven Linken bekannt ist. Ihre umstrittenen Meinungen zu Themen wie Rassismus, Feminismus und Polizeigewalt haben sie zu einem Social Media Star gemacht, der von Republikanern geschätzt und Demokraten verabscheut wird. In ihrem Buch „Blackout“ schildert sie nun ihren Weg zur konservativen Erkenntnis und ihre Ansichten zu heiß diskutierten Punkten wie Rassismus, Glauben, Medien und Kultur. Nach der Lektüre ihres Rundumschlags ist eines sicher: Entweder man liebt oder hasst Owens – und das zu 100 Prozent.

Vom „Hate Crime“-Opfer zur konservativen Aktivistin

Owens hat ihr Buch, das es bis auf die New York Times Bestsellerliste geschafft hat, ihren Großeltern gewidmet, die einen bedeutenden Einfluss auf ihr Leben und ihren politischen Werdegang hatten. Doch die konservativen Wurzeln, die sie im Haus ihrer Großeltern kennenlernte, hat Owens erst später zu schätzen gelernt, erzählt sie. Während sie aufgrund ihrer guten Noten von ihren schwarzen Mitschülern als Außenseiter angesehen wurde – schlechte Noten werden auch heute noch bei vielen Schwarzen als „cool“ angesehen – wurde sie später selbst Opfer eines „Hate Crimes“, bei dem drei weiße Mitschüler rassistische Nachrichten auf ihrer Mailbox hinterließen.
 

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Die harschen Worte von Ex-Präsident Donald Trump, die er während seiner Präsidentschaftskampagne 2016 an die Gesellschaft richtete, rissen Owens nach eigenen Angaben aus ihrer Opferrolle. Der Gedanke an ihren Großvater, der in den 1940er und 1950er Jahren im Süden der USA aufwuchs und „wahren“ Rassismus erlebte, setzte ihre eigene Situation in Perspektive. Laut Owens wird es Rassismus zu einem gewissen Maß immer geben, nur nicht systemisch. Und die aktuelle Lage in den USA könne niemanden daran hindern, erfolgreich sein zu wollen. Es ist etwas Wahres dran. Owens schreibt (Buch-Zitate aus dem Englischen übersetzt): 

„Sicherlich würde kein vernünftiger Mensch das Argument vorbringen, dass Amerika seit den 1960er Jahren ein rassistischeres Land geworden ist, was der offensichtlichen Wahrheit Platz macht, dass diese Ungleichheiten wenig mit systemischer Unterdrückung zu tun haben. Aber offensichtliche Wahrheiten waren noch nie der Weg der Demokratischen Partei.“

Opferrolle unlogisch und unverdient

Owens schreibt und spricht über viele Situationen, in denen Demokraten eine stark vereinfachte Version der amerikanischen Geschichte nutzen, der afroamerikanischen Gemeinschaft eher zu schaden als zu helfen. Ganz vorne mit dabei ist die Tatsache, dass die Linke schwarze Amerikaner stetig als Opfer darstelle. Dennoch ist es für viele Schwarze eine unausgesprochene Regel, jeden demokratischen Kandidaten zu unterstützen. Und da viele schwarze Amerikaner nach wie vor keine echte Alternative sehen, nehmen liberale Politiker die Stimmen der Schwarzen mittlerweile als selbstverständlich hin. In „Blackout“ argumentiert Owens, dass diese automatische Loyalität sowohl unlogisch als auch unverdient sei.

Owens argumentiert, die demokratische Partei könne auf eine lange Geschichte des Rassismus zurückblicken, und legt die Ideale offen, die Schwarze daran hindern sollen, sich aus der Armut zu befreien, um ein unabhängiges und erfolgreiches Leben zu führen. Die Alternative? Sich endlich von der Linken und der eigenen Opferrolle trennen, sagt Owens. Denn die wohl wichtigste Erkenntnis sei: Mit Freiheit kommt auch persönliche Verantwortung. 

„Natürlich wird der Erfolg dieser Strategie der gebrochenen Versprechen durch unsere Akzeptanz ihres Opfer-Narrativs angeheizt. Und da Opfer nicht gleichzeitig auch Sieger sein können, ist das Endergebnis ein paradoxer Alptraum: ein endloser Kreislauf, in dem wir für notwendige Veränderungen stimmen, uns aber weigern, die Art und Weise, wie wir wählen, zwangsläufig zu ändern.“

Erfolg ohne Unterstützung und Anreize

Ein weiteres Problem, das Schwarzen nach wie vor „Ketten anlegt“ – Owens zieht in ihrer Äußerungen wie auch in ihrem Buch immer wieder Parallelen zur Sklaverei – sieht Owens in der Sozialhilfe, die Hand in Hand mit einer blinden Unterstützung der Demokraten gehe. Und auch hier muss man Owens Recht geben, denn ihre Beobachtung, dass staatliche Gelder die schwarze Gesellschaft eher einschränken, ist keine krude Behauptung. Ein Blick in die Geschichtsbücher verrät beispielsweise, dass Afroamerikaner von 1900 bis 1913, zu einer Zeit, in der Schwarze wenig berufliche Optionen hatten, sehr erfolgreich waren. Die Anzahl schwarzer Unternehmen hatte sich von 20.000 auf 40.000 verdoppelt – ohne Unterstützung oder Anreize durch die Regierung. 

Dann kam der New Deal, eine Reihe von Programmen und Projekten, die während der Großen Depression von Präsident Franklin D. Roosevelt ins Leben gerufen wurden, um den Wohlstand der Amerikaner wiederherzustellen. Die Programme boten in erster Linie Unterstützung für Arbeitslose, Jugendliche und ältere Menschen. Doch die temporäre Unterstützung blieb und hatte laut Owens besonders negative Konsequenzen für die afroamerikanische Familie. Frauen würden bestärkt, kritisiert sie, ihren Nachwuchs ohne Mann im Haus aufzuziehen, weil sie notfalls auf das Sozialsystem zurückgreifen könnten. Und ironischerweise wissen nur die wenigsten Schwarzen von der erfolgreichen Zeit ihrer Vorfahren.

Owens sagt, was viele nur denken

Ob zum Thema Polizeibrutalität, Feminismus oder Rassismus – Owens spricht vielen aus der Seele. Doch anstatt leere Behauptungen in den Raum zu werfen, sind ihre Standpunkte gut recherchiert und intelligent argumentiert. Und die Statistiken sind auf ihrer Seite: Die Zahlen belegen, dass Amerika weniger ein Problem mit Polizeibrutalität, sondern mehr mit Kriminalität und Brutalität von Schwarzen gegen Schwarze hat. Schwarze Schüler schneiden überdurchschnittlich schlecht ab – von der Grundschule bis zur High School – und Statistiken belegen, dass Kinder aus vaterlosen Familien eher in Armut leben, in Drogen- und Alkoholmissbrauch verwickelt sind und die Schule abbrechen. Und die Zahl alleinerziehender Mütter ist unter schwarzen Frauen besonders groß. 

„Blackout“ von Candace Owens

Doch statt solchen Tatsachen ins Auge zu blicken, verstecken sich viele Schwarze immer noch hinter ihrer Opfermentalität, argumentiert Owens. Interessanterweise ist dieses Phänomen besonders bei schwarzen Amerikanern zu sehen, die im Land geboren wurden. Immigranten, die nach Amerika gekommen sind, um ein besseres Leben zu führen, sind stolz darauf, für ihre Freiheit und ihren Erfolg zu arbeiten, anstatt auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. 

Problematisch ist auch, dass sowohl Medien als auch Schulsysteme eher liberal ausgerichtet sind und die Opferrolle schwarzer Amerikaner betonen, ohne alle Fakten offen auf den Tisch zu legen. Die Opfermentalität wird also von Klein auf gelehrt. Doch aus der Angst, öffentlich als Rassist dargestellt zu werden, bleiben derlei Wahrheiten meist unausgesprochen – von Schwarzen und Weißen.

Owens polarisiert und spaltet 

Während viele Owens als mutige und prinzipientreue Verfechterin konservativer Werte betrachten, sehen andere in ihr eine kontroverse und gefährliche Figur, die Hass und Intoleranz verbreitet. Zugegebenermaßen: Owens Rhetorik mag hier und da das Ziel verfehlen und ihr blinder Trumpismus zeigt sie nicht immer von seiner besten Seite, doch an vielen von Owens Thesen ist etwas Wahres dran. Die meisten ihrer Meinungsgenossen würden ihre wahren Ansichten öffentlich nur niemals zugeben. 

Wie zugespitzt die gesellschaftliche Lage und das Debakel um die Meinungsfreiheit in den USA ist, zeigt Owens aktuelle Situation. Zu Owens Daily Wire Show, die sowohl als Podcast und YouTube-Format ist und die eineinhalb Millionen Menschen abonniert haben, reist sie tagtäglich mit einem Bodyguard an. Und das, obwohl die Sendung in einem unscheinbaren Lagerhaus am Stadtrand von Nashville aufgezeichnet wird – zum Teil auch, um unter dem Radar zu bleiben. 

Owens weiß zu gut, dass es heutzutage nicht immer leicht ist, teils unpopuläre Meinungen öffentlich mitzuteilen – selbst wenn diese mit Fakten argumentiert werden können. Laut eigenen Angaben habe ihr das FBI bereits mitgeteilt, dass eine GoFundMe eingerichtet wurde, um ihren Mordanschlag zu planen. Den Mund verbieten lässt sie sich trotzdem nicht. Und auch, wenn man Owens nicht in allen Punkten zustimmen kann, sind ihre Argumente durchaus fundiert. Da kann man nur hoffen, dass der Wandel zu mehr Toleranz, der vor allem von Seiten der Demokraten gefordert wird, auch in Sachen der Meinungsfreiheit kommt.


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