Sinupret - Extrakt für den Export

Das wohl bekannteste und älteste Mittel der Firma Bionorica ist Sinupret gegen Schnupfenleiden. Den pflanzlichen Nasenbefreier liefert Michael Popp in die ganze Welt

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Die Natur ist der Schatz aus dem Michael Popp schöpft / Foto: Dirk Bruniecki
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Susanne Donner ist freie Journalistin und schreibt zu Themen aus Medizin, Gesellschaft und Ökonomie.

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An freien Tagen, genauer: in freien Nächten, sitzt Michael Popp am liebsten auf der Terrasse einer seiner Fincas auf Mallorca und blickt über die vom Mond erleuchteten Weinberge. Die Freude an den Früchten der Natur hat ihn in seiner Freizeit zum Wein- und Orangenbauern gemacht. Aber auch sonst ist die Natur der Schatz, aus dem er schöpft: Popp ist Geschäftsführer des Familienunternehmens Bionorica mit Sitz in Neumarkt in der Oberpfalz. Den Aufstieg des Phytopharmaherstellers zum internationalen Player schildert der Journalist Gerhard Waldherr im gerade erschienenen Buch „Die Sinupret-Story“. Es ist eine Geschichte über den Aufstieg der Pflanzenarzneien in die Liga der ernsthaften Medizin.

Als der studierte Pharmazeut Michael Popp in dritter Generation 1989 das Familienunternehmen übernimmt, hat es sich gerade nach dem Zweiten Weltkrieg berappelt, war aber ein bunter Gemischtwarenladen mit ebensolcher Reichweite. Neben pflanzlichen Arzneien und Tees entstehen in der Firma Glas und Spiegel. Nur ein Produkt war auch damals schon wichtig: Sinupret, das allerdings noch nicht so hieß. Es basiert auf natürlichen Inhaltsstoffen von Schlüsselblume, Enzian, Ampfer, Holunder und Eisenkraut. Apotheker und Ärzte empfehlen es bei Schnupfen mit entzündeten Nasennebenhöhlen. Popp hält daran fest, vervierfacht aber in einem neuen Herstellungsverfahren die Dosis der Extrakte aus den Pflanzen. Dann folgt die Neuzulassung 2012, inzwischen gibt es Sinupret in 146 Ländern.

Neue Strategien, die fruchten

Das ist eine von drei Weichenstellungen, die Bionorica international zum Durchbruch verholfen haben: verbesserte Rezepturen und Neuzulassungen auf Basis klinischer Studien. Eine andere mindestens ebenso wichtige Strategie ist die Expansion in neue Märkte. Zwei Drittel des Umsatzes erzielt das Unternehmen mittlerweile im Ausland. Besonders Russland und die Ukraine sind wichtige Abnehmer. „Gigantische Zuwächse verzeichnen wir aktuell in Polen“, berichtet Popp. Und dann gibt es noch eine dritte Weichenstellung, die mit dem Rat des Kölner PR-Profis Michael Stanscheit nach der Jahrtausendwende zu tun hat. Er rät dazu, das Emotionale, also die Natur, mit der Wissenschaft konsequent zu verbinden. Das verleihe Seriosität, wie sie Pharmahersteller bei Zulassungsbehörden genießen. Das Konzept brauche auch einen Namen: „Phyto“ für Pflanze und „Engineering“ für Ingenieurswesen ergibt „Phytoneering“. Das ist fortan ein Lieblingswort in Popps Vokabular.

Diese drei Strategien fruchten. Der Umsatz des Unternehmens ist seit 2004 von 62 Millionen auf 223 Millionen Euro im Jahr 2018 angewachsen. Die Eigenkapitalquote läge bei rund 75 Prozent. Die Banken bewerten Bionorica mit der Bestnote AAA für seine Bonität. Im Mai 2019 verkauft Bionorica allerdings sein Cannabisgeschäft, nachdem die beiden Präparate Dronabinol gegen Gewichtsverlust bei Aids-Kranken und Cannabidiol enorme Zuwachsraten erzielt hatten. 226 Millionen Euro zahlt der kanadische Hersteller Canopy dafür, mehr als das Achtfache des Umsatzes.

Dreiklang aus Profilschärfe, Forschung und Expansion

Bionorica sei als Mittelständler zu klein, um im zunehmenden Wettbewerb im Cannabisgeschäft mitzuhalten, heißt es aus dem Unternehmen. Und: „Wir sind ein Arzneimittelhersteller und wollen nicht in die Nähe von Jointproduzenten gerückt werden“, sagt Popp. Wieder leitet ihn, das Unternehmensprofil zu schärfen. Die pharmakologische Forschung zu Cannabis führt Bionorica aber in Kooperation mit Canopy weiter. „Wir glauben an das medizinische Potenzial etwa bei Appetitlosigkeit oder Übelkeit während der Chemotherapie von Krebspatienten.“

Dem Dreiklang aus Profilschärfe, Forschung und Expansion in neue Märkte bleibt Bionorica treu. Jedenfalls lassen sich aktuelle Entwicklungen so deuten: Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen sucht das Unternehmen nach neuen Heilpflanzen, etwa auf Kuba und in Thailand. Besonders interessant wären Mittel, die die Leber entgiften, die Diabetes und auch Magen-Darm-Probleme angehen. Konkreter will Popp nicht werden.

„Wir bauen außerdem gerade unsere Niederlassung in der Türkei auf. Das ist nicht unkritisch zurzeit. Die Menschen dort kennen aber unsere Arzneien aus Deutschland und haben sie immer koffer­weise nach Hause gebracht.“ Ist die zunehmende Entdemokratisierung des Landes kein Problem? Popp entgegnet: „Man sollte sein Geschäft nicht nach der Politik ausrichten, sondern nach den Patienten.“

Dieser Text ist in der November-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

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