Tom Buhrow - Der Erste

Zum Jahreswechsel übergibt Tom Buhrow den interimsmäßigen ARD-Vorsitz des WDR an den SWR. Auf den letzten Metern scheint er nicht weniger zu wollen, als noch kurz ARD, ZDF und Deutschlandradio zu retten.

Pünktlich vor seiner Verrentung bringt ARD-Chef Tom Buhrow Reformen bei den Öffentlich-Rechtlichen ins Spiel / Daniel Hofer
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Ich werde etwas tun, was in der medienpolitischen Debatte absolut unüblich ist: Ich werde einfach sagen, was ich denke“, leitete WDR-Intendant Tom Buhrow seine Rede ein, die er Anfang November vor dem Übersee-Club in Hamburg hielt. Der Verein wurde 1922 auf Initiative des Bankiers Max Warburg zur Förderung des Austauschs von Wirtschaft und Wissenschaft gegründet. Für Buhrow wurde er an diesem Tag zur Klartext-Plattform zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Buhrow verwies zwar darauf, dass er als Privatmann spreche, nicht als ARD-Vorsitzender. Sein Vortrag schlug dennoch hohe Wellen. Denn Buhrow ist 64 Jahre alt, hat nicht mehr allzu lange bis zum Rentnerdasein – und scheint auf den letzten Metern nicht weniger zu wollen, als noch kurz ARD, ZDF und Deutschlandradio zu retten. In Hamburg hatte er dafür allerlei Vorschläge im Gepäck.

Wieder ARD-Chef

Diese reichten von der Einrichtung eines Runden Tisches, „der die großen, grundsätzlichen Fragen beantwortet“, bis zur Forderung, dass ein „gedanklicher Neuanfang“ hermüsse, „ohne Denkverbote“. Selbst über eine Fusion von Landesrundfunkanstalten dachte er laut nach. Dass sich Buhrow damit auf vermintes Terrain wagte, dürfte ihm bewusst gewesen sein. Denn die „typischen Selbstverteidigungsreflexe“, von denen Buhrow ebenfalls sprach, sind gelernt beim Gebührenfunk. Wann immer Forderungen nach Reformen laut werden, folgen heftige Abwehrreaktionen. 

Thomas „Tom“ Buhrow wurde im Jahr 1958 geboren. Er studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Rheinische Landeskunde in Bonn, volontierte beim WDR und war später unter anderem Moderator der „Aktuellen Stunde“ sowie Leiter des ARD-Studios in Washington. Anschließend moderierte er die „Tages­themen“. Im Mai 2013 wurde er schließlich zum Intendanten des WDR gewählt. Bis Ende 2021 hatte er in dieser Funktion auch den Posten des ARD-Vorsitzenden inne – den er nach der Affäre um Patricia Schlesinger nun erneut bekleidet.

Der RBB hatte Anfang 2022 den ARD-Vorsitz übernommen. Als Intendantin wurde Schlesinger damit auch ARD-Vorsitzende. Dann berichtete Business Insider über „fragwürdige Dienstwagenprivilegien“, fehlerhafte Abrechnungen bei dienstlichen Abendessen und Beraterverträge, die nicht ganz koscher anmuteten. Und weil die Luft bald sehr dünn wurde, wanderte der ARD-Vorsitz zurück zum WDR und damit zu Buhrow – und Schlesinger nahm ihren Hut. Bis Jahresende bleibt das so. Dann übernimmt SWR-Intendant Kai Gniffke den Posten des ARD-Vorsitzenden. 

Teures grünes Sprachrohr

Auch Buhrow war in den vergangenen Jahren immer wieder Objekt der Berichterstattung. Wegen seines hohen Jahresgehalts, das bei 413.000 Euro liegt, aber auch wegen des „Umweltsau“-Skandals. In einem Satirevideo wurde damals von einem Kinderchor auf die Melodie von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ ein neuer Text eingesungen, in dem es unter anderem hieß: „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“. Nach massiver Kritik entschuldigte sich Buhrow stellvertretend, was innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht gut ankam – und von Teilen der Belegschaft, auch öffentlich, als Kapitulation vor einer überzogenen Kritik gewertet wurde.

Allerdings dürfte es den meisten Kritikern damals nicht zuvorderst um das „Umweltsau“-Video gegangen sein, sondern darum, dass dieser Ausrutscher als weiteres Indiz für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewertet wurde, der zu elitärer Besserwisserei, grünen Narrativen und linker Folklore neigt. Und das, obwohl ARD, ZDF und Deutschlandradio jährlich von allen Bürgern gefüttert werden und mit Beitragseinnahmen in Höhe von knapp 8,5 Milliarden Euro den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt bilden.

Entscheiden muss die Politik

Entscheidend für die Reformvorschläge des Tom Buhrow dürfte allerdings etwas anderes sein: der gesunde Menschenverstand. Würde man ARD, ZDF und Deutschlandradio heute neu erfinden, sähe das System wahrscheinlich ganz anders aus. Oder wie es Buhrow in Hamburg formulierte: „Jetzt geht es um nichts Geringeres als um die Frage: Was wollen wir von einem gemeinnützigen Rundfunk im 21. Jahrhundert? Wie viel gemeinnützigen Rundfunk wollen wir? Aber auch, im Umkehrschluss: Was wollen wir nicht? Oder nicht mehr?“

Es sind wichtige Fragen, die Buhrow stellte. Sie haben nur einen Schönheitsfehler: Das System kann sich nicht selbst reformieren. Das ist Aufgabe der Politik. Was ÖRR-Leute wie Buhrow aber sehr wohl tun können, ist, Debatten zur eigenen Zukunft anzustoßen. Idealerweise dauern die dann auch an – und versanden nicht wieder im Tagesgeschäft, wie schon vielfach erlebt. 

 

Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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