Sven Giegold im Porträt - Habecks Steuermann

Vom Attac-Aktivisten zum Staatssekretär im Wirtschaftsministerium: Der Grünen-Politiker Sven Giegold, der schon gegen Freihandelsabkommen und für höhere Steuern kämpfte, ist ein prägender Kopf seiner Partei.

Sven Giegold / dpa
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So mancher Wirtschaftsvertreter fasste diese Personalie als Kampfansage auf: Sven Giegold, Mitgründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac und regulierungsfreudiger EU-Finanzpolitiker der Grünen, schaffte es mit Beginn der Ampelkoalition in die Chefetage des Bundeswirtschaftsministeriums. Als einer von vier beamteten Staatssekretären.

Während Ex-Kollege Patrick Graichen – der inzwischen über seine Trauzeugenaffäre gestolpert ist – spätestens durch den Wärmepumpenplan schnell ins Visier der Kritiker grüner Wirtschafts- und Energiepolitik kam, schafft es Sven Giegold bislang, eher geräusch­los zu bleiben. Dabei steht der frühere Antiglobalisierungsaktivist, der gegen Freihandelsabkommen und für höhere Steuern kämpfte, genauso wie Graichen für jenen grün-orthodoxen Geist, der den Klimaschutz verabsolutiert und die Interessen der deutschen Industrie unterordnet. 

Zehnköpfiges Kernteam der Grünen

Seine parteipolitische Karriere verlief steil. Schon als Schüler in Niedersachsen engagierte sich Giegold in der Umweltbewegung, studierte dann Wirtschaftswissenschaften in Lüneburg, Bremen und Birmingham, weil er verstanden hatte, dass Ökonomie das Entscheidende ist. Zur Jahrtausendwende gründete er mit Mitstreitern Attac Deutschland und wurde als eloquenter Gesprächspartner zum medialen Gesicht der kapitalismuskritischen Bewegung. Zu den Grünen fand Giegold erst 2008. Er war damals knapp 39 Jahre alt, als er der Partei beitrat. Im Jahr darauf wurde er in das Europaparlament gewählt. Dort machte er sich als Finanzexperte schnell einen Namen.
 

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Der gläubige Protestant, der lange mit wenig Geld spartanisch in einer Ökokommune auf dem Land lebte, zählt inzwischen zu den wichtigsten Köpfen der Partei. Bei den Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP war er im zehnköpfigen Kernteam der Grünen. Das Ergebnis verteidigte er hinterher als gelungenen Kompromiss. Es fehlte zwar „eine umverteilende Steuerpolitik und die konsequente Regulierung der Finanzmärkte“, schrieb Giegold auf seiner Internetseite, „aber diese Wirtschaftspolitik ist eben auch kein klassischer Ordoliberalismus mit ökologischem Anstrich“. Der Staat, wie ihn die Ampelkoalition verstehe, setze einen „ökologischen Ordnungsrahmen für privates wirtschaftliches Handeln“.

Kein Grundvertrauen in die Wirtschaft

Giegold schwärmte vom großen Umbau des Landes: „Dieses wirtschafts- und energiepolitische Jahrhundertprojekt werden im Wesentlichen wir Grünen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium steuern.“ Gut zwei Jahre später ist vielen Bürgern die Lust an diesem Jahrhundertprojekt vergangen. Die Angst vor Wohlstandsverlusten scheint größer als die vor der Erderwärmung. Und die Zweifel daran, ob diejenigen, die am Steuer stehen, die richtigen sind, wachsen. 

Über Sven Giegolds Arbeit als Staatssekretär hört man unterschiedliche Einschätzungen. Ihm fehle es an Grundvertrauen in die Wirtschaft, für Unternehmensvertreter sei es schwieriger, zu ihm durchzudringen als für Umweltorganisationen, klagen die einen. Andere betonen, dass er zwar starke Meinungen vertrete, aber die Dinge stets durchdringen wolle und deshalb für Gegenargumente offen sei. Er sei hochintelligent und denke strategisch, agiere aber taktisch geschickter und kompromissbereiter als Patrick Graichen, der für die Energie- und Klimaschutz-Abteilungen des Ministeriums verantwortlich war. Giegold führt die Abteilungen Europapolitik, Wirtschaftspolitik und Mittelstandspolitik. 

Kritik an Scholz

Sein wichtigstes Projekt ist derweil ins Stocken geraten: das Rüstungsexportkontrollgesetz, das Giegold mit großem Einsatz voranbringen wollte. Im Frühjahr 2022, wenige Monate nach Amtsantritt, hatte er zu mehreren umfangreichen Gesprächsrunden eingeladen, bei denen sowohl Rüstungsindustrie als auch Rüstungsgegner ihre Wünsche und Interessen äußern durften. Doch einen Gesetzentwurf gibt es immer noch nicht. Aus der Branche ist zu hören, dass nicht nur die FDP, sondern auch das Verteidigungsministerium und das Kanzleramt auf der Bremse stünden. 

Mit dem Bundeskanzler hat Giegold noch ein ganz anderes Problem. Als Europaparlamentarier setzte sich der Grüne für härtere Bandagen im Kampf gegen Steuerhinterzieher ein und kritisierte deshalb auch Olaf Scholz’ Rolle im Hamburger Cum-Ex-Skandal. An der politischen Einflussnahme zulasten der ehrlichen Steuerzahler gebe es keine ernsthaften Zweifel mehr, schrieb Giegold noch im August 2021. „Ich erwarte vom SPD-Kanzlerkandidaten nun rasche und lückenlose Aufklärung, noch vor der Bundestagswahl.“ Darauf wartet die Republik noch heute.

 

 

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