Militante Dschihadisten in Dschenin / dpa

Israel - Offensive gegen Terror-Hochburg

Die Stadt Dschenin im Westjordanland ist eine Brutstätte des palästinensischen Terrorismus. Eine großangelegte israelische Militäraktion kann zwar war als Teilerfolg verbucht werden, doch die Gewalt wird weitergehen. Denn hinter den meisten Terrorgruppen steht der Iran. 

Autoreninfo

Tal Leder ist als Producer für zahlreiche israelische und deutsche TV- und Dokumentarfilme tätig. Als freier Journalist und Autor schreibt er regelmäßig für verschiedene Medien.

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Auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada startete die israelische Armee (IDF) Ende März 2002 die Operation Schutzschild, was zur Wiederbesetzung der unter palästinensischer Autonomieverwaltung stehenden Städte führte. Ziel war es, die Welle palästinensischer Attentate zu brechen. Bei der sechswöchigen Militäraktion kam es damals besonders in Dschenin im Westjordanland zu schweren Kämpfen, das damals zur Keimzelle des Terrors zählte. Mit dem Ende der zweiten Intifada 2005 nahm die Gewalt in dem 50.000-Einwohner-Ort ab, der in den Folgejahren als Musterbeispiel für den Aufschwung palästinensischer Orte galt.  

Doch da er sich mittlerweile erneut zum Zentrum militanter Gruppen entwickelte, die für Anschläge im Westjordanland und innerhalb Israels verantwortlich sind, führte die IDF am frühen Montagmorgen vergangener Woche die 48-stündige Militäroperation „Haus und Garten“ durch, bei der zwölf palästinensische Terroristen und ein israelischer Soldat getötet wurden. Neben der Abschreckung war eines der Hauptziele, dem Charakter Dschenins als Terror-Zufluchtsstätte ein Ende zu setzen und der IDF mehr Handlungsfreiheit bei der Durchführung zukünftiger Razzien im Westjordanland zu ermöglichen. 

Nur ein erster Schritt gegen die Brutstätte des Terrors

„Die Gewalt gehört seit über 50 Jahren hier zum Alltag“, erzählt Jaffar Bataineh. „Die Menschen sind verzweifelt und schließen sich militanten Gruppen an, die sie für Terroranschläge missbrauchen. Die IDF antwortet mit Razzien, und so dreht sich die Spirale der Gewalt weiter.“ Der 58-jährige Palästinenser war früher Maskenbildner beim Freiheitstheater in seinem Heimatort Dschenin, bis dessen Gründer Juliano Mer Khamis 2011 vor dem Schauspielhaus von einem Islamisten erschossen wurde. Seit einigen Jahren betreibt Bataineh ein Fitnesscenter. „Der Sport gibt den Leuten eine Abwechslung“, erklärt er. „Ich versuche sie zu überzeugen, der Gewalt abzuschwören und sich auf ein Studium zu konzentrieren. Doch viele sehen ihre Zukunft bei militanten Gruppen und wollen Israel bei dessen nächster Operation in Dschenin bekämpfen.“ 

Dies wird höchstwahrscheinlich schon bald geschehen. Hochrangige IDF-Offiziere erklärten während der Operation – die sich hauptsächlich auf die palästinensische Terrorgruppe Islamischer Dschihad (PIJ) konzentrierte –, dass dies nur ein erster Schritt war, um gegen die Brutstätte des Terrors vorzugehen. Die Aktion gehört zu einer viel umfassenderen Kampagne namens Wellenbrecher, in dessen Rahmen seit Ende März 2022 fast täglich Razzien in palästinensischen Städten durchgeführt werden. Während der Operation hat die IDF – neben 300 gefangenen Terroristen – unzählige Waffen konfisziert und zahlreiche Waffenlager, Sprengstofflabore, und Logistikzentren zerstört. 

Noch während der Aktion gab es einen Terroranschlag in Tel Aviv

„Terroristische Aktivitäten werden natürlich weitergehen“, sagt der Reserve-Oberst Itamar Yaar. „Deshalb werden auch die IDF-Maßnahmen fortgesetzt.“ Der ehemalige stellvertretende Leiter des Nationalen Sicherheitsrates erklärt, dass der Terror nicht durch eine einzige Militärkampagne beseitigt werden kann. Doch in den 21 Jahren nach der Operation Schutzschild gab es im Nahostkonflikt erhebliche Veränderungen, die es in der bestehenden geopolitischen Struktur nahezu unmöglich machten, den palästinensischen Terror zu beseitigen. Yaar glaubt, dass es gegenwärtig nur darum gehen kann, die Gewalt zu begrenzen, nicht sie zu beenden. 

„Vielleicht führt die IDF schon morgen wieder eine begrenzte Aktion durch“, sagt Yaar. „Der Kampf gegen den palästinensischen Terror ist eine langfristige Operation.“ Er erzählt, dass Dschenin stets ein gefährliches Pflaster war und dass Sicherheitskameras in der Stadt es den Terroristen ermöglichten, die IDF-Aktivitäten zu überwachen und deren gepanzerte Fahrzeuge mit Sprengkörpern anzugreifen. „Um dies in Zukunft zu erschweren, umfasste unsere Aktion auch bewaffnete Drohnenangriffe.“ 

 

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Die Operation trug jedoch kaum dazu bei, die physische Kampfkraft des Islamischen Dschihad zu schwächen, da die meisten Kämpfer, einschließlich ihrer Führung, vor der IDF flohen. Auch hat sie andere Terroristen nicht davon abgehalten, Israel anzugreifen. Noch während der Militäraktion fuhr ein Palästinenser aus Hebron mit seinem Auto in eine Menschenmenge an einer Bushaltestelle in Tel Aviv und stach anschließend mit einem Messer auf Passanten ein, wobei neun Personen verletzt wurden. 

„Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) gilt in großen Teilen ihres Herrschaftsgebiets als korrupt und verhasst“, sagt Eitan Dangot, Generalmajor der Reserve und derzeit Verleger am MirYam Institute in New York. „Da die PA viele Städte nicht mehr kontrollieren konnte, entstand ein Machtvakuum, das von radikalen Kräften gefüllt wurde – vor allem im Flüchtlingslager Dschenin, das für die Palästinenser als Symbol ihres Kampfes gilt. Nur die Wiederaufnahme eines Nahostfriedensprozesses könnte dort vermutlich die Situation entspannen.“ 

Showdown zwischen Israel und dem Iran

Doch der ist seit 2014 eingefroren, und die derzeitige israelische Regierung hat kein Interesse daran, ihn wiederzubeleben. Das Fehlen eines wirksamen diplomatischen Prozesses trägt dazu bei, dass die Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung für die PA weiter nachlässt. Viele Palästinenser glauben, dass nur Gewalt Veränderung bringt, und setzen auf den Iran, die sämtliche Terrororganisationen im Nahen Osten unterstützt und Israel mit einem Mehrfrontenkrieg bedroht. Die israelische Regierung fürchtet, dass ihre Militäraktion in Dschenin zu einem Konflikt mit der Hamas im Süden und der Hisbollah im Norden auslösen könnte. Wie zum Beweis feuerten militante Palästinenser aus Gaza am Mittwoch Raketen auf Südisrael. „Teheran versucht, einen Zirkel von Stellvertretergruppen rund um Israel zu schaffen“, sagt Eitan Dangot. „Die Iraner arbeiten langsam und intensiv daran, unsere Schwächen zu erkunden und Terrorismus im Westjordanland und in Israel zu unterstützen, um damit von ihren Hauptaktivitäten abzulenken.“ 

Mit der Operation hat die IDF bewiesen, dass sie schnell und mit minimalen Verlusten ein begrenztes militärisches Ziel erreichen kann. Langfristig aber ist es nur ein weiteres Kapitel in einem Konflikt, der ohne eine diplomatische Lösung zu einem unvermeidlichen Showdown zwischen Israel und dem Iran führen wird. 

„Im Nahen Osten dreht sich alles um Macht und Kontrolle“, sagt Jaffar Bataineh aus Dschenin. „Es gibt immer solche, die glauben, alles haben zu können. Doch dass ist hier unmöglich.“ Sein Fitnesscenter in einer ehemaligen Lagerhalle aus der britischen Mandatszeit ist vorübergehend geschlossen. Wie viele Menschen träumt er vom Wandel und einem Ende der Gewalt. „Beide Völker haben ein Recht auf dieses Land“, sagt Bataineh und wünscht sich eine Wiederbelebung des Friedensprozesses: „Die internationale Staatengemeinschaft sollte beide Seiten dazu zwingen.“

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Maria Arenz | Mo., 10. Juli 2023 - 10:09

und "alleinseligmachender" Religion ist nun einmal ein vertrackte. Die europäische Geschichte weiß bis heute- Irland !- ein Lied davon zu singen. Daß an dem Elend da unten die Israelis schuld sind, habe ich auch lange geglaubt. Bis ich a) den Koran samt einer Geschichte des Judentums im Nahen Osten seit den glorreichen Tagen des Propheten studiert habe und b) einen Reisebericht von Mark Twain aus dem Jahr 1868 las einer Zeit also, in dem die Palistinänser stolze Untertanen des Osmanischen Imperiums waren und Juden dort eher vereinzelt vorkamen und nur als -keinesfalls bestimmende- Bürger zweiter Klasse geduldet wurden. Zitat: "Jerusalem: Lumpen, Elend, Armut, Schmutz- jene Anzeichen, welche eine muslimische Vorherrschaft deutlicher verkünden als die Fahne mit der Mondsichel- sind reichlich vorhanden..". Ähnlichkeiten mit den heutigen Zuständen im Gaza-Streifen und Teilen des West-Jordan-Landes sind vielleicht doch nicht zufällig und eben nicht dem Staat Israel zuzuschreiben.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 10. Juli 2023 - 11:39

Es ist ein Kennzeichen der Menschheit, das es die friedliebenden gibt und diejenigen, die andere nicht in Frieden leben lassen können und wollen, um selbst egoistische Ziele umzusetzen. Nicht nur die Palästinenser, auch in anderen Völkern wird aus den unterschiedlichsten Motiven heraus Hass und Gewalt gesät. Und wofür das alles? Am Ende kann niemand etwas mitnehmen, wird man vor Gott stehen und ggfls. wieder inkarnieren und die gleichen Probleme zu lösen haben, wie man sie vorher hinterlassen hat. Wir sind alle eine Menschheitsfamilie, die einen wissen es, die anderen wollen es nicht sehen. Und die politischen Regime, egal wie sie sich nennen, sie nutzen diese menschlichen Schwächen gnadenlos aus, um am Ende ihre eigene Macht zu erlangen oder zu festigen und die willfährigen Gläubigen sie sind Täter und Opfer zugleich. Die Menschheit bräuchte einen Neuanfang, aber wie? Ein Anfang wäre, den Herd seiner Gedanken reinzuhalten und sich der 10 Gebote zu erinnern und sie zu leben.

Ich weiß jetzt schon, dass der Platz niemals dafür reicht lieber Herr Konrad um Ihnen meine Skepsis was ein solches Unterfangen betrifft zu erläutern;)! Denn Zivilisation hin oder her, wir die Krone der Schöpfung sind und bleiben Raubtiere mit einem weiter entwickelten Hirn was uns zu äußerster Brutalität befähigt im Umgang mit Mitmenschen und der sonstigen Schöpfung. So wie man große Raubtiere nur bis zu einem bestimmten Punkt "zähmen" und zu dem gewünschten Wohlverhalten dressieren kann, so wenig kann man den Menschen mit Geboten von der Ausübung seiner niedereren Instinkte und Charaktereigenschaften abhalten. Sie wissen schon, in den Kopf des Täters zu versetzen und dergleichen, lässt die eigenen Niederungen und Reaktionen wie Rachegedanken, den Wunsch nach Gerechtigkeit notfalls mit Gewalt wie z.B. Todesstrafe et. durchzusetzen unschön zutage treten. Der Lack über dem ganzen Zivilisationsgebaren war wenn überhaupt kein bisschen abriebfest, geschweige ein Schutz für irgendwen. MfG

Romuald Veselic | Mo., 10. Juli 2023 - 12:22

dass die gleichen Personen, die von UA verlangen, Waffen zu niederlegen und sich quasi der RUS-Soldateska zu ergeben, nicht auf die Idee kommen, das gleiche der Hisbollah oder Hamas zu erzählen, denn sie nie über die Juden gewinnen werden, u das Land im Siegesfall, mit Terrorherrschaft überziehen, wie aktuell Taliban, IS o die Finsterlinge in Teheran.
Wenn Selenskyj & Co Neonazis sind(!), was sind dann die Pali-Orgs, die Israel vernichten wollen?

Ich glaube, auch wir in Europa irgendwann werden die IDF Erfahrungen nötig haben, denn der klerikale Terror wartet auf seine Gelegenheit. Dass dazu kommen wird, wissen die Verantwortlichen. Was sie nicht wissen, wann dazu kommen wird.

Übrigens, ich verlange v D-Regierung sofort die diplomatischen u konsularischen Beziehungen zum Iran zu kappen u das Personal (lauter Spione/Saboteure/Hassprediger) aus dem Land zu werfen. ?

Albert Schultheis | Mo., 10. Juli 2023 - 12:33

aber diesen einleitenden Satz bezweifle ich stark: "Denn hinter den meisten Terrorgruppen steht der Iran." Der Iran mag hinter den palästinensischen Terrorgruppen stehen, aber die Vereinigten Staaten stehen definitiv weltweit hinter den meisten Terrorgruppen bzw sie gerieren sich in vielen Fällen selber wie Terrorgruppen! Ich erinnere an Teile der Terrorgruppen des IS, die über Nacht zu "gemäßigten" Terrorgruppen deklariert wurden, weil sie gegen Assad in Syrien äußerst wertvoll zu werden versprachen. Davor die Taliban in Afghanistan, die man gegen die russischen Besatzer aufrüstete und heute die Bandera-Soldatesca Selenskyjs, die man wiederum gegen Russland aufgerüstet und instrumentalisiert hat. Und was sind die RotGrünen Khmer unter Scholz und Baerbock anderes als Terroristen und Mörder, die gestern noch "Soldaten sind Mörder!" skandierten und heute nicht davor zurückschrecken, wieder deutsche Panzer, Raketen und sogar international geächtete Streubomben ins Kriegsgebiet zu liefern?

Eigentlich kein Satz ohne Falschbehauptung.
1) Der IS hat keine "gemäßigten Ableger". Das ist eine Terrororganisstion, die auch andere islamistische Gruppierungen bekämpft. Die USA kooperieren in Syrien mit kurdischen Einheiten und sonst niemandem.
2) Als sich die Taliban bildeten (Anfang der 1990er Jahre), war die Rote Armee bereits aus Afghanistan abgezogen. Die Taliban pflegen heute übrigens recht gute Beziehungen zu Russland, aber das nur nebenbei.
3) Deutschland liefert keine Streumunition in die Ukraine. Aber Russland setzt sie seit Beginn seines Angriffskrieges massiv ein, auch gegen zivile Einrichtungen. Läuft bei Ihnen vermutlich auch unter "Befriedung"..
Wie gut, dass man hier nur 1000 Zeichen hat. Wer weiß, was Sie sonst noch erfunden hätten..?‍♂️

Christa Wallau | Mo., 10. Juli 2023 - 12:51

ist sich genau so uneins wie Israel u. die Palästinenser bzw. der Iran. Insofern ist z. B. von der UNO keine Lösung dieses Dauer-konfliktes zu erwarten.
Meines Erachtens wird es n i e zu einer friedlichen Ko-Existenz der verfeindeten Gruppen im Nahen Osten kommen.
Es hat in diesem Raum zu allen Zeiten blutige Auseinandersetzungen bzw. Kriege um Land u. Macht gegeben, die stets nur mit faulen Kompromissen endeten, welche nie lange andauerten bzw. mit dem totalen Sieg einer Seite.
Vernunft u. Friedensliebe haben immer einen schweren Stand, wo Gefühle von Hass, Rache u. Vergeltung das Denken der meisten Menschen bestimmen. Insofern gibt es keine realen Aussichten auf eine De-Eskalation im Nahen Osten, zumal die dort vorherrschende Religion Friedens- u. Nächstenliebe nicht zu ihren höchsten Werten zählt. Kehren wir daher besser vor unserer eigenen Tür u. sorgen wir bei uns für Ordnung u. Sicherheit, bevor wir uns in die Angelegenheiten v. Israelis u. Palästinensern hineinziehen lassen.

Albert Schultheis | Mo., 10. Juli 2023 - 15:48

Es ist gut, wenn von Hybris besoffene Hegemonen abtreten und neue Regime in den Vordergrund treten. Dann geht vieles unter, aber es werden plötzlich neue Schwerpunkte gesetzt und manches, was gestern noch die Gemüter bewegt hat, ist morgen irrelevant. ZZ erleben wir den rasanten Niedergang des Westens, Europa mit seinem zentralen Motor, seiner Milchkuh, Deutschland, versackt in Chaos und Dystopie, der alte Hegemon, die USA, hat sich völlig verhoben mit dem Ukrainekrieg, der gedacht war als gewitztes Schnäppchen, um die Russen auf's Kreuz zu legen auf Kosten ukrainischer junger Männer! Die dramatische Folge: der Westen, und besonders Europa wird Russland, das reiche östliche Kernland - Teil der abendländischen Kultur und Geschichte - verloren, es in die Arme Chinas getrieben haben! Und China, der neue, aufsteigende Hegemon vermag es, die sunnitischen Saudis mit den schiitischen Iranern an einen Tisch zubringen! Man rechnet bereits mit einem großen Krieg der Hegemonen innerhalb 2 Jahren.