Rüstungshilfe für die Ukraine - Eine Friedensperspektive ist nötig

Die Verdopplung der Ukraine-Hilfe ist vermutlich nicht besonders populär. Zu rechtfertigen wäre sie, wenn sich dahinter eine Perspektive für das Ende des Krieges auftäte. Den eindeutigen Sieg auf dem Schlachtfeld wird es wohl nicht geben.

Ukrainischer Panzer / picture alliance
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Politiker sind meist besonders großzügig mit der Vokabel „mutig“, wenn es um sie selbst geht. Aber im Falle der von Verteidigungsminister Boris Pistorius bestätigten Entscheidung der Bundesregierung, die Militärhilfe an die Ukraine von vier auf acht Milliarden Euro im nächsten Jahr zu verdoppeln, wäre diese Bewertung vielleicht wirklich angebracht. Denn es ist sehr zu bezweifeln, dass sie damit besonders große Begeisterung beim ohnehin schon extrem Ampel-müden deutschen Wahlvolk einwirbt.

Denn zu den wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass ein Krieg populär ist, gehört eben zusätzlich zu seiner moralischen Rechtfertigung, dass er erfolgreich und möglichst kurz ist. Das gilt auch für einen, den man nicht selbst kämpfen, aber finanzieren muss.

Der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine geht nun bald in sein drittes Jahr. Die Hoffnung auf den endgültigen militärischen Sieg schwindet. Im vergangenen Sommer sind die Offensivbemühungen der ukrainischen Armee gescheitert. Das muss man leider so feststellen. Die Geländegewinne waren gering. Militärisch erinnern die Kämpfe an die Westfront des Ersten Weltkriegs, wenn auch die Zahl der eingesetzten Soldaten und die Verluste geringer sind. Die westlichen Offensivwaffen, etwa die Panzer, scheinen in diesem Krieg nicht der ausschlaggebende Faktor zu sein.

 

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Selbst bei anhaltender oder gar steigender Militärhilfe des Westens scheint die Ukraine nicht fähig, die russischen Besatzer militärisch aus dem eigenen Land zu vertreiben. Allerdings scheinen auch die Russen endgültig die Fähigkeit und wohl auch den Willen zu einer kriegsentscheidenden großen Angriffsoperation verloren zu haben, die die Ukraine in ihrer Existenz gefährden könnte.

Auch die Hoffnung, die viele Beobachter im Westen, der Autor dieses Textes eingeschlossen, zu Anfang hegten, dass die russischen Soldaten und die Bevölkerung Putins Regime bei militärischem Misserfolg und hohen Menschenverlusten bald die Gefolgschaft aufkündigen würden, hat sich bisher offensichtlich nicht erfüllt. Wir wissen allerdings sehr wenig über die tatsächliche Stimmung in Russland, da es keine unzensierte Öffentlichkeit mehr gibt. 

Man muss leider auch feststellen, dass die wirtschaftlichen Sanktionen und die diplomatische Verdammung und Isolierung Russlands nicht so effektiv waren, wie man sich das wünschte. Die Wirtschaft Russlands scheint einigermaßen stabil zu sein, zumindest kurzfristig. Selbst der skurrile Aufstand der Wagner-Söldner und der möglicherweise von Putin arrangierte Tod ihres Anführers Prigoschin hat das Regime offenbar nicht fundamental ins Wanken gebracht. Was aber nicht heißt, dass das nicht noch geschehen kann.

Deutschland hat viel Geld zu verlieren

Die grundsätzliche Sympathie der Mehrheit der Deutschen und anderer westlicher Länder für den Verteidigungskampf der Ukrainer mag bleiben, da am Recht der Ukrainer, sich gegen die Aggression des russischen Putin-Regimes zu verteidigen, kaum überzeugend gezweifelt werden kann. Aber es gibt keine sichtbare Perspektive für ein baldiges und siegreiches Ende des Krieges. 

Und selbst für den Fall eines absehbaren Kriegsendes steht für Deutschlands Steuerzahler die Aussicht auf lang anhaltende Unterstützungszahlungen für ein sehr großes, sehr zerstörtes und auch sehr korruptes Land. Und die Aussicht, dass dieses Land auch noch der EU beitreten könnte, wird jenseits der Brüsseler Eurokratie, deren Personal sich dann auf zusätzliche, gut bezahlte Koordinierungsjobs freuen kann, wenig Begeisterung hervorrufen. Mit einem zusätzlichen Fass ohne Boden dürfte dann die schon jetzt längst erkennbare Überdehnung der Union für jeden unvoreingenommenen Beobachter offenkundig sein.  

Nicht nur aus wahltaktischem Eigeninteresse sollte der Bundesregierung deswegen, wenn in ihr noch ein Rest an Verantwortungsbewusstsein für das eigene Land übrig ist, die Aufstockung der Ukraine-Hilfe kein Selbstzweck sein, sondern sie sollte auf die mittelfristige Reduzierung der Zahlungen durch ein baldiges Kriegsende zielen. Man muss hoffen, dass jenseits der Öffentlichkeit auf ein baldiges Ende des Krieges hingearbeitet und womöglich bald auch darüber verhandelt wird – aus einer Position der vom gesamten Westen inklusive Deutschland gesicherten Stärke der Ukraine.

Die Lehre der Ukraine für den Westen

Einen eindeutigen Sieg der ukrainischen Armee mit klingendem Spiel und Paraden im wiedereroberten Sewastopol wird es nicht geben. Ein Waffenstillstand, der Putins Regime nicht stärker erscheinen lässt als es ist, also seine Annexionen nicht völkerrechtlich akzeptiert, würde aber auch nicht als Niederlage der Ukraine erscheinen.

Indem die Ukrainer überhaupt diesen Abwehrkrieg führen und als souveränes Land fortbestehen, erbringen sie schließlich den härtesten aller möglichen Beweise gegen Putins anachronistische russisch-imperiale Pseudo-Ideologie, wonach die Ukraine keine eigene Nation sei. Das allein ist schon eine riesige Niederlage für Putin. Langfristig kann dies auch seine Wirkung auf die Russen nicht verfehlen. Der Putinismus ist eigentlich längst als Lüge entlarvt.

Eine politische Lehre

Für Deutschland geht es realpolitisch nur darum, finanzielle Belastungen nicht über alle Maßen ansteigen zu lassen. Das einzige, was Deutschland, aber auch die anderen westlichen Länder aus diesem Krieg zu gewinnen hätten, wäre eine politische Lehre – wenn sich die  Eliten denn ausnahmsweise einmal als lernfähig erweisen sollten.

Denn der Abwehrkampf der Ukrainer führt dem Westen ein politisches Phänomen vor Augen, das der dominierende Diskurs dort für historisch delegitimiert hält und als eine Quelle von „Menschenfeindlichkeit“ und so ziemlich allen Übeln ausgemacht hat, und das deswegen aktiv zu überwinden sei: die Nation. Die Ukrainer zeigen mit ihrer Parole „Slawa Ukraini“ (Ruhm der Ukraine), dass (nur?) nationaler Zusammenhalt Menschen in die Lage versetzt, der Aggression einer imperialen, freiheitsfeindlichen Macht zu trotzen.

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