Wohin mit Ihrem Geld? - Hört auf die Bären!

Nur noch wenige Anleger erinnern sich an die Zeiten hoher Inflation und enttäuschender Renditen an den Börsen. Umso mehr sollte man sich mit den Aussagen jener auseinandersetzen, die diese Erinnerung noch haben. Denn ob es gelingt, die Inflation in den Griff zu bekommen, darf bezweifelt werden.

Die Börsen kannten lange nur eine Richtung: nach oben. Unser Finanzkolumnist Daniel Stelter rät aktuell dazu, den Skeptikern mehr Gehör zu schenken
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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Die Zinsen dürfen nicht steigen, droht doch ansonsten eine neue Schuldenkrise. Die Immobilienpreise dürfen nicht sinken, droht doch ansonsten eine tiefe Rezession. Die Börsen dürfen nicht fallen, droht doch ansonsten eine neue Krise im Finanzsystem. Logische Konsequenz: Es gibt nur den Weg nach oben, und damit angesichts von Inflation und Nullzins nur eine Möglichkeit, die Ersparnisse zu sichern – den Kauf von Aktien. So lautet die Kernaussage vieler Banken und Vermögensverwalter.

Konditioniert durch 40 Jahre sinkende Zinsen und jederzeit zur Rettung von Schuldnern und Spekulanten bereite Notenbanken, erinnern sich nur noch wenige Anleger an die Zeiten hoher Inflation und enttäuschender Renditen an den Börsen. Umso mehr sollte man sich mit den Aussagen jener auseinandersetzen, die diese Erinnerung noch haben. Man sollte sich die Story der Bären anhören.

Die Märkte reagieren langsam

Nehmen wir Jeremy Grantham, einen Altmeister der Geldanlage. Nachdem er das Platzen der Dotcom-Blase und die Krise am US-Immobilienmarkt frühzeitig vorhergesagt hatte, warnte er Anfang 2021 vor der „größten Blase“ aller Zeiten. Diese Blase ist die Folge einer aggressiven Geldpolitik, die die Investoren in immer risikoreichere Anlagen getrieben hat. Die Bewertung der US-Börse relativ zum Bruttoinlandsprodukt, der Warren-Buffett-Indikator, war noch nie so hoch. Die Spekulationsbereitschaft war ebenfalls so hoch wie lange nicht. Dies vor dem Hintergrund einer Wirtschaft, die sich zögernd von den Folgen der Pandemie erholt, und deutlich anziehender Inflation. Sein Ratschlag damals: Aktien und Anleihen meiden.

Ein Jahr später wird klar, dass der Rat so falsch nicht war. Man muss bis 1939 zurückgehen, um einen ähnlich schlechten Start der US-Börsen in den ersten vier Monaten des Jahres zu finden. Der breit gefasste Russell-2000-Index der kleineren börsennotierten Unternehmen hat seit November in der Spitze 20 Prozent verloren. Grantham sieht dies dennoch nicht als Gelegenheit zum Einstieg. Im Gegenteil erinnert er daran, dass die „Börse einem Dinosaurier ähnelt, dessen Gehirn und Nervensystem so ineffizient waren, dass es lange dauerte, bis er merkte, dass man ihm in den Schwanz gebissen hatte“.

Aus seiner Sicht verkennen die Märkte die Zeitenwende aus dem deflationären in ein inflationäres Umfeld. Dabei zeigen seine Analysen, dass die Inflationsrate der entscheidende Faktor für die Bewertung an der Börse ist. Je höher die Inflation, desto geringer das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Diese eigentlich banale Erkenntnis dämmert den Börsianern erst langsam, was auch daran liegen dürfte, dass die meisten in ihrer aktiven Zeit noch keine Inflation erlebt haben. Gelingt es den Notenbanken nicht, die Inflation rasch in den Griff zu bekommen, drohen heftige Verluste.

Größter Risikofaktor: Immobilienmärkte

Was zur Rolle der Notenbanken führt. War es vor einem Jahr noch eine plausible Annahme, dass sie die Zinsen tief halten, hat sich die Situation nun grundlegend geändert. US-Fed, EZB und Bank of England stehen in der Kritik, die Inflationsdynamik unterschätzt zu haben. Trotz des Risikos, in einen Abschwung hinein die Zinsen zu erhöhen und damit eine Rezession auszulösen, werden die Notenbanken genau dies tun.

Ob es so gelingt, die Inflation in den Griff zu bekommen, darf bezweifelt werden. Zu viel Geld ist im System, zu wahrscheinlich ist die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, zu stark wirken Krieg und Klimapolitik. Wahrscheinlicher sind sinkende Gewinne aufgrund einer Rezession und höhere Kapitalkosten wegen höheren Zinsen. Damit nicht genug: Grantham sieht das größte Risiko in den Immobilienmärkten. Steigen die Zinsen für Hypotheken weiter, schlägt das gerade in Märkten wie den USA und Großbritannien unmittelbar durch. Und wie wir in Japan, Spanien und den USA gelernt haben: Ein Einbruch an den Immobilienmärkten schlägt spürbar auf die Wirtschaft durch.

Es lohnt, den Bären zuzuhören.

 

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen.

 

 

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