Konsequenzen aus Wirecard-Skandal - Deutschland hat ein massives Problem mit Finanzkriminalität

Im Wirecard-Skandal wird es keine echten Konsequenzen geben, glaubt Gerhard Schick, Gründer der „Bürgerbewegung Finanzwende“. Dabei habe Deutschland ein massives Problem mit Finanzkriminalität. Opfer seien ehrliche Unternehmer und Steuerzahler, deren Geld immer wieder ergaunert werde.

Fahndungsaufruf gegen Wirecard-Manager Jan Marsalek / dpa
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Autoreninfo

Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) war von 2005 bis 2018 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit Juli 2018 ist er Vorstand der „Bürgerbewegung Finanzwende“. Mitte August erschien sei Buch „Die Bank gewinnt immer - Wie der Finanzmarkt die Gesellschaft vergiftet“.

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Würde das Stück im Schauspielhaus dargeboten, fänden wir es unterhaltsam und kurzweilig. Doch leider ist das unwürdige Schauspiel um den Finanzkonzern Wirecard nicht die Erfindung eines genialen Schriftstellers, sondern sehr real: Milliardenverluste für Anleger; teilweise Geld, das fürs Alter bestimmt war; der Ruf des Finanzstandorts Deutschland ramponiert; Banken, die eh schon schwächeln wegen schwacher Erträge und wachsender Risiken, müssen ihre Kredite weitgehend abschreiben; hunderte Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze. Und noch etwas stört in der Realität genauso wie im Theater enorm: eine schwache darstellerische Leistung der tragenden Akteure.

Seinen Beginn nahm das Drama im beschaulichen Aschheim bei München. Eine kleine Software-Schmiede machte sich auf, die große Welt der Zahlungsdienstleister zu erobern. Ein Zukunftsfeld, die digitale Zahlungsabwicklung im Hintergrund, wurde in den Kern des Geschäftsmodells gestellt.
Über die Jahre wuchs Wirecard dann auch kräftig. Das klang alles plausibel, denn die Zahlungsströme im Netz wuchsen ebenfalls kontinuierlich. Der Aufstieg in den deutschen Aktienindex Dax im September 2018 erschien also nur folgerichtig. Als strahlende Helden feierte die Börse den Aufsteiger.

So eine Aufsicht braucht niemand

Weniger heldenhaft agierte die Finanzaufsicht BaFin, deren Aufgabe es ist, die Integrität des deutschen Finanzmarktes sicherzustellen. Seit dem Jahr 2008 bestanden Vorwürfe der Bilanzmanipulation bei Wirecard, seit 2015 wurden in der renommierten Financial Times schwere Vorwürfe der Bilanzmanipulation erhoben, seit 2018 stand Wirecard mit seinem Dax-Eintritt im öffentlichen Fokus. Eine Finanzaufsicht, die nicht in der Lage ist hier einzugreifen, degradiert sich selber zum Komparsen am Finanzmarkt. So eine Aufsicht braucht niemand.

Auftritt Wirtschaftsprüfer. Die Institution des Wirtschaftsprüfers wurde nach dem Börsencrash 1929 geschaffen, um als Wächter der Marktwirtschaft über die Bilanzen von Unternehmen zu fungieren. Doch berechtigte Zweifel an der vermeintlichen Erfolgsstory Wirecards wurden nicht ernst genommen. Die manipulierte Bilanz des Unternehmens wurde bis ins Jahr 2018 anstandsfrei testiert. Solche Wirtschaftsprüfer, die sich als Opfer der Bilanzfälschungen hinstellen, statt ihrer Rolle als Wächter zu spielen, sind überflüssige Staffage.

Irritierend auch die Rolle der Staatsanwaltschaft, die nur einseitig gegen die aufklärenden Journalisten, nicht aber gegen die Verantwortlichen des Konzerns ermittelte, und des Aufsichtsrats, der offenbar willfährig alles mitmachte, was der Vorstand so trieb, anstatt seiner Kontrollfunktion gerecht zu werden. 

Echte Konsequenzen wird es kaum geben

Und die Politik? Die zuständigen Ministerien, die Ressorts Wirtschaft und Finanzen, führen in den letzten Wochen seit der Insolvenz ihr eigenes Stück auf. Die wenig originelle Handlung könnte auch mit „Schuld ist immer jeweils der andere“ zusammen gefasst werden. Finanzminister Scholz sieht vor allem auch Versäumnisse auf Seiten der Wirtschaftsprüfer, welche im CDU-geführten Wirtschaftsministerium beaufsichtigt werden. Auf Unionsseite ist es umgekehrt. Echte Konsequenzen aus dem Drama Wirecard wird es so kaum geben.

Das schlimmste aber ist, dass diese Art Schauspiel in Deutschland schon seit Jahren wiederholt gegeben wird. Die Titel variieren – zum Beispiel CumEx oder P&R oder Geldwäsche – doch das Versagen von Finanzaufsicht, Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsräten, sowie die mangelnde Bereitschaft zu durchgreifenden Konsequenzen auf Seiten der Regierung wiederholen sich routinemäßig. Und damit ist das nächste Drama in dieser Reihe programmiert.

Ehrliche Unternehmer mit mafiöser Konkurrenz

Deutschland hat ein massives Problem mit Finanzkriminalität. Erstaunlich ist, wie passiv unser Land dieses Treiben hinnimmt, als seien wir alle unbeteiligte Zuschauer und nicht Geschädigte – als Steuerzahler, deren Geld ergaunert wird; als ehrliche Unternehmer, die von mafiöser Konkurrenz an den Rand gespielt werden; als fürs Alter vorsorgende Anleger, die relevante Summen verlieren.

Ich meine: Es wird Zeit, an dieser Situation endlich etwas zu ändern und Finanzkriminalität effektiv zu bekämpfen. Aus den Komparsen Finanzaufsicht, Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsrat müssen wachsame Kontrolleure werden. Denn das Problem Finanzkriminalität ist real und es gibt viel zu viele Verlierer.

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