Zweifel am Atomausstieg - Teurer Strom und feige CDU

Steigender Energiehunger und Klimaschutzpolitik machen Strom in Europa teurer und teurer. Kommt es zur Renaissance der Kernkraft? Der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet macht zumindest dahingehende Andeutungen.

Ein Stromzähler zeigt in einem Mietshaus die verbrauchten Kilowattstunden an / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Die Strompreise eilen von Rekord zu Rekord. Im August ist der durchschnittliche Preis für eine Kilowattstunde auf 30,4 Cent gestiegen. Das haben Berechnungen des Vergleichsportals Verivox ergeben. So teuer war elektrische Energie in Deutschland noch nie. Seit der Jahrtausendwende haben hat sich der Strompreis mehr als verdoppelt.

Der Verivox-Verbraucherpreisindex  betrachtet die Endpreise für Privathaushalte. Der Anstieg der vergangenen 20 Jahre gehe „vor allem auf stetig steigende Steuern, Abgaben und Umlagen in diesem Zeitraum zurück“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. 

Höhere Preise werden an den Verbraucher weitergegeben

Der aktuelle Anstieg hänge aber insbesonder damit zusammen, dass sich im Großhandel die Strompreise nach oben entwickeln. Am Montag kletterte der Großhandelspreis an der Leipziger Strombörse auf 200,88 Euro je Megawattstunde. So hoch war er laut Bundesnetzagentur seit neuneinhalb Jahren nicht. Laut Fachleuten ist das eine Folge der weltweit anziehenden Energienachfrage und des deutlich erhöhten CO2-Preises im EU-Emissionshandel.

„Die Preise, die Kraftwerksbetreiber für Verschmutzungsrechte zahlen müssen, sind zuletzt deutlich gestiegen; seit Jahresbeginn um rund 60 Prozent. Darüber hinaus belasten höhere Brennstoffkosten die Großhandelspreise. Dieser Anstieg wird nach und nach an die Verbraucher weitergegeben“, erklärt Verivox-Experte Storck.

„Träumerischer ökologischer Denkansatz“

Nicht nur Deutschland ist daher von steigenden Stromkosten betroffen. Auch in anderen Ländern, etwa in Spanien und Italien, steht das Problem weit oben auf der politischen Tagesordnung.  Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zitiert einen italienischen Energieexperten mit drastischen Worten: „Derzeit dominiert ein träumerischer ökologischer Denkansatz. Die Wahrheit ist aber, dass der ökologische Übergang aus heutiger Perspektive nicht auf einem soliden ökonomischen Fundament steht“, sagt Davide Tabarelli.

Tabarelli ist Präsident des Instituts Nomisma Energia, das vom früheren EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi mitgegründet wurde und nicht im Ruf stehe, extreme Positionen zu vertreten, so die FAZ. Er sorgt sich offenbar darum, dass die schwankende Stromerzeugung durch Erneuerbare nicht ausreichen werde, um Europas Energiebedarf zu decken und schlägt vor: „Wenn die Klimafrage ernsthaft angegangen würde und nicht nur den Salons der Öko-Träumer vorbehalten wäre, kann die Kernenergie eine ernsthafte Option sein.“

Kernenergie in der EU hochumstritten

Innerhalb der EU ist die Zukunft der Kernenergie hochumstritten. Deutschland versucht, den anderen Mitgliedsländern seinen Weg des Atomausstiegs aufzuzwingen, zumindest indirekt. Denn es will durchsetzen, dass Investitionen in Kernenergie nicht als Beitrag zum Klimaschutz gelten. Das kann weitreichende finanzielle und beihilferechtliche Folgen haben.

Frankreich, das seine Kernkraftwerke nicht nur als zuverlässige Energielieferanten, sondern auch als Grundpfeiler seiner nationalen Souveränität sieht, vertritt in der EU die Gegenposition. Mit Unterstützung aus Tschechien, Ungarn, Polen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien.

Energieversorgung im Wahlkampf nur Nebenrolle

Im deutschen Bundestagswahlkampf spielt das Thema Energieversorgung bislang eine Nebenrolle. Und wenn, dann geht es vor allem um den weiteren Ausbau von Wind- und Solarenergie, den alle denkbaren künftigen Regierungsparteien anstreben und beschleunigen wollen. Aber die wichtige Frage, was es für die Versorgungssicherheit und die Abhängigkeit vom Ausland bedeutet, wenn wie geplant bis Ende 2022 alle sechs verbliebenen deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet werden, wird kaum gestellt – geschweige denn ehrlich beantwortet.

Der Zeit-Journalist Jochen Bittner wirft der CDU deshalb „politische Feigheit“ vor:

Zwar hat Kanzlerkandidat Armin Laschet jüngst mehrfach betont, dass es angesichts des Klimwandels genau die falsche Reihenfolge sei, erst aus der CO2-freien Kernkraft und dann aus der Kohleverbrennung auszusteigen. Aber er warf diesen Fehler den Grünen vor, und behauptete, er sei nicht mehr zu korrigieren.

Angela Merkels kernpolitische Kehrtwende nach dem Unglück in Fukushima will Laschet offenbar nicht in Frage stellen. Zumindest nicht vor der Wahl.

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