Schwarz-Gruppe - Vom Kühlregal zur KI

Die Schwarz-Gruppe ist mit Lidl und Kaufland ein Riese im Einzelhandel. Rolf Schumann und Christian Müller wollen sie auch im Digitalen zum Big Player machen.

Rolf Schumann und Christian Müller / Foto: Schwarz Digits
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Wer nach Deutschlands digitaler Zukunft sucht, beginnt meist in Berlin-Mitte. Dort, wo sich Start-ups in Loftetagen ausbreiten und junge IT-Talente aus aller Welt tummeln. Wer würde an Neckarsulm denken? Eine 26.000-Einwohner-Stadt, zwischen Mannheim und Stuttgart gelegen, in der fleißige Menschen in bodenständigen Branchen arbeiten. 

Von Neckarsulm aus hat Lidl-Gründer Dieter Schwarz sein Imperium aufgebaut. Die Schwarz-Gruppe, zu der auch die Kaufland-Märkte gehören, ist heute einer der größten Einzelhändler der Welt – mit rund 575.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 154,1 Milliarden Euro. Und sie ist gerade dabei, sich neu zu erfinden.

„Was wir hier machen, ist der krasseste Spielplatz für Digitalnerds in ganz Europa“, schwärmt Rolf Schumann (im Bild rechts). Der Manager wechselte 2019 vom Softwarehaus SAP als Digitalvorstand zur Schwarz-Gruppe und führt gemeinsam mit Christian Müller deren neu gegründete Sparte Schwarz Digits. In ihr hat der Handelskonzern seine bisherigen IT-Abteilungen gebündelt und investiert in ganz neue Geschäftsfelder, die sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen: digitale Souveränität.

„Wir machen es selbst“

Ging es zunächst nur darum, die eigenen Computersysteme vor Hackerattacken und Industriespionage zu schützen, was bei einem weit verzweigten Filial- und Logistiknetz kein einfaches Unterfangen ist, bietet Schwarz Digits seine Dienste auch externen Unternehmenskunden an und hat dabei vor allem deutsche Mittelständler im Blick.

„Wir haben uns 2017 die Frage gestellt, welchen Weg wir in die Cloud gehen sollen“, erzählt Müller von den Anfängen. „Uns war klar, dass das ein wichtiges Zukunftsthema ist. Aber wir wollten unsere Daten nicht in chinesische oder amerikanische Hände geben und haben in Deutschland keinen Partner gefunden, der uns Unabhängigkeit garantieren konnte. Also haben wir die Entscheidung getroffen: Wir machen es selbst.“

 

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Ihre eigene Cloud – also Rechenzentren, in denen Daten gespeichert werden und Computerprogramme laufen – hat die Schwarz-Gruppe dann für andere Firmen geöffnet und vermarktet sie unter dem Namen Stackit. „Viele Unternehmen, gerade hier in der Region, leben von ihrem Technologievorsprung. Sie müssen deshalb ihre Daten vor Wettbewerbern aus dem Ausland schützen“, erklärt Rolf Schumann.

Der nächste Schritt war der Kauf des israelischen Unternehmens XM Cyber, das innovative Ansätze zur Abwehr von Cyberangriffen verfolgt. „Erst wollten wir nur Kunde werden. Aber dann gab es ein Übernahmeangebot aus den USA, dem wir zuvorgekommen sind“, sagt Schumann. Jetzt gehört XM Cyber der Schwarz-Gruppe und schützt deren eigene IT, die Stackit-Cloud und die Netzwerke von Kunden. Der Motorsägenhersteller Stihl und die Drogeriekette dm zählen beispielsweise dazu.

Hier entsteht Deutschlands digitale Zukunft

Damit sind Schumann und Müller aber noch lange nicht am Ziel. Die beiden Manager, die miteinander einen vertrauten, kumpelhaft-flapsigen Umgangston pflegen und wie der lebendige Gegenbeweis zu allen Vorbehalten gegen Doppelspitzen wirken, haben noch viel vor. Künstliche Intelligenz (KI) wird eines der Schlüsselthemen. Gemeinsam mit SAP, Bosch und weiteren Investoren ist die Schwarz-Gruppe Ende 2023 bei dem Heidelberger KI-Start-up Aleph Alpha eingestiegen – als größter Geldgeber. Wieder war die Motivation der Wille zur Souveränität.

„Uns war es wichtig, dass Aleph Alpha nicht auf Risikokapital aus den Vereinigten Staaten angewiesen ist, sondern Investoren in Deutschland findet, die selbst Kunden werden.“ Nun schaue man, welche Geschäftsmodelle es bei Lidl und Kaufland für KI-Anwendungen mit den eigenen Daten gebe. „Das ist ein Datenschatz, auf dem wir hier sitzen“, ergänzt Schumann und erklärt damit auch, was ihn dazu bewogen hat, aus der IT-Branche in den Einzelhandel zu wechseln. 

Das ist wohl das Erfolgsrezept der beiden Schwarz-Digits-Chefs: Sie ergänzen sich. Müller hat seine Karriere innerhalb des Unternehmens gemacht. Er weiß, wie der Handelsriese funktioniert. Schumann kam von außen, er will Dinge verändern. Oder wie er selbst es ausdrückt: „Christian ist der beste ‚Run the company‘-Mann in der IT, den ich in 30 Jahren kennengelernt habe. Und meine Aufgabe ist ‚­Change the company‘. Beides zusammen passt perfekt.“

Und während die beiden in Neckarsulm den Konzern umkrempeln, entsteht im benachbarten Heilbronn ein 23 Hektar großer KI-Campus, finanziert und initiiert von der Stiftung des Unternehmensgründers Dieter Schwarz.

Wer nach Deutschlands digitaler Zukunft sucht, sollte hierher reisen.

 

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