Erhöhung des Rentenbeitrags - Das ist erst der Anfang

Mitte dieses Jahrzehnts tritt die Boomer-Generation in die Rente ein. Das wird 2025 voraussichtlich zu einem sprunghaften Anstieg der Rentenbeiträge führen. Kommt es jetzt nicht zu einer nachhaltigen Reform, drohen in wenigen Jahren sogar Beitragssätze von bis zu 25 Prozent.

Die Boomer-Generation erreicht das Rentenalter / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Was Rentenexperten schon seit Jahren prognostizieren, ist nun fast schon amtlich: Die Bundesregierung plant steigende Beitragssätze zur Rentenversicherung spätestens ab 2025. Der Grund hierfür ist nicht in erster Linie eine Ausweitung des Leistungsspektrums. Im Gegenteil: Mit dem Entwurf zum Rentenanpassungsgesetz 2022 will der Bund bis zum Jahr 2026 gegenüber der bisherigen Planung sogar 6 Mrd. Euro einsparen. 

Ursächlich für die steigenden Beiträge ist vielmehr die Tatsache, dass insbesondere ab Mitte dieses Jahrzehntes die so genannte Boomer-Generation in die Rente eintreten und die Zahl der Rentner dadurch schnell ansteigen lassen wird. Bis einschließlich 2024 sollen die Rentenbeiträge noch mit einem Satz von 18,6 Prozent stabil bleiben. In 2025 werden sie dann voraussichtlich sprunghaft auf 19,5 Prozent angehoben.

Beitragserhöhung durch Baby-Boomer

Die Rentenpolitik der Ampelkoalition erhält von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) alles andere als gute Noten. Dabei geht es dem Verband nicht nur darum, dass die Hälfte der Beitragssteigerungen von den Unternehmern zu tragen ist und insofern deren Profite schmälert. Noch mehr kritisiert der Lobbyverband die Kurzatmigkeit der aktuellen Bundespolitik.

Die Folgen des Bevölkerungswandels auch für das Rentensystem sind nämlich schon seit vielen Jahren erforscht. Gerade deshalb, so der BDA, habe die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Chance vertan, „die gesetzliche Rentenversicherung auf den weiteren demografischen Wandel vorzubereiten. Er beschränkt sich weitestgehend auf Regelungen für die laufende Legislaturperiode, blendet die Zeit danach aber aus (…) . Dabei steht der Rentenversicherung mit dem Alterungsschub ab 2025 die größte Belastung durch den demografischen Wandel erst noch bevor.“ Bis zum Jahr 2035 drohten demnach Beitragssätze in der Rentenversicherung von bis zu 25 Prozent. 

Auch die Bundesregierung weiß, dass die Beiträge in den nächsten Jahren ohne Leistungseinschnitte oder eine Heraufsetzung der Lebensarbeitszeit deutlich anziehen müssen. Das kann man sogar ihrem eigenen Gesetzentwurf entnehmen. Schon 2026 wäre demnach die nächste Erhöhung des Beitragssatzes fällig, diesmal auf 19,7 Prozent. Und so ginge es Schritt für Schritt immer weiter. Und nicht einmal damit könnte in der Rente das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent garantiert werden.

Eine nachhaltige Rentenreform

Auch Anja Piehl vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sieht den Gesetzentwurf kritisch, aber aus ganz anderen Gründen. Vor allem die Aktivierung des Nachholfaktors trifft auf ihren Widerspruch. Damit soll sich das Rentenwachstum künftig wieder strikt an der Lohnentwicklung orientieren. Ohne diese Maßnahme wären im nächsten Jahr die Renten noch einmal um 5,4 Prozent gestiegen, durch die Kürzung sind es hingegen nur 2,9 Prozent. Auch diese Maßnahme verbirgt sich hinter den Einsparungen, die der Bund vorsieht.

Was von den Arbeitgebern begrüßt wird, damit die Renten nicht im Durchschnitt stärker steigen als die Löhne, hält der DGB für eine „schlechte Nachricht“.  Er lehnt den Nachholfaktor strikt ab. „Angesichts steigender Preise und einer komplett unkalkulierbaren Energiekrise an diesem unseligen Vorhaben festzuhalten, ist verantwortungslos“, so Piehl.

Dabei dürften die Gewerkschaften auf Dauer am längeren Hebel sitzen. Der demografische Wandel erhöht ja nicht nur die Kosten für die Rentenversicherung, sondern verstärkt auch den Anteil der Rentner unter den Wählern. Für die Politik verschlechtern sich auch durch diesen Effekt Tag für Tag die Chancen, um die gesetzliche Rentenversicherung auf solide Grundlagen zu stellen. Die Bundesregierung täte daher gut daran, eine große Rentenreform und -diskussion möglichst zeitnah auf den Weg zu bringen und sich nicht weiter bloß von Jahr zu Jahr durchzuwursteln. Nachhaltigkeit ist nicht nur ein hoher Wert für die Finanzierbarkeit der Renten, sondern auch für gute Politik.

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