Das Wunder von Grünheide - Wie Tesla die deutsche Planungskultur aufmischt

Der Bau der Gigafactory von Tesla in Grünheide in Brandenburg geht zügig voran. Währenddessen versuchen Umwelt- und Naturschutzverbände unverdrossen, das Projekt auszubremsen. Doch ihre Chancen stehen schlecht.

Baustelle der Tesla Gigafactory in Grünheide, Brandenburg / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Elon Musk wird gewusst haben, worauf er sich einlässt, als er am 12. November 2019 verkündete, die erste europäische Gigafactory für die Produktion von Tesla-Autos in Brandenburg zu errichten. Er und seine Rechtsexperten werden sich genau über die Regularien und Fallstricke des deutschen Umwelt- und Planungsrechts und die Instanzenwege bei den zuständigen Gerichten informiert haben. Und er hält bis zum heutigen Tag unbeirrt an seinem Zeitplan fest, der eine Eröffnung der Produktionsstätte für bis zu 500.000 PKW pro Jahr im Juli 2021 vorsieht.

Die Landesregierung weiß er dabei an seiner Seite, und sogar die unteren Behörden des zuständigen Landkreises legten bei der Bearbeitung der Anträge und der Organisation der gesetzlichen Bürgerbeteiligung hierzulande bislang unbekanntes Tempo vor. Denn alle wissen: Tesla ist ein Lackmustest für den Investitionsstandort Deutschland, und ein Scheitern des Projekts wäre ein Debakel mit nachhaltigen Folgen.

Naturschutzverbände laufen Sturm

Widerstand gab es natürlich auch, von örtlichen Bürgerinitiativen in der bislang recht beschaulichen, südöstlich von Berlin gelegenen Gemeinde Grünheide, die in schwindelerregendem Tempo zu einem europäischen Hotspot der Automobilindustrie werden soll. Und von großen Umweltverbänden wie dem Naturschutzbund Nabu und der Grünen Liga, die vor allem schützenswerte Waldbestände, bedrohte Tier- und Pflanzenarten und die Gefährdung der örtlichen Wasserversorgung ins Feld führten.

Eine Sprecherin des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums bezeichnete Sorgen, Zweifel und auch Widerstände gegen das Großprojekt nach Anfrage von Cicero als „vollkommen normal und legitim“. Dennoch seien ihr Ministerium und darüber hinaus die gesamte Landesregierung fest davon überzeugt, dass die Gigafactory wie geplant errichtet werden könne.

Merkwürdige Nachlässigkeiten des Konzerns

Viele Einwände konnten mittlerweile behördlich und juristisch ausgeräumt werden, und die Bauarbeiten gehen zügig voran. Obwohl sich der Konzern einige erstaunliche Stockfehler leistete, wie etwa die Nichtbegleichung einer größeren Wasserrechnung und die fristgerechte Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 100 Millionen Euro für den Fall einer theoretisch noch möglichen Versagung der endgültigen Baugenehmigung und den dann anfallenden Rückbau der Anlage. Beides führte zu kurzzeitigen Bauunterbrechungen.                        

Auch diese Kuh scheint mittlerweile vom Eis zu sein. Dem Konzern wurde nach einer entsprechenden Weisung des Umweltministeriums vom Landesumweltamt eine Fristverlängerung bis zum 15. Januar zugestanden. Zudem gab Tesla eine sogenannte Patronatserklärung ab, laut der sich der Konzern zur Übernahme aller möglichen Rückbaukosten verpflichtet.

Artenschutz für Zauneidechsen hat Vorrang 

Das Projekt ist dennoch keineswegs in trockenen Tüchern. Denn bislang agiert der Konzern auf Grundlage vorläufiger Genehmigungen für den Bau und die damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft. Eine endgültige Baugenehmigung wird nach Prüfung einiger nicht behandelter Einwände seitens des Umweltministeriums für die erste Januarhälfte erwartet. Doch auch danach steht den klagefreudigen Umweltverbänden noch der Rechtsweg offen.

Die freuen sich derweil über einen Teilerfolg. Denn am 18. Dezember entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass einige Randflächen eines Waldgebietes von insgesamt 83 Hektar vorerst nicht gerodet werden dürfen, da der Artenschutz für dort siedelnde Zauneidechsen und Schlingnattern nicht gewährleistet sei.

Grüne Liga fürchtet Desaster für Grünheide

Doch was wollen die Naturschutzverbände tatsächlich erreichen? Geht es ihnen immer noch um die Verhinderung dieses nicht nur für Brandenburg wegweisenden Ansiedlungsprojektes? Michael Ganschow, Landesgeschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg, macht sich da wenig Hoffnungen. Die Tesla-Ansiedlung sei für den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) und die von ihm geführte Koalitionsregierung aus SPD, CDU und Grünen ein „Referenzprojekt, das ohne Rücksicht auf Verluste auf Biegen und Brechen durchgesetzt werden soll“, sagte Ganschow zu Cicero.

Das ganze Bürgerbeteiligungsverfahren sei stellenweise „eine Farce gewesen“, gewichtige Einwände nachgeordneter Behörden, etwa zur Wasserversorgung, seien ignoriert, Anhörungsprotokolle von Sachverständigen verschleppt worden. Teslas Verpflichtungserklärungen seien „juristisch nichts wert“, gravierende Planungsänderungen, etwa zur Verkehrsanbindung, wurden „einfach durchgewunken“. Zwar könnten die Verbände gegen den endgültigen Genehmigungsbescheid klagen, doch das bereits weit fortgeschrittene Projekt sei damit wohl kaum noch zu stoppen, zumal der Instanzenweg bis zum Bundesverwaltungsgericht mehrere Jahre dauern könne.

„Verheerende Signalwirkung“ für die Bürgerbeteiligung.  

Für die Gemeinde Grünheide und ihr Umland befürchtet Ganschow ein „regelrechtes Desaster“, vor allem in Bezug auf die Wasserversorgung. Doch auch bundesweit habe die Causa Tesla eine „verheerende Signalwirkung“. Denn es werde mit Unterstützung auf allen Ebenen ein umfassendes Rollback „der mühsam erkämpften Fortschritte beim Naturschutz- und Bürgerbeteiligungsrecht“ eingeläutet.   

Ähnlich – wenn auch aus dem entgegengesetzten Blickwinkel – sieht das auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „Es freut mich, dass Brandenburg mit Tesla zeigt, wie man mit unseren Gesetzen und Fördermöglichkeiten auch in kurzer Zeit Dinge durchsetzen kann“, sagte die Kanzlerin im Oktober in einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).     

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